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»Und du wolltest weit von jedem Zauber und jeder Nachricht entfernt sein, die dich hätte zurückrufen können, weil du den Brief geöffnet hast. Und du hast ihn wieder gut genug zusammengesetzt, um ein flüchtiges Auge zu täuschen. Du warst dir sicher, ich würde das Siegel sofort brechen und nicht bemerken, dass du daran herumgepfuscht hast.« Medivh erlaubte sich ein leichtes Lächeln, aber dann zog er sein Gesicht zu einem festen, konzentrierten Knoten zusammen. »Wie habe ich das gemacht?«, fragte er.

Khadgar blinzelte. »Was gemacht, Herr?«

»Wie habe ich gewusst, was in dem Brief stand?«, fragte Medivh mit herabgezogenen Mundwinkeln. »Der Brief, den ich gerade verbrannt habe, erklärt, dass ich von dem Spürsinn und der Intelligenz des jungen Khadgar zutiefst beeindruckt sein werde. Beeindrucke mich.«

Khadgar blickte Medivh an, und das joviale Lächeln, das nur wenige Sekunden zuvor seinen Mund umspielte, hatte sich vollkommen aufgelöst. Das freundliche Gesicht war jetzt dem Antlitz einer primitiven Stein-Gottheit gewichen, streng und nachtragend. Die Augen, in denen gerade noch Humor blitzte, schienen nun nur mit Mühe eine versteckte Wut verbergen zu können. Die Brauen ballten sich zusammen wie die dunkle Sturmfront eines Gewitters.

Khadgar stammelte für einen Augenblick sinnlos, dann sagte er: »Ihr habt in meinem Geist gelesen.«

»Ein naheliegender Gedanke«, sagte Medivh. »Aber nein. Du bist im Augenblick ein brodelnder Eintopf von Nerven, und das macht es unmöglich, deinen Geist zu lesen. Einmal falsch.«

»Ihr habt diese Art von Schreiben schon früher bekommen«, sagte Khadgar. »Von den Kirin Tor. Ihr wisst, welche Art von Briefen sie schreiben.«

»Auch möglich«, sagte der Meistermagier. »Da ich solche Briefe erhalten habe und sie dazu neigen, sich in Selbstbeweihräucherung zu suhlen. Aber du kennst die genauen Worte genau so gut wie ich. Ein guter Versuch und der offensichtlichste, aber erneut hast du Unrecht. Zweimal falsch.«

Khadgars Mund formte sich zu einer straffen Linie. Sein Geist raste, und sein Herz hämmerte in seiner Brust. »Sympathetische Magie«, sagte er schließlich.

Medivhs Augen ließen nicht erkennen, was hinter ihnen vorging, und seine Stimme blieb ruhig. »Erkläre.«

Khadgar nahm einen tiefen Atemzug. »Eine der wesentlichen Formen von Magie. Wenn jemand einen Gegenstand berührt, dann lässt er einen Teil seiner eigenen magischen Aura oder Schwingung darin zurück. Da die Auren von Mensch zu Mensch verschieden sind, ist es möglich, sich mit dem einen zu verbinden, indem man das andere beeinflusst. Auf diese Art kann man die Haarlocke einer Person verwenden, um einen Liebeszauber auf sie zu legen, oder man kann eine Münze zu ihrem ursprünglichen Besitzer zurückverfolgen.«

Medivhs Augen verengten sich leicht, und er strich sich mit einem Finger über das bärtige Kinn. »Fahre fort.«

Khadgar hielt für einen Moment inne und fühlte das Gewicht von Medivhs Blick, der auf ihn drückte. Das war alles, was er aus Vorlesungen wusste. Er hatte den halben Weg zum Ziel zurückgelegt. Aber wie hatte Medivh die sympathetische Magie genutzt, um herauszufinden …

»Je mehr jemand einen Gegenstand benutzt, desto stärker die Resonanz«, sagte Khadgar schnell. »Also erlangt ein Gegenstand, der viel verwendet wird und viel Aufmerksamkeit erfährt, eine stärkere Sympathie.« Die Worte sprudelten jetzt konzentrierter und schneller aus ihm hervor. »Also besitzt ein Dokument, das jemand geschrieben hat, mehr Aura als ein leeres Pergament. Die Person konzentriert sich auf das, was sie schreibt, also …« Khadgar gab seinen Gedanken einen Augenblick Zeit, um seine Zunge einzuholen. »Ihr habt in einem Geist gelesen, aber nicht in dem meinen – sondern in dem Geist des Schreibers dieses Briefes zu dem Zeitpunkt, als er ihn schrieb! Ihr habt seine Gedanken aufgefangen, die die Worte verstärkten.«

»Ohne den Brief tatsächlich öffnen zu müssen«, sagte Medivh, und das Licht blitzte wieder in seinen Augen. »Also, wie könnte dieser Trick einem Gelehrten nützen?«

