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»Ich wollte mir eigentlich für etwas anderes Geld von dir leihen«, meinte Arbetio unsicher.

Sebastianus sah ihn nachdenklich an. »Wofür? Für einen anderen Sklaven? Zehn zu eins, daß es eine Frau ist.«

Arbetio lächelte und wurde rot. »Ja. Ich brauche jemanden, der mir den Haushalt führt.«

»Ich werde dir das Geld leihen«, ich lächelte ihm aufmunternd zu. »Und das Haus ebenfalls. Wirklich, ich bin froh, wenn ich es los bin. Valerius hat ein größeres für mich gefunden; es muß nur ein neues Strohdach bekommen.« Sebastianus lächelte. »So spricht ein reicher Mann! Athanaric hat mir erzählt, daß er etwas über dich herausgefunden hat.«

Ich konnte es nicht verhindern, daß ich zusammenzuckte und etwas Wein auf meine Tunika verschüttete. Ich richtete mich rasch auf und versuchte, ihn fortzuwischen.

»Gott im Himmel!« sagte Sebastianus und lachte. »So schlimm kann es doch nicht sein!«

Ich saß regungslos da und versuchte, mich zu beherrschen. Selbst wenn Athanaric die Wahrheit vermutete, hatte er Sebastianus offensichtlich nichts erzählt. In dem Verhalten des Heerführers deutete nichts darauf hin, daß er etwas von meinem wahren Geschlecht wußte. »Athanaric hat mir erzählt, daß er in irgendwelchen Dingen herumwühlt, die ihn überhaupt nichts angehen«, sagte ich schließlich mißmutig. »Einige davon hängen angeblich mit mir zusammen. Ich betrachte diese Dinge allerdings als strikt privat, und wenn Athanaric etwas herausgefunden hat, dann hat er hoffentlich den Anstand, den Mund zu halten.«

Sebastianus starrte mich überrascht an. »Er schrieb lediglich am Schluß eines Briefes, er habe über einige Ereignisse in Asien nachgedacht und etwas über dich herausgefunden, was er mir bei unserer nächsten Begegnung erzählen wollte.«

»Ich wäre dir dankbar, wenn du ihm nicht zuhörst, ehrenwerter Sebastianus.«

»Heiliger Christ, Chariton, das kann doch nichts schaden. Es ist mir egal, falls Festinus dich des Verrats bezichtigt hat oder du tatsächlich ein entlaufener Sklave bist. Was auch immer es ist, ich bin sicher, daß du vollkommen unschuldig bist, und Athanaric ist sich dessen ebenfalls sicher. Er machte keine Andeutung darüber, daß er etwa etwas Schimpfliches entdeckt habe, nur etwas, was ich wissen sollte. Wenn er es mir erzählen will, dann doch nur, weil er möchte, daß ich Ärger von dir fernhalte.«

Ich setzte mich wieder auf die Ruhebank, war jedoch zu angespannt und verärgert, um mich entspannt zurückzulehnen. Athanaric hatte sicherlich etwas gemerkt. Ich konnte an nichts anderes denken als an mein Geheimnis – aber falls er es herausgefunden hatte, warum hatte er es dann Sebastianus in seinem Brief nicht ganz einfach erzählt? Fürchtete er vielleicht, der Brief könne in falsche Hände geraten? Oder hatte er irgendwelche falschen Schlüsse gezogen? Noch konnte ich vielleicht davonkommen. Trotzdem, ich hatte nach wie vor Angst und war außerdem ziemlich wütend. »Hat Athanaric mit den augenblicklichen Schwierigkeiten denn nicht genug zu tun, muß er auch noch in abgestandenen Ereignissen einer anderen Diözese herumwühlen?« fragte ich verbittert. »Vor allem in solchen, die seine Freunde kränken könnten.«

»Wenn ich irgendwie helfen kann…« meinte Arbetio zögernd, aber ich schüttelte den Kopf.

Sebastianus seufzte. »Nun, es tut mir leid, daß ich etwas gesagt habe. Ich konnte nicht wissen, daß du es so aufnimmst.« Er schnippte mit den Fingern und deutete auf mein Glas; die Sklaven füllten es nach. »Jetzt, da du es erwähnst, muß ich gestehen, mich ebenfalls gewundert zu haben, daß Athanaric noch die Zeit hatte, an etwas anderes als an seine Arbeit zu denken. Er ist inzwischen in Antiochia gewesen, er hat während eines befristeten Waffenstillstandes mit Frithigern gesprochen, und in seinem letzten Brief berichtete er, er sei nach Sirmium unterwegs.«

»Was gibt es für Neuigkeiten?« fragte ich und wurde allmählich wieder ruhiger.

