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Wir zogen uns von den Wracks zurück, die zum Teil in Brand standen. Pechgeruch lag in der Luft.

Dutzende von Schiffen, die sich bei ihren verzweifelten Befreiungsversuchen immer wieder gegenseitig behinderten, saßen an der Kette fest. Hunderte von Männern schwammen im Wasser. Hunderte von Rudern waren bei den zahlreichen Kollisionen zerbrochen worden, oft an der eigenen Schiffshülle. Dicht geflochtene Bogenschützenschilde schwammen im Wasser, durchbrochene Stützbalken und Planken und abgebrochene Ruder. Inmitten des Chaos stießen immer wieder Voskmöwen auf das Wasser hinab, um Fische zu jagen.

Dicht an der Kette sank eine Piratengaleere.

»Ruder rückwärts!« befahl Callimachus. »Neu formieren!« Er war kein Dummkopf. Einen offenen Kampf wollte er nicht riskieren. Selbst wenn die Zahl der Einheiten identisch gewesen wäre, hätte er gegen die Schiffe Voskjards keine Chance gehabt.

»Wir haben bisher nur Glück gehabt«, sagte jemand.

»Ja. Voskjard wird wütend sein.«

Die Tina, flankiert von der Mira an Steuerbord und der Talender an Backbord, lag schließlich wieder in Position. Die Schiffe aus Port Cos, die Tais und nur noch vier andere, kehrten an die ursprüngliche Position rechts von uns zurück. Nicht auszudenken, wie es jetzt um uns stünde, wenn sie nicht gewesen wären. Sie hatten den Gegner empfindlich getroffen, ehe er den Keil herumdrehte, um dann in totaler Verwirrung, von unserem Angriff überrascht, wieder in die andere Richtung zu schwenken, woraufhin die Tais und ihre Schwesterschiffe den Angriff erneuert hatten. Ich hielt es für nicht unwahrscheinlich, daß Voskjard etwa dreißig Schiffe verloren hatte. Dennoch standen uns immer noch etwa fünfzig Schiffe gegenüber – vermutlich erhielt er durch die im Norden gebrochene Kette laufend Verstärkung. Wir dagegen waren nur noch siebzehn Schiffe, einschließlich der Einheiten aus Port Cos, von denen unser Wohl und Wehe abhing.

»Die feindliche Flotte formiert sich!« rief eine Stimme.

»Wieder der Keil?« erkundigte sich jemand.

»Nein, je zwei Schiffe zusammen, das zweite Steuerbord achteraus.«

»Sie werden vorsichtig anrücken und uns paarweise jagen«, vermutete jemand.

»Ich würde empfehlen«, sagte ein Offizier über mir auf dem erhobenen Vorderdeck, »daß wir uns sofort zurückziehen.«

»Wir müssen die Stellung für Callisthenes halten«, widersprach Callimachus.

»Zieh dich zur südlichen Wachtstation zurück! Schließ dich ihm sofort an!« beharrte der Offizier.

»Damit man uns umzingeln und zwischen Kette und Südufer festnageln kann?« fragte Callimachus. »Außerdem sind die Piratenschiffe schneller als unsere.«

»Nicht schneller als die Tina«, sagte der Offizier.

»Soll ich die Flotte im Stich lassen?« fragte Callimachus.

Der Offizier nickte ihn zornig an.

»Nein, wir warten auf Callisthenes«, fuhr Callimachus fort.

»Vergiß Callisthenes!« sagte der Offizier nachdrücklich.

»Ich werde ihn ebensowenig vergessen, wie er mich vergessen würde. Wir sollten uns hier mit Callisthenes treffen, und hier werden wir ihn erwarten.«

»Aber wo ist Callisthenes?« fragte eine Männerstimme.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich.

Ich beobachtete die Annäherung der feindlichen Flotte in der Paarformation, wobei zwischen den Partnern jeweils mehr als hundert Meter lagen. Natürlich ist es für ein einzelnes Schiff sehr schwer, sich vor einem solchen doppelten Angriff zu schützen. Die beiden belauern sich gegenseitig, um im rechten Winkel angreifen zu können. Wird man erwischt, kann man sich nicht gegen beide wehren: Automatisch wird zumindest eine Schiffswand einer Ramme schutzlos dargeboten.

»Wir müssen die Stellung halten«, sagte ein Mann neben mir nervös.

»Befiehl den Rückzug!« flehte der Offizier über uns auf dem Bugkastell.

