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Lucien keuchte. Ein verdammter Doppelgänger! Mit dem Messer in der Hand wirbelte er herum, doch es war bereits zu spät. Glas zerplatzte vor seinen Füßen, grüner Rauch wallte auf. Er wich zurück und wedelte mit der Hand, vergebens. Der Rauch bildete tentakelähnliche Schwaden, die seine Arme und Beine umschlangen. Das Messer entglitt seiner Hand, er fiel zu Boden. Der Rauch hielt ihn wie ein Netz fest. Seine Haut brannte, wo die grünen Stränge sie berührten.

Ein Kichern erklang.

Lucien hob den Kopf, soweit es die Fesseln zuließen. Der echte Silas Torne stand in dem riesigen Kessel. Ölige Flüssigkeit rann über seinen nackten, von Geschwüren übersäten Körper. Seelenruhig entstieg er seinem widerwärtigen Bad, trocknete sich ab und schlüpfte in einen Mantel.

»Lucien, Lucien«, sagte er, während er herkam. »All die Jahre versuche ich, dich zu fangen, und dann spazierst du einfach hier herein. Was für ein ungewöhnlicher Glücksfall.«

Lucien blieb reglos liegen. Je heftiger er gegen den Rauch ankämpfte, desto schlimmer brannte seine Haut. Außerdem lähmte der Rauch seine Albenkräfte. »Wer hat mich verraten?«, ächzte er.

»Niemand. Aber um Silas Torne zu übertölpeln, muss man früher aufstehen. Von einem Meisterdieb deines Formats hätte ich eigentlich mehr erwartet.«

Der Doppelgänger war zwischenzeitlich aufgewacht und bedachte Lucien mit einem finsteren Blick. Torne machte keine Anstalten, ihn loszubinden.

»Ich bin neugierig«, sagte der Alchymist liebenswürdig. »Wolltest du mich berauben? Entführen? In wessen Auftrag? Schickt dich die Familie Addock? Tragen sie mir den Vorfall in den Aetherküchen etwa immer noch nach?«

»Ich bin hier, um dir einen Handel vorzuschlagen.«

»Einen Handel? Und dafür wolltest du mich fesseln? Ts, ts, Lucien, geht man so mit einem Geschäftspartner um?«

»Ich brauche eine Information. Dafür biete ich dir etwas, das dich interessieren wird.«

»Ich höre«, sagte Torne.

»Zuerst die Fesseln.«

»Hältst du mich für einen Narren?« Der Alchymist band seinen Doppelgänger los und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der weißhäutige Jüngling einen Schrank neben dem Käfig öffnete. Der Mantikor brüllte ihn an, doch der Jüngling nahm keine Notiz davon. »Du solltest etwas über den Rauch wissen«, wandte sich Torne wieder an Lucien. »Noch brennt er nur auf deiner Haut, aber nach einer Weile fängt er an, sich in dein Fleisch zu fressen. Kein angenehmes Gefühl, ganz bestimmt nicht.«

Lucien biss die Zähne zusammen. »Der Harlekin hat Aziel im Zweikampf besiegt. Ich muss wissen, wie...«

»Du scheinst immer noch nicht zu verstehen«, fiel Torne ihm ins Wort. »Zuerst dein Angebot. Dann entscheide ich, ob wir ins Geschäft kommen.«

Das Brennen wurde bereits schlimmer. Besser, er tat, was Torne verlangte. »Ich kann dir verraten, wo du vier Alben findest.«

»Lebendige?«, fragte der Alchymist mit erwachendem Interesse.

»Tote.«

»Tote Alben sind ohne Wert für mich.«

»Sie sind noch nicht lange tot. Zwei, höchstens drei Wochen. Die Körper sind gut erhalten. Ihre Essenz hat sich noch nicht verflüchtigt.«

»Danke, kein Bedarf.«

Der Doppelgänger kam zurück und übergab Torne eine Bleiphiole. Panik stieg in Lucien auf.

»Warte«, stieß er hervor. »Das sind die letzten Alben, die du je finden wirst. Die anderen haben die Welt verlassen...«

»Alle bis auf einen«, sagte Torne mit einem unheilvollen Funkeln in den Augen.

Mit der Phiole in der Hand ging er zum Schreibtisch, öffnete eine Schublade und holte ein Messer heraus. Die dünne Klinge glitzerte im Schein der Kohlepfannen, als der Alchymist näher kam.

Luciens Gedanken rasten. Er brauchte sein Messer, einen Wurfpfeil, irgendetwas, mit dem er diesen Wahnsinnigen aufhalten konnte. Doch an seinen Gürtel kam er nicht heran. Jedes Mal, wenn er es versuchte, schlang sich der Rauch noch fester um seinen Arm, und das Brennen wurde schier unerträglich.