»Die Goten haben die Belagerung von Hadrianopolis aufgehoben. Offensichtlich ist Frithigern sich darüber klargeworden, daß sie nicht über genügend Erfahrung für einen erfolgreichen Belagerungskrieg verfügen und dabei nur unnötig Soldaten verlieren. Sie haben nur ein paar Mann zurückgelassen, um die Stadt unter Beobachtung zu halten. Der Rest hat sich in kleinere Gruppen aufgeteilt und streift plündernd durchs Land. Ich würde mich nicht wundern, wenn wir auch in Skythien schon bald auf einige von ihnen stoßen.«

»Was ist mit unseren eigenen Truppen?« fragte Arbetio.

Sebastianus zuckte die Achseln. »Vor dem Frühjahr wird niemand aus dem Osten hier eintreffen. Lupicinus ist seines Kommandos und Festinus seiner Statthalterschaft enthoben worden. Beide sind in Unehren nach Hause geschickt worden – das bedeutet jedoch nur, daß hier im Augenblick niemand die Verantwortung trägt. Unsere Erhabene Majestät traut sich nicht, auch nur einen einzigen Mann von der persischen Front abzuziehen, bevor er nicht Frieden mit dem Großen König dort geschlossen hat. Aus diesem Grunde hat er den Heerführer Victor dorthin geschickt. Es sieht so aus, als würden sie Armenien unter sich aufteilen. Dann will er Profuturus und Trajanus mit den armenischen Legionen zu uns schicken. Ich kann mir vorstellen, daß Athanaric eine Botschaft in das Westreich bringt, um Gratianus Augustus um Truppen zu bitten. Er hat allerdings nichts dergleichen gesagt. Ich fürchte jedenfalls, daß wir bis zum Frühjahr auf eigene Faust zurechtkommen müssen, möglicherweise sogar bis zum Sommer.« Er hob seinen Becher und blickte uns über den Rand hinweg aufmerksam an.

»Trinkt, Freunde! Wir werden schon bald nicht mehr viel Zeit zum Trinken haben.«

12

Sebastianus behielt mit seinen beiden Vermutungen recht: Bis zum Sommer erhielten wir keinerlei Verstärkungen, und wir bekamen immer mehr Goten zu Gesicht. Der größte Teil der Terwingen zog nach Skythien. Auf einer weiten Ebene, nahe der Grenze zwischen Skythien und Mösien, dort, wo die Donau in einer Schleife bis ganz in die Nähe der Hämusberge kommt, errichteten sie ein festes Lager. Sie stellten ihre Wagen in einem riesigen Kreis auf, um auf diese Weise eine Art Stadt zu bilden, in der die Frauen und Kinder bleiben konnten. Die Männer führten Raubzüge durch, die sie weit hinein nach Thrazien führten. Sie plünderten und brandschatzten, wo sie nur konnten. Einige wagten sich bis auf wenige Meilen an Novidunum heran. Sie machten keinen Versuch, die kleineren Posten anzugreifen oder eine der befestigten Städte zu belagern, sondern beschränkten sich darauf, Lebensmittelvorräte und Kriegsmaterial zu erbeuten, und sie waren äußerst erfolgreich hierin. Viele gotische Sklaven, vor allem diejenigen, die erst kürzlich durch die Praktiken von Lupicinus ihre Freiheit verloren hatten, rannten ihren Herren fort und kehrten zu ihrem Volk zurück. Dann verrieten sie ihren Landsleuten, wo sie die prächtigsten Häuser und das fetteste Vieh finden konnten. Die Goten häuften ihre Beute rascher auf als die meisten bestechlichen Statthalter ihre Bestechungsgelder. Sie plünderten die Goldminen im Süden, sie plünderten die Landgüter, sie plünderten Städte und Landhäuser. Sie schleppten alle römischen Besitztümer fort, die sie schon immer geschätzt hatten – schöne Töpferwaren, Schmiedearbeiten, Silber und Glas; kostbare, aus anderen Ländern importierte Gewänder aus Leinen, Seide und Wolle; Möbel mit Einlegearbeiten; Gemälde und Wandteppiche; Bücher, die sie gar nicht lesen konnten. Und sie nahmen sich römische Sklaven. Männer, die noch vor ein paar Monaten selbst Sklaven gewesen waren, verschleppten die Frauen und Kinder ihrer früheren Herren, und die römischen Soldaten konnten nur wenig tun, um ihnen Einhalt zu gebieten. Sebastianus stellte einen Trupp Soldaten zusammen, um selbst Streifzüge ins Land zu unternehmen und zu versuchen, einige der gotischen Soldaten auf ihren Expeditionen zu ergreifen und zu bestrafen, doch er hatte nicht genug Männer, um damit viel zu erreichen.