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Seine Stimme war gemäßigt, voller Verständnis, aber auch fest. Die Stimme eines weisen Mentors. Khadgar trat einen Schritt vor, aber Garona griff nach seinem Arm.

»Schatten«, zischte sie.

Khadgar blinzelte und sah den Magier noch einmal an. Sein Gesicht zeigte jetzt Ungeduld und Ablehnung. Seine Schultern waren immer noch breit, und er hielt sich trotz des Drucks, der auf ihm lastete, aufrecht. Er trug eine Robe, die Khadgar schon häufiger an ihm bemerkt hatte.

Und hinter ihm befanden sich zwei Schatten. Einer, der direkt von der Fackel wegzeigte und ein anderer, ebenso dunkler, der in einem seltsamen Winkel fiel.

Khadgar zögerte. Medivhs Ärger war jetzt deutlicher. Ein Sturm braute sich auf seinen Zügen zusammen. »Was ist, mein Vertrauen?«

»Wir sollten unsere Unordnung wegräumen«, sagte Khadgar und versuchte, unbekümmert zu klingen. »Moroes soll nicht unnötig Arbeit mit uns haben. Wir kommen dann nach.«

»Das gehört nicht zu den Pflichten eines Schülers«, sagte Medivh. »Komm jetzt sofort her.«

Niemand bewegte sich. Garona raunte: »Wieso kommt er nicht ins Zimmer?«

Gute Frage, dachte Khadgar. Laut sagte er: »Eine Frage, Meister?«

»Was denn noch?«, knurrte der Meisterzauberer.

»Warum habt Ihr Gul’dan in seinen Träumen besucht?« Khadgar fühlte, wie seine Kehle erneut eng wurde. »Wieso habt Ihr den Orks gezeigt, wie sie in unsere Welt gelangen können?«

Medivhs Blick wandte sich an Garona. »Ich wusste nicht, dass Gul’dan dir von mir erzählt hat. Ich habe ihn nicht für so dumm oder geschwätzig gehalten.«

Garona machte einen Schritt zurück, doch dieses Mal hielt Khadgar sie fest. »Ich habe bis eben nichts davon gewusst«, sagte sie.

Medivh grunzte. »Es spielt keine Rolle. Kommt jetzt her. Beide.«

»Wieso habt Ihr den Orks den Weg hierher gezeigt?«, wiederholte Khadgar.

»Du hast mir nicht zu widersprechen!«, zischte der Magier.

»Wieso habt Ihr die Orks nach Azeroth gebracht?«, fragte Khadgar, er bettelte jetzt beinahe.

»Das geht dich nichts an, Kind. Du kommst her, und zwar jetzt!« Das Gesicht des Magus war rot und verzerrt.

»Bei allem Respekt, Herr«, sagte Khadgar. Seine Worte waren wie Dolchstöße. »Das werde ich nicht tun.«

Medivh brüllte vor Wut. »Kind, ich werde dich …« Noch während er sprach, betrat er das Zimmer.

Funken sprühten empor und hüllten den älteren Magier ein. Der Magus taumelte einen Schritt zurück, hob die Hände und murmelte einen Fluch.

»Was …?«, begann Garona.

»Ein Schutz, mit dem beschworene Dämonen unter Kontrolle gehalten werden. Der Magus kann ihn nicht durchdringen«, erklärte Khadgar.

»Aber wenn er nur Dämonen aufhält, warum dann auch …? Außer …« Garona stockte erneut und sah Khadgar an. »Nein«, sagte sie. »Kann die Beschwörung ihn zurückhalten?«

Khadgar dachte an das Stroh, dass man im Turm von Stormwind dort am Boden über die Schutzzauber gelegt hatte und an die Energie, die im Türrahmen aufgeflammt war. Er schüttelte den Kopf.

Dann brüllte er den Magus an: »Hast du das Gleiche mit Huglar und Hugarin gemacht? Und mit Guzbah? Und mit den anderen? Hatten sie das Geheimnis entdeckt?«

»Sie waren noch weiter von der Wahrheit weg als du«, sagte der Magier durch zusammengebissene Zähne. »Aber ich musste vorsichtig sein. Ich habe dir deine Neugier wegen deiner Jugend verziehen.« Er knurrte, während die Schutzzauber ihn weiterhin zurückhielten. »Ich dachte, dass Loyalität noch etwas in dieser Welt zählen würde.«

Die Schutzzauber flammten auf, als Medivh sich in sie bewegte, und Khadgar sah, wie sie sich unter seinen ausgestreckten Händen dehnten. Die Funken schienen Medivhs Bart in Brand zu setzen, und Rauch stieg wie Hörner aus seiner Stirn auf.

Und dann setzte Khadgars Herz einen Schlag aus, als er begriff, dass er ein zweites Bild sah, das sich über den Anblick seines Meisters schob. Das Bild, das zu dem zweiten Schatten gehörte.

»Er dringt hindurch!«, sagte Garona.