»Sie hätten uns erreicht, ehe wir wenden könnten.«

Ringsum wurden Schwerter aus den Scheiden gezogen.

»Laßt das Signal zum Kampf ertönen!« befahl Callimachus.

Auch ich zog blank.

5

Kreischend trat ich das Gesicht zurück, das sich über die Bordwand schob. Mit der Klinge durchtrennte ich das straff gespannte Tau, das von dem Enterhaken abwärts führte. Einer meiner Füße stand auf der Tina, der andere auf der Reling des Piratenschiffes. Auf ähnliche Weise schwebten auch andere Verteidiger zwischen den Schiffen und kämpften, so wie auch auf den Decks beider Boote gestritten wurde. Die Männer der Tina versuchten mit Hilfe der Ruder die beiden Schiffe auseinanderzuschieben. Das Metall von Scherblättern knirschte unter dem Druck der gegeneinander reibenden Schiffskörper. Das Backbord-Scherblatt des Piraten war abgerissen; an seiner Stelle klaffte ein aufgesplittertes Loch in den Planken. Unser Steuerbord-Scherblatt, eine mächtige Sichel aus Metall, etwa sieben Fuß lang und fünf Fuß breit, war verbogen, als bestünde es aus Blech. Neben mir stürzte ein Mann, von einem Pfeil getroffen, in den Abgrund zwischen die Schiffe.

Um mich hauend, sprang ich auf das Deck des Piratenschiffes. Ein von hinten gestoßener Speer durchdrang seitlich meine Tunika. Das Schwert schwingend, wich ich aus und fuhr herum. Piraten drängten vor, und ich spürte, wie sie mich umringten. Sie wogten zur Reling, und mir ging auf, daß sie in der Hitze des Kampfes gar nicht erkannten, daß ich nicht zu ihnen gehörte. Aus Versehen hätte ich beinahe einen Ruderer der Tina niedergestreckt, der sich ebenfalls zu den Piraten vorgewagt hatte. So schlugen wir von hinten auf sie ein. Ich sah, wie der Bursche, den ich beinahe niedergestreckt hätte, mit den Piraten auf die Tina schwärmte, nach außen hin Pirat. Er wehrte den Pikenstoß eines Verteidigers ab und hieb dann auf die Piraten links und rechts von sich ein. Gleich darauf stand er wieder auf dem Deck der Tina, machte kehrt und kämpfte nun wieder offen gegen die Piraten. Ich hörte Holz splittern. Piraten waren auf das Heckkastell der Tina vorgedrungen. Etwa zehn Männer von uns kämpften auf dem Piratenschiff, in der Nähe des erhöhten Vorderdecks. Wieder durchschnitt ich Enterseile. »Schurke!« rief ein Mann, und ich stellte mich ihm zum Kampf. Fünfmal kreuzten wir die Schwerter, ehe sein Blut meine Klinge benetzte. Die Schiffe trieben wieder auseinander; nur am Heck wurden sie noch zusammengehalten. Ich roch Feuer. Auf der Tina hob ein Mann die Hand an die Stirn, aus der ein Pfeil ragte, und stürzte ins Meer. Mit zwei Schritten hatte ich die Plattform des Bogenschützen erreicht und war hinter seine Deckung getaucht. Der Bursche machte mir keine Mühe. Die Pfeile aus seinem Köcher prasselten an Deck. Ein Pirat sprang auf mich zu, und ich hieb ihn von der Plattform. Zwei Pfeile sirrten auf mich zu und verfingen sich im Schutzgeflecht. Weiter hinten ragte ein anderes Piratenschiff auf. Am Bugkastell setzten sich einige meiner Mitstreiter gegen die Piraten durch. Brennendes Pech loderte über das Deck.

»Hier entlang, Jungs!« rief ich und sprang von der Plattform des Bogenschützen. Dicht vor meinen Füßen bohrte sich ein Pfeil ins Holz.

Wir liefen das Deck entlang. Das Schiff erschauderte, als das schwere Katapult ein Steingeschoß abfeuerte, das die Backbord-Rudereinrichtung der Tina traf.

Gleich darauf gelang es uns – mir und sieben anderen Männern –, die Haltetaue zwischen den beiden Schiffen zu kappen, die sich voneinander lösten. Wir sprangen auf das Heck der Tina hinüber und rückten gegen einige Piraten vor, die um ihr Leben kämpfen mußten. Wir zwangen sie über die Reling.