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Khadgar runzelte die Stirn. Waren dies Zulieferer, die Moroes abgewiesen hatte, oder handelte es sich um Überbringer weiterer schlechter Nachrichten für seinen Herrn? Khadgar stieg den Turm hinab, um mehr herauszufinden.

Er sah den Neuankömmling nur kurz – flüchtig bemerkte er einen schwarzen Umhang, der in einem Gästezimmer auf einem der unteren Stockwerke verschwand. Moroes war ebenfalls dort. Er hielt eine Kerze in der Hand, und als Khadgar die letzten Stufen überwand, hörte er den Schlossverwalter sagen: »Andere Besucher waren weniger vorsichtig. Sie sind jetzt weg.«

Die Antwort des Neuankömmlings war nicht zu verstehen, denn Moroes schloss die Tür, als Khadgar näher kam.

»Ein Gast?«, fragte der junge Mann in der Hoffnung, einen Hinweis auf den Neuankömmling zu erhalten. Er sah jedoch nichts außer einer geschlossenen Tür.

»Jau«, antwortete der Verwalter.

»Magier oder Händler?«

»Weiß ich nicht«, sagte der Verwalter, der bereits den Gang hinunterging. »Hab nicht gefragt, und der Abgesandte hat nichts dazu gesagt.«

»Der Abgesandte«, wiederholte Khadgar und dachte an einen der geheimnisvollen Briefe aus Medivhs großem Schlaf. »Dann ist es ein politischer Besuch für den Magus.«

»Nehme ich an«, sagte Moroes. »Hab nicht gefragt. Steht mir nicht zu.«

»Also ist es Besuch für den Magus«, sagte Khadgar.

»Nehme ich an«, sagte Moroes in dem gleichen schläfrigen Tonfall. »Man wird uns sagen, was wir wissen müssen.« Und damit verschwand er und ließ Khadgar, der immer noch auf die geschlossene Tür starrte, stehen.

Am nächsten Tag war da dieses seltsame Gefühl einer fremden Präsenz im Turm. Es war, als gäbe es einen neuen Himmelskörper, dessen Schwerkraft die Umlaufbahnen aller anderen beeinflusste. Dieser neue Planet brachte Köchin dazu, größere Pfannen zu verwenden und Moroes dazu, in unregelmäßigeren Abständen als sonst üblich durch die Gänge zu wandern. Selbst Medivh schickte Khadgar gelegentlich auf Botengänge innerhalb des Turms, und wenn der junge Magier ihn verließ, hörte er das Flüstern eines schweren Umhangs auf den Steinen hinter sich.

Medivh verriet nichts, so lange Khadgar auch auf eine Erklärung wartete. Es gab Anspielungen, mehr nicht. Dann wurde er in die Bibliothek geschickt, wo er seine Studien fortsetzen und seine Zaubersprüche einstudieren sollte. Khadgar stieg die Wendeltreppe einen Halbkreis lang hinab, hielt inne und stieg dann langsam wieder hinauf. Er sah den Rücken eines dunklen Umhangs im Labor des Wächters verschwinden.

Khadgar ging die Treppe wieder hinunter und fragte sich, wer der Abgesandte wohl sein mochte. Ein Spion für Lothar? Ein Mitglied des Ordens, das sich geheimnisvoll geben wollte? Vielleicht ein Angehöriger der Kirin Tor, jener mit der spinnenartigen Handschrift und den giftigen Theorien? Oder vielleicht eine ganz andere Person? Es war frustrierend, nichts zu wissen und – noch schlimmer –, nicht das Vertrauen des Magus zu genießen.

»Man wird uns sagen, was wir wissen müssen«, murmelte Khadgar und betrat die Bibliothek. Seine Notizen und Bücher lagen so über die Tische verteilt, wie er sie zurückgelassen hatte. Er warf einen Blick darauf und auf das Schema eines Bildbeschwörungsspruchs. Seit seinem letzten Versuch hatte er einiges hinzugefügt und hoffte, sein Resultat jetzt verbessern zu können.

Khadgar betrachtete die Notizen und lächelte. Dann nahm er die Phiolen mit pulverisierten Diamanten und ging nach unten. Er brachte einige Stockwerke mehr zwischen sich und Medivhs Audienzkammer, bis er zu einem der verlassenen Bankettsäle gelangte.

Zwei Stockwerke tiefer, perfekt. Der Raum war elliptisch geformt und verfügte über je einen Kamin an beiden Enden. Der große Tisch war längst in ein anderes Zimmer gebracht worden, die alten Stühle standen aufgereiht an einer Wand. Es gab nur einen Eingang. Der Boden bestand aus weißem Marmor, war alt und aufgesprungen, jedoch sauber. Moroes’ endlose Hingabe und Aufopferung sorgten dafür.

