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»Ich bin froh, dass du kein General bist«, sagte Khadgar.

»Häuptling«, korrigierte ihn Garona. »Als ob ich dazu je Gelegenheit bekäme.«

»Da ist eine andere Sache …«, sagte Khadgar und unterbrach sich.

Garona neigte ihren massigen grünen Schädel. »Du klingst wie jemand, der um einen Gefallen bitten will.«

»Ich habe dich nie nach Truppenstärken und Standorten gefragt …«

»Du meinst, du hast mich nie zu offensichtlich auszuhorchen versucht.«

»Aber«, fuhr Khadgar ungerührt fort, »sie waren überrascht über die enorme Zahl von Ork-Kriegern, die ihnen gegenüberstanden. Sie schlugen sie zurück, hätten aber nicht gedacht, dass sich in den Sümpfen des Schwarzen Morasts so viele Gegner verbergen können. Sogar jetzt machen sie sich noch Sorgen um die Truppen, die sich im Marschland verstecken.«

»Ich weiß nichts über die Truppenverteilung«, sagte Garona. »Schließlich war ich die ganze Zeit hier, um dich auszuspionieren, richtig?«

»Das stimmt«, sagte Khadgar. »Aber du hast auch von deinem Heimatland gesprochen. Wie seid ihr von dort zu uns gekommen. War es ein Zauberspruch?«

Garona blieb einen Moment ruhig sitzen, als müsse sie eine Entscheidung fällen. Khadgar erwartete einen abweisenden Kommentar oder einen Themawechsel oder eine Gegenfrage. Stattdessen sagte sie: »Wir nennen unsere Welt Draenor. Es ist eine grausame Welt voller Einöden, Wüsten und verdorrter Vegetation. Beinahe unbewohnbar und ewig stürmisch …«

»Und sie hat einen roten Himmel«, fügte Khadgar hinzu.

Garona sah den jungen Magier an. »Hast du mit anderen Orks gesprochen, vielleicht mit Gefangenen? Ich wusste nicht, dass Menschen Orks gefangen nehmen.«

»Nein, es war eine Vision«, sagte Khadgar. Die Erinnerung schien ein halbes Leben alt zu sein. »So ähnlich wie jene, die du sahst, als wir uns zum ersten Mal trafen. Ich hatte nie zuvor Orks gesehen. Ich kann mich erinnern, dass es unglaublich viele waren.«

Garona schnaufte wieder wie eine Bulldogge. »Deine Visionen haben vermutlich mehr gezeigt, als du verrätst, auf jeden Fall haben sie dir ein gutes Bild verschafft. Orks bekommen sehr viele Junge, aber die meisten sterben, bevor sie das Kriegeralter erreichen. Es war ein hartes Leben, und nur die Starken, Mächtigen oder Klugen überlebten. Ich gehörte zur dritten Gruppe, aber ich war beinahe eine Ausgestoßene und lebte am Rand des Clans. Das waren übrigens die Stormreaver, zumindest zu dem Zeitpunkt, als der Befehl gegeben wurde.«

»Welcher Befehl?«

»Man befahl jedem Krieger und jedem gesunden Ork, jedem Arbeiter und Schwertträger seine Waffen, Werkzeuge und Wertsachen zu packen und zur Hellfire-Insel zu ziehen. Dort hatten Gul’dan und andere mächtige Magier ein Portal erschaffen, das die Grenze zwischen den Welten öffnete.«

Garona leckte über einen Fangzahn und erinnerte sich. »Das Portal bestand aus Steinen, die einen Riss im Universum einrahmten. In diesem Riss sah man die Farben der Dunkelheit, die wie Öl auf der Oberfläche eines vergifteten Sees schwammen. Ich hatte den Eindruck, dass mächtigere Hände die Haut zwischen den Welten eingerissen hatten, und dass unsere Magier den Riss einfach nur benutzten. Selbst die härtesten Krieger fürchteten sich vor dem Bereich zwischen den Steinen, aber die Häuptlinge und Unterhäuptlinge hielten mitreißende Reden über das, was uns auf der anderen Seite erwarten würde. Eine reiche Welt. Eine großzügige Welt. Eine Welt voller verweichlichter Wesen, die sich leicht beherrschen lassen würden. All das versprachen sie.

