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Lothar grunzte zustimmend und begann ebenfalls mit den Händen über die Mauer zu streichen.

Khadgar betrachtete die scheinbar fugenlose Wand. Er war fünf- bis sechsmal pro Tag daran vorbeigegangen. Auf der anderen Seite hätte es nichts außer Stein und Mörtel geben dürfen. Und dennoch …

»Geht zur Seite«, sagte der junge Magier. »Lasst mich etwas ausprobieren.«

Der Champion und die Halb-Ork traten einen Schritt zurück, und Khadgar sammelte die Energien für einen Spruch. Er hatte ihn bereits bei verschlossenen Türen und Büchern angewendet, aber dies war das erste Mal, das er ihn bei einer Tür verwendete, die er nicht einmal wahrnehmen konnte. Er versuchte sich die Tür vorzustellen, wie groß sie sein musste, um Moroes’ Körper so zur Seite zu drücken, wie es geschehen war – wo ihre Scharniere lagen, wo der Rahmen und wo man die Schlösser angebracht hatte, um sie zu sichern.

Er stellte sich die Tür vor und warf dem unsichtbaren Rahmen ein wenig Magie entgegen, um das versteckte Schloss zu öffnen. Überrascht sah er, wie sich die Wand bewegte und ein senkrechter Spalt entstand. Er war kaum zu sehen, reichte aber, um die Tür erahnen zu lassen, die es einen Moment zuvor noch nicht gegeben hatte.

»Öffnet sie mit euren Schwertern«, knurrte Lothar, und die Soldaten machten sich an die Arbeit. Die steinerne Tür widerstand ihrem Ansturm einige Augenblicke, bis ein Mechanismus darin hörbar zerbrach und die Tür nach außen schwang. Sie streifte Moroes’ Leichnam und gab den Blick auf eine Treppe frei, die in die Tiefe führte.

»Er hat sich also nicht in Luft aufgelöst«, sagte Garona grimmig. »Er ist hier geblieben, nur an einem Ort, den niemand außer ihm kennt.«

Khadgar betrachtete den toten Moroes. »Fast niemand. Ich frage mich nur, was er sonst noch vor uns versteckt hat.«

Sie stiegen die Treppe hinunter, und Khadgar begann sich zunehmend unwohler zu fühlen. Die oberen Stockwerke wirkten einfach nur verlassen, aber hier unten herrschte eine Aura des Bösen. Die rau behauenen Mauern und der Boden waren feucht, und im Licht der Fackeln schien alles zu zucken wie lebendiges Fleisch.

Khadgar brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass die Stufen zwar noch immer abwärts führten, aber die Richtung gewechselt hatten und jetzt auf der anderen Seite des Turms verliefen. Sie schienen ein Spiegelbild der oberen Treppe zu sein.

Tatsächlich setzte sich dieser Eindruck fort. Wo sich im Turm ein leerer Versammlungsraum befunden hatte, gab es hier einen Kerker mit unbenutzten Eisenketten. Der Raum, der oben als Speisesaal diente, war hier voller mystischer Kreise und Schutt. Die Luft schmeckte schwer und war drückend, genau wie im Turm von Stormwind, als Huglar und Hugarin getötet wurden. Hier war der Dämon beschworen worden, der sie ermordet hatte.

Als sie das Stockwerk erreichten, das der Bibliothek entsprach, fanden sie zwei mit Eisenriegeln verschlossene Türen. Die Stufen führten weiter nach unten, aber die Gruppe blieb vor der Tür stehen und betrachtete die rätselhaften Symbole, die tief in das Holz geritzt worden und mit bräunlichem Blut versehen waren. Es sah aus, als würde das Holz selbst bluten. Zwei große Eisenringe hingen an den Türen.

»Das ist dann also die Bibliothek«, sagte Khadgar.

Lothar nickte. Ihm waren die Ähnlichkeiten zwischen dem Turm und diesem Bereich ebenfalls aufgefallen. »Mal sehen, was sich im Inneren befindet, wenn alle Bücher oben sind.«

Garona sagte: »Sein Arbeitszimmer ist in der Spitze des Turms mit dem Observatorium. Wenn er sich wirklich hier irgendwo auffällt, müsste das also eher ganz da unten sein. Wir sollten weitergehen.«

Aber ihre Worte kamen zu spät. Khadgar berührte die Eisenringe, und Funken sprühten von seiner Handfläche zur Tür. Es war ein Hinweis auf eine magische Falle. Khadgar fluchte, als die Türflügel aufsprangen und den Blick auf die dunkel daliegende Bibliothek freigaben …

… die sich als Zwinger entpuppte. Sargeras hatte kein Bedürfnis nach Wissen, also hatte er das Zimmer seinen Haustieren überlassen. Die Kreaturen lebten in selbstgewählter Finsternis. Ätzender Rauch quoll in den Gang.