Egal. Vergiss den Schmerz. Du hast keine andere Wahl.

Seine Hand streifte seine Hosentasche, berührte etwas Festes darin. Das Amulett! Vielleicht war das die Rettung.

Vorsichtig schob er die Hand in die Tasche, schloss sie um das geschliffene Keramikstück. Jetzt spürte er die Macht des Talismans so intensiv, dass sein Arm warm wurde.

»Um noch einmal auf unseren Handel zurückzukommen«, sagte er.

Torne zog einen Schemel her und setzte sich. »Sag bloß, dir ist ein besseres Angebot eingefallen als deine toten Alben. Vielleicht ein Schwarm seniler Harpyien?«

»Noch besser. Wenn du mich freilässt, töte ich dich nicht.«

»Jetzt hör schon auf«, erwiderte der Alchymist ungehalten. »Zeig ein wenig Würde. Ich verspreche dir auch, dass es schnell gehen wird.« Er öffnete die Phiole und stellte sie auf den Boden.

»Heißt das Nein? Wenn das so ist, muss ich wohl einen Blutgeist rufen.«

»Du? Einen Blutgeist? Wie willst du das anstellen?«

»Damit«, sagte Lucien und zog das Amulett aus der Hosentasche.

Tornes Gesicht verfinsterte sich. »Woher hast du das?«

»Du solltest deine Sachen nicht so offen herumliegen lassen.«

»Es ist wertlos. Es hat seine Magie längst verloren.«

»Für euch Menschen vielleicht. Ich kann sie immer noch spüren.«

Der Alchymist sprang so heftig auf, dass der Schemel umkippte. »Das ist nur wieder einer von deinen Tricks!«

»Bist du dir da so sicher?«

Torne war sich offenbar alles andere als sicher, denn er wich zwei Schritte zurück. »Bleib, wo du bist«, fuhr er den weißhäutigen Jüngling an, der ihm zu Hilfe eilen wollte. Zu Lucien sagte er: »Gib mir den Talisman.«

»Vorher löst du die Fesseln.«

»Nein.«

»Ich warne dich, Torne. Es wird allmählich schmerzhaft. Siehst du meine Hand? Sie fängt an zu zucken. Nicht ausgeschlossen, dass ich das Amulett aus Versehen zerbreche.«

Mit einem zornigen Schnauben wirbelte der Alchymist herum und griff nach einem Glasfläschchen auf dem Schreibtisch.

»Was ist das?«, fragte Lucien.

»Ein Bannpulver«, knurrte Torne.

»Herzeigen.«

Torne hielt ihm das Fläschchen vors Gesicht. Lucien verstand ein wenig von Alchymie. Das Pulver schien kein Gift oder dergleichen zu sein, aber ganz sicher sein konnte er nicht.

»Tu ein wenig davon auf deine Hand«, forderte er den Alchymisten auf.

»Das ist lächerlich.«

»Wie lange war der Blutgeist in dem Amulett? Ein paar hundert Jahre, oder? Ich schätze, er wird hungrig sein.«

In Tornes Augen glühte der Zorn. Dann öffnete er das Fläschchen und streute eine Prise des Pulvers auf seine Hand. Nichts geschah.

»Gut«, sagte Lucien. »Jetzt die Fesseln.«

Torne verstreute das Pulver über ihm. Augenblicklich verflüchtigte sich der Rauch. Mit schmerzenden Gliedern stand Lucien auf. Es gab kaum eine Stelle seines Körpers, die nicht brannte. Aber bleibende Schäden schien er keine erlitten zu haben. Die roten Striemen, die der Rauch verursachte hatte, verschwanden bereits.

»Her mit dem Amulett«, sagte der Alchymist.

»Meine Bedingungen haben sich soeben geändert. Zuerst beantwortest du meine Fragen.«

Tornes Kiefer mahlten. Dann war sein Zorn plötzlich wie weggeblasen, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, wobei er verfaulte Zähne entblößte. »Wieso reden wir nicht wie vernünftige Männer miteinander? Hören wir auf, einander zu bedrohen und zu betrügen. Schließlich sind wir beide Geschäftsleute, nicht wahr? Ich bin sicher, dass wir uns einig werden können.«

Lucien musterte Torne misstrauisch. Dieser Sinneswandel ging ihm eindeutig zu schnell. Ohne den Alchymisten aus den Augen zu lassen, legte er die Bruchstücke von Jernigans Lampe auf den Tisch. »Ich nehme an, du weißt, was das ist.«