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Liam folgte dem Rothaarigen. Der Raum hatte die Form einer halben Tonne: Die Decke wölbte sich an zwei Seiten zum Boden, während die anderen beiden Wände senkrecht waren. Das Mauerwerk bestand aus rußfarbenen, eng verfugten Steinen und roch alt und feucht. Die Möbelstücke, die Jackon gefunden hatte, befanden sich in einem schlechten Zustand. Das Holz war gesplittert, wurmzerfressen und aufgequollen, die Scharniere und Blechbeschläge waren verrostet. Zwei mannshohe Schränke flankierten eine morsche Tür. An der Wand darüber entdeckte Liam ein kleines Relief. Es stellte einen Basilisken dar.

Er runzelte die Stirn. Erst die Statue und nun ein Steinmetzzeichen - was hatte das zu bedeuten?

Eine Warnung?

Vor einem Basilisken?

Unsinn, dachte er. Es gab schon lange keine Basilisken mehr. Die letzten waren vor Jahrzehnten verschwunden, wie die meisten Schattenwesen.

Aber was, wenn einer überlebt hatte, versteckt in den Tiefen dieses vergessenen Kellers? Der, aufgeweckt von dem Erdrutsch, auf dem Weg zu ihnen war, bereit, sie mit seinem Giftatem zu töten?

Liam schüttelte diesen törichten Gedanken ab. An einem Ort wie diesem in Schauergeschichten zu schwelgen war nicht gerade hilfreich.

Er schrak zusammen, als ein Knarren ertönte. »Was machst du da?«

»Ich will wissen, was da drin ist«, antwortete Jackon, während er einen der Schränke öffnete. »Schau dir das an! Glasflaschen, Röhren, eine Zunderbüchse, Schutzkleidung... Was ist das hier?«

»Nicht anfassen«, mahnte Liam, doch der Rothaarige hatte den Gegenstand bereits in die Hand genommen. Lederne Schläuche baumelten herunter.

»Eine alte Gasmaske. Was ist das für ein komischer Keller?«

Liam betrachtete den grotesk geformten Gesichtsschutz... und begann zu ahnen, wo sie gelandet waren. Die Sarkas waren eine alte Familie von Alchymisten, wie jedermann in Bradost wusste. Vermutlich handelte es sich bei dem Gewölbe um die Reste eines Laborgebäudes. Deshalb die Statue und das Relief: Der Basilisk war ein traditionelles Symbol für die Verwandlungskräfte der alchymistischen Wissenschaft.

Jackon legte die Gasmaske zurück und machte sich an dem anderen Schrank zu schaffen.

»Hör auf«, sagte Liam. »Lass uns lieber überlegen, wie wir hier rauskommen.«

Er betrachtete die Öffnung, die sich am höchsten Punkt der Decke befand, genau da, wo die Rippenbögen zusammenliefen. Besorgt stellte er fest, dass überall Staub herabrieselte. Womöglich hatte der Einsturz das gesamte Gewölbe destabilisiert.

»Meinst du, wir können da raufklettern?«, fragte Jackon.

»Zu hoch.«

»Mit Räuberleiter?«

Liam schüttelte den Kopf. Selbst wenn Jackon auf seine Schultern stieg, würde er Schwierigkeiten haben, das Loch zu erreichen. »Vielleicht, wenn wir erst auf den Schrank klettern. Hilf mir.«

Mit vereinten Kräften versuchten sie, einen der Schränke zum Schutthaufen zu ziehen. Sie schafften es kaum, ihn zu bewegen. Er war aus massivem Holz gefertigt, das sich obendrein mit Feuchtigkeit vollgesogen hatte, und wog so viel, als bestünde er aus Stein.

Immer mehr Staub rieselte von der Decke.

»Wieso warten wir nicht einfach, bis Hilfe kommt?«, fragte Jackon. »Vielleicht hat irgendwer mitgekriegt, was passiert ist.«

»Keine gute Idee«, erwiderte Liam.

Ein unheilvolles Knirschen erklang. Jetzt bemerkte auch Jackon den rieselnden Staub. Seine Augen weiteten sich.

»Raus hier!«, stieß er hervor.

Ein Stein löste sich von einem Rippenbogen und fiel polternd zu Boden, als Liam herumwirbelte und sich gegen die Tür warf. Sie ließ sich nicht öffnen - entweder war sie verzogen oder verriegelt.

Jackon wühlte im Schrank herum.

»Was soll das? Komm her, verdammt!«, schrie Liam.

Noch ein Stein stürzte herab, gefolgt von einer Ladung Schutt und Erde. Offenbar war das marode Mauerwerk nur noch von den Baumwurzeln zusammengehalten worden. Das Gewölbe ächzte, als sich überall in den Fugen Risse bildeten.

