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»Ich bin auch noch da«, sagte Khadgar und versuchte nicht verletzt zu klingen.

Garona verzog das Gesicht. »Ja, da bist auch noch du. Du hast Recht, du bist ein Mensch, und ich vertraue dir. Aber ich dachte wirklich, dass Medivh etwas ausrichten würde. Er war mächtig, wichtig und wollte verhandeln. Ohne Vorurteile. Aber ich habe mich selbst betrogen. Er ist nur ein weiterer Wahnsinniger. Vielleicht ist es mein Schicksal, für Wahnsinnige zu arbeiten. Wie nannte es Medivh? Das unverzeihlich starre Universum?«

»Deine Rolle«, sagte Khadgar, »wählt niemand außer dir selbst. Das wollte auch Medivh immer.«

»Glaubst du, er war bei Verstand, als er das sagte?«, fragte die Halb-Ork.

Khadgar hob die Schultern. »War er je bei Verstand? Ich glaube schon. Und ich spüre, dass du das auch glauben möchtest.«

»Jau«, murmelte Garona. »Alles war so einfach, als ich für Gul’dan arbeitete. Ich war seine Augen und Ohren. Jetzt weiß ich nicht mehr, wer Recht hat und wer Unrecht. Zu welchem Volk gehöre ich? Zu keinem? Wenigstens musst du dir keine Gedanken darüber machen, wem gegenüber du dich loyal verhältst.«

Khadgar sagte nichts, blickte nur hinaus in die Abenddämmerung. Irgendwo hinter dem Horizont musste die Ork-Armee auf etwas gestoßen sein. Er sah das Leuchten einer falschen Dämmerung in dieser Richtung und die Lichtblitze, die von tiefhängenden Wolken reflektiert wurden. Die Echos der Kriegstrommeln klangen wie ferner Donner.

Zwei weitere Tage vergingen. Sie schritten über verlassene Orte und Marktplätze. Die meisten Gebäude waren noch intakt, aber leerstehend. Es gab Hinweise darauf, dass sie bis vor kurzem bewohnt gewesen waren, aber jetzt lebten dort nur noch Geister und Erinnerungen.

Khadgar brach in ein Geschäft ein. Die Regale waren zwar leer, aber im Herd gab es noch genügend Feuerholz, und im Keller lagerten Kartoffeln und Zwiebeln. Nach den eisernen Rationen der Orks war alles andere eine Verbesserung.

Khadgar machte ein Feuer, während Garona Wasser aus einem nahe gelegenen Brunnen holte. Khadgar dachte über seine nächsten Schritte nach. Medivh war eine Gefahr, vielleicht sogar eine größere als die Orks. Konnte man noch mit ihm reden, ihn davon überzeugen, das Portal zu schließen, oder war es dafür bereits zu spät?

Selbst die Erkenntnis, dass es ein Portal gab, war schon eine gute Neuigkeit. Denn wenn die Menschen es fanden, konnten sie es schließen und den Orks die Verstärkung aus Draenor abschneiden. Dann wären sie auf dieser Welt gestrandet.

Lärm von draußen riss den Lehrling aus seinen Gedanken. Er hörte Metall aufeinanderschlagen und menschliche Stimmen brüllen.

»Garona …«, murmelte Khadgar und eilte zur Tür.

Er fand sie neben dem Brunnen. Eine Patrouille von zehn Infanteristen, die ihre Schwerter gezogen hatten und die blaue Uniform von Azeroth trugen, war bei ihr. Einer der Soldaten hielt seinen blutenden Arm, aber zwei andere hatten Garona gepackt. Ihr Dolch mit der langen Klinge lag am Boden. Als Khadgar um die Ecke bog, schlug der Sergeant ihr mit dem Eisenhandschuh ins Gesicht.

»Wo sind die anderen?«, knurrte er. Aus dem Mund der Halb-Ork rann dunkles Blut.

»Lass sie in Ruhe!«, rief Khadgar. Ohne nachzudenken sammelte er die Energien in seinem Geist und wob sie in einen kurzen Zauberspruch.

Ein helles Licht entstand um Garonas Kopf, eine winzige Sonne, die die Menschen überraschte. Die beiden Männer, die Garona festgehalten hatten, ließen sie los, und sie sackte zu Boden. Der Sergeant hob die Hand, um seine Augen zu schützen, und der Rest der Patrouille war so überrumpelt, dass Khadgar ungehindert zu Garona gelangen konnte.

»Wurde überrascht«, murmelte Garona durch ihre aufgeplatzte Lippe. »Bin gleich wieder bereit.«

»Bleib unten«, sagte Khadgar sanft. Den blinzelnden Sergeant bellte er an: »Kommandierst du diese Bande?«

Die meisten Männer hatten sich erholt und die Schwerter gezogen. Die beiden neben Garona waren ein Stück zurückgewichen, beobachteten ausschließlich sie, nicht Khadgar.