Khadgar blinzelte für einen Moment und sah von dem Meistermagier weg. Er versuchte, dessen stechendem Blick zu entgehen. »Man könnte Bücher lesen, ohne sie lesen zu müssen.«

»Sehr nützlich für einen Forscher«, sagte Medivh. »Du gehörst zu einer Gemeinschaft von Gelehrten. Warum tut ihr das nicht?«

»Weil … weil …« Khadgar dachte an den alten Korrigan, der in seiner Bibliothek alles finden konnte, selbst die kleinste Randnotiz. »Ich glaube, wir tun es, aber nur die älteren Mitglieder des Konklaves.«

Medivh nickte. »Und das ist so, weil …?«

Khadgar dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf.

»Wer würde noch schreiben, wenn alles Wissen mit einem geistigen Trick – mit einem Aufflammen von Magie – aufgesaugt werden könnte?«, schlug Medivh vor. Er lächelte, und Khadgar erkannte, dass er den Atem angehalten hatte. »Du bist nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht. Kennst du deine Gegenzauber?«

»Bis zur fünften Stufe«, erklärte Khadgar.

»Kannst du einen mystischen Blitz erzeugen?«, schoss Medivh sofort hinterher.

»Einen oder zwei, aber es kostet mich viel Kraft«, antwortete der junge Mann, der plötzlich das Gefühl hatte, dass das Gespräch wieder eine ernste Wendung nahm.

»Und deine primären Elemente?«

»Am stärksten in der Flamme, aber ich kenne sie alle.«

»Natur-Magie?«, fragte Medivh. »Reifen, Pflücken, Ernten? Kannst du einem Samen die Jugend entziehen, bis er zu einer Blume wird.«

»Nein, Herr. Ich wurde in einer Stadt trainiert.«

»Kannst du einen Homunkulus herstellen?«

»Die Doktrin mag das nicht, aber ich verstehe die Prinzipien«, sagte Khadgar. »Wenn Ihr neugierig seid …«

Medivhs Augen leuchteten für einen Moment auf, und er sagte: »Du bist von Lordaeron aus übers Meer gefahren? Welche Art von Boot?«

Khadgar fühlte sich einen Augenblick von der plötzlichen Wendung des Gesprächs überrumpelt. »Äh … ähm … ein tirassianischer Segler, die Freundliche Brise«, antwortete er.

»Aus Kul Tiras«, schloss Medivh. »Menschliche Besatzung?«

»Ja.«

»Hast du überhaupt mit der Mannschaft gesprochen?«

Wieder fühlte Khadgar, wie er von einem Gespräch in ein Verhör glitt.

»Ein wenig«, sagte er. »Ich glaube, sie fanden meinen Akzent lustig.«

»Die Mannschaften der Schiffe von Kul Tiras finden alles Mögliche lustig«, sagte Medivh. »Irgendwelche Nichtmenschen an Bord?«

»Nein, Herr«, sagte Khadgar. »Die Tirassianer erzählten Geschichten von Fischleuten. Sie nannten sie Murlocs. Gibt es die wirklich?«

»Ja«, sagte der Magus, »es gibt sie. Welchen anderen Völkern bist du begegnet? Abgesehen von Menschen.«

»In Dalaran waren mal ein paar Gnome«, sagte Khadgar. »Ich habe Kunstwerker der Zwerge in der Violetten Zitadelle getroffen. Ich kenne Drachen aus den Legenden. In einer der Akademien habe ich einmal einen Drachenschädel gesehen.«

»Was ist mit Trollen oder Kobolden?«, fragte Medivh.

»Trolle«, sagte Khadgar. »Vier bekannte Rassen von Trollen. Vielleicht gibt es eine fünfte.«

»Das ist wahrscheinlich der Unsinn, den Alonda lehrt«, murmelte Medivh, aber er gab Khadgar mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er weitersprechen sollte.

»Trolle sind wild, größer als Menschen. Sehr, sehr groß, sehr drahtig. Mit langgestreckten Gesichtern. Äh …« Er dachte einen Moment nach. »Stammesorganisation. Leben fast vollkommen abgeschieden von den zivilisierten Ländern. Fast ausgestorben in Lordaeron.«

»Kobolde?«

»Viel kleiner, eher die Größe von Zwergen. Genau so einfallsreich, aber auf eine zerstörerische Art. Furchtlos. Ich habe gelesen, dass alle Kobolde wahnsinnig sind.«

»Nur die intelligenten«, sagte Medivh. »Du weißt von Dämonen?«.

»Natürlich, Herr«, antwortete Khadgar schnell. »Ich meine, aus den Legenden, Herr. Und ich kenne die richtigen Gegen- und Schutzzauber. Alle Magier, die in Dalaran erzogen werden, lernen das vom ersten Tag an.«