Khadgar biss die Zähne zusammen. »Früher oder später. Er setzt gewaltige Energien frei, um den Kreis zu durchbrechen.«

»Kann er das?«, fragte die Halb-Ork.

»Er ist der Wächter von Tirisfal«, sagte Khadgar. »Er kann machen, was er will. Es kostet ihn nur Zeit.«

»Können wir hinaus?«, fragte Garona. In ihrer Stimme schwang Panik.

»Der einzige Weg führt an ihm vorbei.«

Garona sah sich um. »Dann sprenge eine Wand. Erschaffe eine zweite Tür.«

Khadgar sah die Steinwand des Turms abschätzend an und schüttelte dann den Kopf.

»Dann tu irgendwas

»Ich versuche es«, sagte Khadgar. Vor ihnen wurde Medivh größer. Blitze umspielten seine aus dem Rauch aufragende Gestalt.

Er wurde ruhig und sammelte die magischen Energien in seinem Geist. Dann machte er die gleiche Handbewegung wie schon einige Minuten zuvor und sprach die Worte, die Sterblichen verborgen blieben, und als er die Energien zu einer einzelnen Lichtkugel geformt hatte, ließ er sie los.

»Bring mir eine Vision«, verlangte Khadgar, »von einem, der die Bestie bereits bekämpft hat.«

Es gab einen kurzen desorientierten Moment, und Khadgar dachte, der Zauberspruch sei fehlgeschlagen und habe ihn ins Observatorium an der Spitze des Turms gebracht.

Doch dann erkannte er, dass es Nacht war. Eine wütende Frauenstimme zerriss die Stille.

»Wie kannst du es wagen, deine eigene Mutter zu schlagen!«, schrie Aegwynn. Ihr Gesicht war wutverzerrt.

Aegwynn stand auf der einen Seite des Observatoriums, Medivh auf der anderen. Es war der Medivh, den er kannte – groß, stolz und sichtlich besorgt. Weder Aegwynn noch er kümmerten sich um Khadgar und Garona. Plötzlich bemerkte Khadgar, dass der gegenwärtige Medivh ebenfalls anwesend war und funkensprühend an der Wand stand. Die beiden Gestalten aus der Vergangenheit bemerkten auch ihn nicht, aber der gegenwärtige Medivh beobachtete die Szene, die sich vor ihm abspielte.

»Mutter, ich dachte, du seiest hysterisch«, sagte der vergangene Medivh.

»Und ein mystischer Blitz sollte das ändern?«, zischte die ehemalige Wächterin.

Khadgar bemerkte, dass sie jetzt viel älter war. Ihr vormals blondes Haar war weiß, und ihre Augen und ihr Mund waren von Falten umgeben. Trotzdem wirkte sie noch ebenso beeindruckend wie früher.

»Beantworte meine Frage«, sagte sie.

»Mutter, du betrachtest die Dinge von der falschen Seite«, sagte der vergangene Medivh.

»Antworte«, verlangte Aegwynn streng. »Wieso hast du die Orks nach Azeroth gebracht?«

»Kein Wunder, dass er verärgert war, als du ihn gefragt hast«, sagte Garona. Khadgar legte den Finger an seine Lippen und beobachtete den gegenwärtigen Medivh. Er stemmte sich nicht mehr gegen die Schutzzauber, und sein Gesicht hatte jede Regung verloren.

»Mutter?«, fragte der vergangene Medivh. Seine Miene wirkte verständnislos.

»Du hast keine Antwort, nicht wahr?«, sagte Aegwynn. »Du spielst nur ein kleines Spiel. Das ist eine Herausforderung, mit der sich Llane und Lothar amüsieren sollen, aber die Macht der Tirisfalen ist kein Spiel, Kind. Mehr und mehr Orks kommen zu uns, und schon jetzt werden Karawanen in der Nähe des Schwarzen Morasts überfallen. Jeder Anfänger könnte sie bis zu deinem Portal zurückverfolgen, aber nur deine Mutter kann die Macht schmecken, die es erschuf. Noch einmal meine Frage, Kind: Welche Rechtfertigung hast du dafür?«

Khadgar duckte sich unter den peitschenden Worten und erwartete, dass der jüngere Medivh aus dem Zimmer fliehen würde. Doch der überraschte ihn, als er laut zu lachen begann.

»Amüsiert dich die Ablehnung deiner Mutter, Kind?«, fragte Aegwynn streng.

»Nein«, sagte Medivh mit einem raubtierhaften Grinsen. »Die Dummheit meiner Mutter amüsiert mich.«

Khadgar blickte zur anderen Seite des Zimmers und sah, wie der gegenwärtige Medivh unter diesen Worten zusammenzuckte.

»Wie kannst du es wagen?«, schrie Aegwynn und hob die Hand. Eine weißleuchtende Kugel schoss aus ihrer Hand und flog auf den vergangenen Medivh zu. Der Magus hob eine Hand und lenkte sie mit Leichtigkeit ab.