Der Sergeant sah ihn an. »Was fällt dir ein, dich in die Belange der Armee einzumischen? Schafft ihn aus dem Weg, Männer!«

»Halt!«, sagte Khadgar scharf, und die Soldaten, die seinen Zauberspruch erlebt hatten, machten nur einen einzigen Schritt nach vorne. »Ich bin Khadgar, Schüler von Medivh, dem Magus, dem Freund und Verbündeten eures Königs Llane. Ich muss mit ihm sprechen. Bringt uns sofort nach Stormwind.«

Der Sergeant grinste nur. »Natürlich, und ich bin Lord Lothar. Medivh nimmt keine Schüler auf. Sogar ich weiß das. Und wer ist deine kleine Freundin hier?«

»Sie ist …« Khadgar zögerte einen Moment. »Sie ist meine Gefangene. Ich bringe sie zum Verhör nach Stormwind.«

»Wie bitte?«, grunzte der Sergeant. »Wir haben deine Gefangene hier draußen bewaffnet angetroffen, und du warst nirgendwo zu sehen. Deine Gefangene ist wohl entkommen. Schade, dass Orks eher sterben als dass sie sich ergeben würden.«

»Fass sie nicht an!«, rief Khadgar. Er hob seine Hand. Flammen tanzten über seine Fingerspitzen.

»Du spielst mit deinem Leben«, knurrte der Sergeant. In einiger Entfernung hörte Khadgar das Geräusch schwerer Hufe. Verstärkung?

»Ihr macht einen großen Fehler, Herr«, sagte Khadgar höflicher.

»Halte dich da raus, Junge«, befahl der Sergeant. »Schnappt euch die Ork. Bringt sie um, wenn sie sich wehrt.«

Die Soldaten taten einen weiteren Schritt nach vorne. Die beiden neben Garona bückten sich und griffen nach ihr. Sie versuchte auszuweichen, und einer trat mit seinem Stiefel nach ihr.

Khadgar schluckte die Tränen hinunter und schickte dem Sergeant seinen Zauber entgegen. Die Flammenkugel schlug gegen sein Knie. Der Sergeant schrie auf und sackte zu Boden.

»Hört auf damit!«, zischte Khadgar.

»Bringt sie um!«, schrie der Sergeant. Seine Augen waren vor Schmerz weit aufgerissen. »Bringt sie beide um!«

»Halt!«, rief eine dunkle Stimme, die von einem Helm gedämpft wurde. Die Reiter waren auf dem Marktplatz eingetroffen. Es waren rund zwanzig, und Khadgars Hoffnungen schwanden. Selbst Garona würde mit ihnen nicht fertig werden. Ihr Anführer war in voller Rüstung, sein Gesicht hinter dem Helm nicht zu erkennen.

Der junge Zauberlehrling trat vor. »Herr«, sagte er. »Haltet diese Männer zurück. Ich bin ein Schüler von Magus Medivh.«

»Ich weiß, wer du bist«, sagte der Kommandant. »Haltet ein«, befahl er. »Bewacht die Ork, aber lasst sie in Ruhe.«

Khadgar schluckte und fuhr fort: »Ich habe eine Gefangene und wichtige Informationen für König Llane. Ich muss sofort Lord Lothar sprechen.«

Der Kommandant klappte sein Visier hoch. »Das sollst du, mein Junge«, sagte Lord Lothar. »Das sollst du.«

15

Unter Karazhan

Die Unterhaltung auf Burg Stormwind war nicht gut verlaufen, und nun kreisten sie auf einem Greifen um Medivhs Turm. Unter ihnen wirkte Karazhan in der Abenddämmerung leer und gewaltig. Kein Licht war in den Fenstern zu sehen, und auch das Observatorium in der Spitze des Turms war dunkel. Unter einem mondlosen Himmel wirkten selbst die hellen Steine des Turms schwarz und abweisend.

Am Abend zuvor war es in den Privatgemächern des Königs zu einer hitzigen Diskussion gekommen. Khadgar und Garona waren beteiligt, obwohl die Halb-Ork in Gegenwart Seiner Majestät Lothar ihr Messer abgeben musste. Der Champion des Königs war ebenfalls anwesend und außerdem eine Gruppe von Beratern und Höflingen, die sich um König Llane scharte. Khadgar witterte keinen einzigen Zauberer in der Versammlung und schloss daraus, dass diejenigen, die Medivhs Wüten überlebt hatten, entweder auf dem Schlachtfeld kämpften oder in Sicherheit gebracht worden waren.

Der König war nicht mehr der junge Mann, den er in seinen Visionen gesehen hatte. Er war erwachsen geworden. Seine breiten Schultern und scharf geschnittenen Gesichtszüge beugten sich nur langsam den Veränderungen, die das mittlere Lebensalter mit sich brachte. Von allen Anwesenden war er am festlichsten gekleidet und seine blauen Gewänder ließen ihn aus der Gruppe herausragen. Neben seinem Stuhl lag ein großer Helm mit weißen Flügeln, als erwarte er, jeden Moment auf das Schlachtfeld gerufen zu werden.