Es gab Augen im Inneren. Augen und brennende Tatzen und Körper, die aus Schatten und Feuer bestanden. Sie schlichen heran und knurrten.

Khadgar zeichnete Symbole in die Luft, bündelte die Energie in seinem Kopf und versuchte die Tür zu bewegen. Soldaten drückten gegen die großen Eisenringe, aber weder Magie noch Muskelkraft vermochten sie zu bewegen.

Die Bestien lachten fauchend und duckten sich zum Sprung.

Khadgar hob die Hände, um einen weiteren Spruch zu versuchen, aber Lothar schlug sie zur Seite.

»Das soll uns nur Zeit und Energie kosten«, sagte er. »Wir sollen aufgehalten werden. Geh nach unten und suche Medivh.«

»Aber sie sind …«, begann Khadgar, doch dann sprang die erste Dämonenbestie vor.

Lothar machte zwei Schritte und traf die im Sprung befindliche Kreatur mit seinem Schwert. Er zog die Klinge nach oben, und die Runen, die tief in das Metall graviert waren, begannen gelb zu leuchten. Für eine Sekunde sah Khadgar Angst in den Augen der Dämonenbestie.

Und dann bohrte sich die Klinge auch schon tief in das Fleisch des Ungetüms. Lothars Klinge trat im Nacken der Kreatur aus und durchtrennte den vorderen Teil des Rumpfs. Einen Moment lang heulte die Bestie schmerzerfüllt, dann traf die Klinge den Kopf. Die qualmenden Überreste der Dämonenbestie fielen vor Lothars Füße. Sie weinten Feuer und bluteten Schatten.

»Geht!«, donnerte der Champion. »Wir kümmern uns um den Rest und kommen dann nach.«

Garona packte Khadgar und zog ihn die Treppe hinunter. Hinter ihnen zogen die Soldaten ihre Schwerter, und die Runen tanzten feurig, während sie von den Schatten tranken. Der junge Magier und die Halb-Ork gingen die gewundenen Stufen nach unten, während sie hinter sich die Schreie der Sterbenden – aus menschlichen und dämonischen Kehlen – hörten.

Sie stiegen tiefer in die Dunkelheit hinab. Garona hielt den Dolch in der einen, die Fackel in der anderen Hand. Khadgar bemerkte, dass die Wände leicht phosphoreszierend leuchteten. Es war eine rötliche Farbe, wie die einiger Nachtpilze tief in den Wäldern. Es wurde wärmer, und Schweiß lief über seine Stirn.

Als sie zu einem der Speisesäle kamen, hob sich Khadgars Magen plötzlich, und mit einem Mal waren sie an einem anderen Ort. Die Bewegung war plötzlich, wie die Böe eines Sommersturms.

Sie befanden sich in der Spitze eines der großen Türme von Stormwind. Um sie herum stand die Stadt in Flammen. Rauch stieg von allen Seiten auf und bildete eine schwarze Decke, hinter der die Sonne verschwand. Eine ähnliche Schwärze umgab die Stadtmauern, doch sie stammte von Ork-Truppen. Von ihrem Aussichtspunkt aus konnten Garona und Khadgar sehen, wie sich die Armeen wie Käfer auf dem Leichnam ausbreiteten, der einst Stormwinds Felder gewesen war. Jetzt gab es dort nur noch Belagerungstürme und bewaffnete Soldaten, deren farbige Banner einen schaurigen Regenbogen bildeten.

Die Wälder waren ebenfalls verschwunden, hatten sich in Katapulte verwandelt, die Feuer auf die Stadt regnen ließen. Die Unterstadt brannte bereits, und Khadgar beobachtete, wie eine Sektion der Außenmauer zusammenbrach und kleine, grün und blau gekleidete Puppen sich gegenseitig auf dem Geröll bekämpften.

»Wie sind wir …?«, begann Garona.

»Eine Vision«, sagte Khadgar knapp, fragte sich jedoch, ob das ein zufälliger Effekt des Turms war oder eine weitere gezielte Verzögerungstaktik des Magus.

»Ich habe den König gewarnt. Ich habe ihn gewarnt, aber er wollte ja nicht auf mich hören«, murmelte sie. Zu Khadgar sagte sie: »Dies ist eine Vision aus der Zukunft, nicht wahr? Wie werden wir sie wieder los?«

Der junge Magier schüttelte den Kopf. »Wir werden sie nicht los, zumindest jetzt nicht. Früher kamen und gingen sie. Ein starker Schock reicht meistens aus, um sie zu beenden.«

En flammendes Trümmerstück, das Geschoss eines Katapults, flog am Turm vorbei. Khadgar spürte die Hitze, bevor es zu Boden fiel.