Einige wehrten sich trotzdem. Ein paar von ihnen wurden getötet, die andere zwang man mit Äxten im Rücken zurück in die Reihen der Krieger. Ich wurde gemeinsam mit einer großen Gruppe von Arbeitern durch das Portal gestoßen.«

Garona schwieg einen Moment. »Man nennt es das Wirbelnde Dunkel, und es war sofort vorbei und dauerte doch ewig. Ich fiel unendlich lange, und als ich in das seltsame Licht trat, lag eine verrückte neue Welt vor mir.«

Khadgar sagte: »Nach dem versprochenen Paradies dürfte der Schwarze Morast eine herbe Enttäuschung gewesen sein.«

Garona schüttelte den Kopf. »Es war schockierend. Ich erinnere mich daran, wie ich vor dem feindlichen blauen Himmel zurückwich. Und das Land war voller Pflanzen, so weit das Auge reichte. Einige kamen damit nicht zurecht und wurden verrückt. Viele traten den Burning Blades bei, den Chaos-Orks, die sich unter einem flammend roten Banner sammeln.«

Garona strich sich über das breite Kinn. »Ich hatte Angst, aber ich überlebte. Und ich entdeckte, dass meine Herkunft als Halb-Ork mir einen instinktiven Zugang zu Menschen ermöglicht. Ich gehörte zu einer Bande, die Medivh angriff. Er brachte alle um, ließ nur mich am Leben und schickte mich mit einer Botschaft zu Zauberer Gul’dan. Nach einer Weile schickte mich Gul’dan als seinen Spion zurück, aber ich bemerkte, dass es mir … schwer fiel, den alten Mann zu hintergehen.«

»Du weißt nicht, wem deine Loyalität gehört«, kommentierte Khadgar.

»Aber um deine Frage zu beantworten«, sagte Garona. »Nein, ich weiß nicht, wie viele Clans durch das Dunkle Portal auf Draenor getreten sind. Und ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis sie sich erholt haben. Und ich weiß nicht, woher das Portal wirklich stammt. Aber du kannst es herausfinden.«

Khadgar blinzelte. »Ich?«

»Deine Visionen«, sagte Garona. »Du scheinst in der Lage zu sein, die Geister selbst aus fernster Vergangenheit zu beschwören. Als ich dich traf, hattest du eine Vision von Medivhs Mutter. War das Stormwind, wo wir uns aufhielten?«

»Ja«, sagte Khadgar. »Und deshalb denke ich immer noch, dass der Dämon in der Bibliothek real war. Es gab keinen Hintergrund.«

Garona ignorierte seine Bemerkung. »Aber du kannst diese Visionen herbeirufen. Du kannst den Moment herbeirufen, in dem der Riss entstand. Du kannst herausfinden, wer die Orks nach Azeroth gebracht hat.«

»Ja«, sagte Khadgar. »Und ich wette, es handelt sich um den gleichen Magier, der die Dämonen losgelassen hat. Es würde Sinn ergeben, wenn die beiden zusammenhingen.« Er sah Garona an. »An diese unbeantwortete Frage hätte ich jetzt gar nicht gedacht.«

»Ich kümmere mich gern um die Fragen«, sagte Garona mit hintergründigem Lächeln, »wenn du für die Antworten sorgst.«

Wieder der leere Speisesaal. Der pflichtbewusste Moroes hatte die alten Beschwörungssymbole weggewischt, und Khadgar musste mit zerstoßenem Rosenquarz und Amethyst einen neuen Kreis formen. Garona steckte brennende Fackeln in die Wandhalter und stellte sich dann zu ihm in das Rund.

»Ich muss dich warnen«, sagte er zu der Halb-Ork. »Das funktioniert vielleicht nicht.«

»Du schaffst es schon«, antwortete Garona. »Ich habe gesehen, dass du es kannst.«

»Ich werde irgendwas sehen«, sagte Khadgar. »Ich weiß nur nicht, was.«

Er vollführte die notwendigen Handbewegungen und sprach die dazugehörigen Worte. Da Garona zusah, wollte er keinen Fehler machen. Schließlich entließ er die gesammelte mystische Energie aus dem Käfig seines Geistes und rief: »Zeig mir den Ursprung des Risses zwischen Draenor und Azeroth!«

Der Druck, der auf ihm lastete, das Gewicht der Luft, veränderte sich. Es war eine warme Nacht, aber der nächtliche Himmel vor dem Fenster (denn es gab jetzt ein Fenster in diesem Zimmer) war tiefrot – die Farbe von altem getrocknetem Blut. Nur wenige Sterne waren zu sehen.

Es war das Quartier von jemandem, vermutlich von einem Ork-Anführer. Einige Felle lagen auf dem Boden, und da war ein breites Podest, das als Bett diente. Eine offene Feuerstelle befand sich in der Mitte des Raums. Waffen hingen an Steinwänden, und es gab einige Schränke. Einer war geöffnet. Darin standen konservierte Dinge, von denen einiges Menschen oder menschenähnlichen Wesen gehört haben mochte.

Die Gestalt auf dem Bett warf sich von einer Seite auf die andere und setzte sich plötzlich auf, so als sei sie aus einem Alptraum erwacht. Sie starrte in die Dunkelheit, und ihr brutales, narbiges Gesicht war klar zu sehen. Selbst für Ork-Verhältnisse war dieses Wesen hässlich.