»Jackon!«

Endlich kam ihm der Rothaarige zu Hilfe. Gemeinsam rüttelten sie an der Tür und stemmten sich dagegen, bis sie schließlich nachgab. Liam stolperte in die Dunkelheit und schlug der Länge nach hin, als Jackon von hinten gegen ihn prallte. Er drehte sich auf den Rücken und sah gerade noch, wie sich die Gewölbedecke in einzelne Steine auflöste und unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrach. Eine Staubwolke walzte auf die Tür zu - und im nächsten Augenblick war es stockfinster.

Auf das Getöse folgte Stille.

Die Luft war voller Staub. Liam hörte Jackon husten.

»Das war knapp«, ächzte der Rothaarige.

Liam stand auf. Wieder hatte er verteufeltes Glück gehabt. Sein Fußknöchel schmerzte ein wenig, aber davon abgesehen war ihm nichts passiert. Er tastete sich an der Wand entlang zur Tür. Teile der Decke hatten sich dahinter verkeilt, und der Schutt war einen halben Meter weit in den Gang gerutscht.

Nirgendwo der kleinste Lichtschein.

Liam versuchte, ruhig zu bleiben und nicht auf die Stimme in seinem Kopf zu hören, die beharrlich flüsterte: Wir sind hier unten eingeschlossen. Wie lange wird es wohl dauern, bis uns die Luft ausgeht?

»Was machen wir jetzt?«, fragte er.

Jackon antwortete nicht. Es klackte, als er etwas auf den Boden schlug.

»Was tust du da?«

Funken sprühten. Dann flackerte eine kleine Flamme auf.

Jackon kauerte auf dem Boden, über die Zunderbüchse gebeugt. »Schnell, gib mir ein Holzstück.«

»Hier gibt es kein Holz.«

»Doch, die Tür!«

Die Tür war an einer Stelle gesplittert, als sie sie aufgebrochen hatten. Mit einem Fußtritt gelang es Liam, ein armlanges Stück herauszubrechen.

»Dein Hemd«, sagte Jackon, »wickle es herum. Mach schnell, das Feuer geht gleich aus!«

Hastig zog Liam sein Hemd aus und machte aus dem Holzstück eine provisorische Fackel. Sie fing augenblicklich Feuer, als Jackon das brennende Zunderstück daranhielt.

»Wenigstens sitzen wir jetzt nicht mehr im Dunkeln«, sagte er.

Mit einer Mischung aus Unglauben und Bewunderung für Jackons Geistesgegenwart sah Liam zu, wie dieser die Zunderbüchse einsteckte. »Die Decke stürzt ein, und das Erste, woran du denkst, ist das Ding da?«

»Unter der Erde ist man ohne Licht verloren«, erwiderte der Rothaarige entschieden.

Im Fackelschein sahen sie sich die verschüttete Türöffnung an. Liam versuchte gar nicht erst, sie freizulegen. Geröll und große Mauerstücke bildeten eine undurchdringliche Wand, hinter der sich wahrscheinlich Tonnen von Erde auftürmten. »Hier kommen wir nicht raus.«

Jackon blickte in die Dunkelheit des Tunnels. »Vielleicht gibt es noch einen anderen Ausgang.«

Die Aussicht, ein vergessenes Laborgebäude zu durchsuchen, das außer baufälligen Kellerräumen vielleicht noch viel schlimmere Gefahren enthielt, war nicht gerade verlockend. Aber was hatten sie schon für eine Wahl? Selbst wenn die Palastbewohner den Gewölbeeinsturz inzwischen bemerkt hatten und sich umgehend auf die Suche nach ihnen machten, würde es möglicherweise Tage dauern, bis sie den Schutt beseitigt hatten.

»Sehen wir uns an, wohin der Tunnel führt«, sagte Liam und ging mit der Fackel in der Hand voraus.

Der Keller war nicht sonderlich groß. Er bestand aus mehreren Gewölberäumen, von denen zwei teilweise eingestürzt waren. Die anderen enthielten alte Kisten, rostige Stahlfässer, aus denen seltsam riechende Substanzen sickerten, und Schränke aus Blech und morschem Holz voller Plunder. Eine Treppe hatte an der Wand eines runden Raumes entlang nach oben geführt, doch jetzt waren von den Stufen nur noch gesplitterte Stümpfe übrig, die aus dem Mauerwerk ragten. Alles war voller Moder, Schimmel und schmieriger Feuchtigkeit. Ihre Fackel drohte mehrmals auszugehen, so schwach brannte sie in der dicken und klebrigen Luft.