Khadgar schuf einen magischen Kreis aus Amethyst und Rosenquarz. Er grinste, während er die Linien anfertigte. Er war sicherer bei seinen Zaubersprüchen geworden und benötigte sein zeremonielles Zaubergewand nicht mehr als Glücksbringer. Er zeichnete das Schutzmuster und lächelte immer noch. Er konzentrierte die Energie bereits in seinem Kopf, rief die notwendigen Formen und Arten der Magie auf, zwang sie in eine Form und hielt ihre Energie zurück, bis sie benötigt wurde.

Er trat in den Kreis, sprach die Worte, die gesprochen werden mussten, malte die Zeichen in perfekter Harmonie mit seinen Händen in die Luft und ließ die Energie frei. Er spürte, wie sich etwas in seinem Geist und in seiner Seele berührte und rief die Magie herbei.

»Zeige mir, was in Medivhs Quartieren geschieht«, forderte er. In ihm zuckte es nervös. Er hoffte, dass die Schutzzauber des Wächters sich nicht auch gegen seinen Schüler richteten.

Er erkannte sofort, dass der Zauber misslungen war. Es war keine Katastrophe, die magischen Energien waren nicht kollabiert … es war mehr wie eine Fehlzündung. Vielleicht richteten sich die Schutzzauber auch gegen ihn und hatten seine Visionen an einen anderen Ort abgelenkt.

Mehrere Umstände verrieten ihm, dass der Zauber fehlgeschlagen war. Zum einen herrschte hier Tageslicht. Zum anderen war es warm. Und zuletzt kannte er diesen Ort auch noch.

Er war noch nie hier gewesen, zumindest nicht in dieser Turmspitze, aber es war klar, dass er sich in der Burg von Stormwind befand und über die Stadt hinwegblickte. Es handelte sich um einen der höheren Türme, und der Raum ähnelte dem, in dem die beiden Angehörigen des Ordens Monate zuvor ihr Ende gefunden hatten. Die Fenster waren jedoch größer, und es gab leuchtend weiße Balkone. Eine warme Brise bewegte die Vorhänge. Farbenfrohe Vögel saßen auf goldenen Stangen entlang der Wände des Zimmers.

Vor Khadgar befand sich ein kleiner gedeckter Tisch. Er sah weiße, mit goldenen Rändern versehene Porzellanteller, goldene Messer und Gabeln. In Kristallschalen lagen Früchte, die so frisch waren, dass der Morgentau noch an ihren Schalen hing. Khadgar spürte, wie sein Magen bei diesem Anblick zu knurren begann.

Neben dem Tisch stand ein dünner Mann, den Khadgar nicht kannte. Er hatte ein schmales Gesicht und eine breite Stirn. Oberlippen- und Kinnbart waren schmal und sorgfältig gestutzt. Er trug eine reich verzierte rote Decke, die Khadgar nach einem Moment als Robe erkannte und die mit einem goldenen Gürtel über seiner Hüfte gehalten wurde. Er berührte eine der Gabeln und bewegte sie ein kleines bisschen zur Seite. Dann nickte er zufrieden. Er sah Khadgar an und lächelte.

»Ah, du bist wach«, sagte er mit einer Stimme, die Khadgar vage bekannt vorkam.

Für einen Augenblick dachte Khadgar, die Vision könne ihn wahrnehmen, doch der Mann sprach zu jemandem hinter ihm. Er drehte sich um und entdeckte Aegwynn, die so jung und schön war wie auf dem Schneefeld. (Hatten sich diese Ereignisse vorher oder nachher abgespielt? Ihr Aussehen verriet es ihm nicht.) Sie trug ein weißes Cape mit grünem Rand, das aus Seide, nicht aus Fell bestand, und ihre Füße steckten nicht in Stiefeln, sondern einfachen weißen Sandalen. Ihr blondes Haar wurde von einem silbernen Diadem gehalten.

»Du scheinst dir sehr viel Mühe gemacht zu haben«, sagte sie. Khadgar konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.

»Mit genügend Magie und Sehnsucht ist nichts unmöglich«, sagte der Mann und drehte seine Hand, sodass die Innenfläche nach oben zeigte. Darüber schwebte eine blühende Orchidee.

Aegwynn nahm die Blume, roch kurz daran und legte sie dann auf den Tisch. »Nielas …«, begann sie.

»Lass uns zuerst frühstücken«, erwiderte der Magier Nielas. »Sieh dir an, was ein Hofzauberer bereits am frühen Morgen besorgen kann. Diese Beeren wurden vor weniger als einer Stunde in den königlichen Gärten gepflückt …«