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»Chariton, mein lieber Meister!« rief er aus, sah mich strahlend an und trat auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln. »Ich bin überaus glücklich, dich heil und gesund zu sehen, und dann auch noch hier, bei meinem eigenen Volk!«

Ich zog meine Hand zurück. Sicherlich, ich freute mich, Edico wiederzusehen – es war schön, überhaupt ein vertrautes Gesicht zu erblicken. Und es war wunderbar, endlich wieder einmal jemanden griechisch sprechen zu hören – aber ich ärgerte mich.

»Ich bin nicht freiwillig hier«, erwiderte ich ungehalten.

Das Lächeln verschwand sofort. »Ja, man hat mir berichtet, daß du gefangengenommen worden bist. Aber mach dir keine Sorgen, dir wird kein Leid geschehen. Du hast viele Freunde hier, darunter auch König Frithigern. Wir werden dich in jeder Beziehung als unseren Gast behandeln.«

»Ein Gast ist frei, zu gehen, wohin immer es ihm gefällt«, wandte ich ein. »Darf ich annehmen, daß dies auch für mich gilt? Wenn das so ist, mache ich mich sofort auf den Weg.«

Er schüttelte schnell den Kopf. »Es tut mir leid, wir sind in einer Notlage. Wie haben kaum Ärzte, und viele Menschen sind krank. Ich habe versucht, die Leute dazu zu bewegen, Brunnen für ihr Trinkwasser zu benutzen, ich habe versucht, all die Dinge zu tun, die du mir beigebracht hast, aber wir leiden immer noch an vielen Krankheiten. Die Menschen sind durch die teuflischen Römer, die uns am Fluß festgehalten haben, böse geschwächt. Und die Verwundeten leiden fürchterlich, da wir nicht genügend Heilmittel haben, um sie ordentlich zu behandeln. Das Opium ist mir ausgegangen, und seit Wochen durchkämmen einige Burschen in meinem Auftrag die Nachbarschaft nach Alraunwurzeln.«

»Das Opium ist dir ausgegangen? Das tut mir aber leid! Aber ich fürchte, ich habe auch nicht mehr vieclass="underline" Ein Dieb hat die Hälfte unserer Vorräte in Novidunum gestohlen.«

Edico war immerhin so gnädig, zu erröten. »Wir benötigten es dringend«, meinte er ganz ernsthaft. »Ich weiß, daß du Mitleid mit uns hast, Chariton; du hast versucht, diesem Lupicinus sein Handwerk zu legen. Aber du hattest keine Ahnung, wie sehr wir litten. Ich war außer mir vor Freude, als die Soldaten mir erzählten, sie hätten dich gefangengenommen. Du wirst so viele Menschenleben retten können.«

»Ich bin aber gar nicht außer mir vor Freude! Bei den Römern kann ich ebensogut Menschenleben retten, außerdem wäre ich sehr viel lieber bei meinen eigenen Leuten. Edico, ich habe dir die Heilkunst beigebracht, und als du den Eid abgelegt hast, hast du geschworen, mich als deinen Lehrvater anzusehen. Setz dich für mich ein, versuche, den König dazu zu überreden, mich nach Hause zu schicken. Hör zu: Wenn es dich ärgert, daß ich deine Feinde heile, dann will ich schwören, aus Thrazien zu verschwinden und nach Alexandria oder vielleicht auch nach Konstantinopel zu gehen. Aber ich gehöre nicht hierher. Das weißt du.«

Edico stand da, sein Gesicht über dem Hermelinumhang war feuerrot. »Es tut mir leid«, meinte er schließlich. »Wir sind knapp an Ärzten, und ich brauche Hilfe.«

»Zum Teufel mit dir«, erwiderte ich bloß. Ich konnte nicht auf seine Hilfe hoffen. Hinter uns öffnete sich eine Tür, die Wachen nahmen Haltung an, und ein gotischer Edelmann machte uns ein Zeichen, zum König zu kommen.

Walimir ging als erster hinein, seine Untergebenen folgten ihm, dann kam ich zusammen mit einem Wachsoldaten; Edico schlich hinter mir her und machte einen äußerst unglücklichen Eindruck. Es war ein großer und prächtiger Raum; der Fußboden war mit einem Tierkreismosaik ausgelegt, vor den Glasfenstern hingen grüne, mit Goldbrokat bestickte Vorhänge, und die grüngelbe Täfelung der Wände war mit Wandteppichen behangen. In der einen Ecke des Raumes hatten die Goten eine Art Podium errichtet, das mit weiteren Brokatvorhängen verkleidet war und auf dem mehrere vergoldete Ruhebänke standen. Auf der mittleren saß Frithigern. Er trug einen purpurfarbenen Umhang – Gott allein weiß, wo er so etwas herbekommen hatte – und ein goldenes Stirnband. Ein weiterer Anführer, der ähnlich gekleidet war, saß auf der äußersten Kante der Ruhebank neben ihm. Ich vermutete, daß es ein anderer gotischer Heerführer war, vielleicht Alavivus oder einer der greuthungischen Edelleute.

Walimir beugte das Knie vor dem König. »Sei gegrüßt, Frithigern, König der Goten!« rief er aus. Der andere Anführer sah bei dieser Anrede verstimmt aus, sagte jedoch nichts. Frithigern erhob sich von seiner Ruhebank und kam herunter, um Walimir die Hand zu schütteln.

»Sei gegrüßt, Walimir! Gut gemacht! Die ganze Stadt hallt von den Neuigkeiten deiner Siege wieder.« Walimir sah erfreut aus. »Ich hoffe, das Beutegut ist nach deinen Wünschen sowie nach den Gebräuchen unseres Volkes verteilt worden? Gut. Gut auch, daß du Chariton gefangengenommen hast. Der edle Edico hat sich schon seit Monaten gewünscht, ihn hier zu sehen.«

»So daß es mir überlassen bleibt, meine Anwesenheit hier zu beklagen«, warf ich ein. »Oder muß ich mich jetzt als Sklaven betrachten und den Mund halten, während andere über mich verfügen?«

»Du bist unser Gast«, erwiderte Frithigern auf griechisch und streckte mir die Hand entgegen.

Nach einem Augenblick des Zögerns ergriff ich sie. »Edler Frithigern«, sagte ich, »ich weiß, daß dein Volk großes Unrecht erlitten hat. Ich habe versucht, dem Einhalt zu gebieten…«

»Ich habe davon gehört, und ich danke dir.«

»… aber ich kann dir nicht dienen, wenn ich mich gegen mein eigenes Volk stellen muß. Bitte laß mich gehen. Ich habe dir in der Vergangenheit geholfen, vortrefflicher Frithigern, und du schuldest mir etwas Besseres als die Gefangenschaft.«

Frithigern schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich verlange von dir ja nicht, gegen dein eigenes Volk zu kämpfen. Ich hoffe aber, daß du dich als Arzt nicht weigern wirst, die Kranken zu behandeln. Und wir haben sehr viele Kranke und Verwundete – sie sind krank, weil die Leute den Römern vertraut haben und auch, weil sie mir vertraut haben; und sie sind verwundet, weil sie für mich gekämpft haben. Ich kann dich nicht gehen lassen.«

»Dann behandelst du mich also als Sklaven, gleichgültig, was für schöne Worte du über Gastfreundschaft verlierst.«

»Wenn du es vorziehst, dieses Wort zu gebrauchen, dann sei es dir unbenommen; ich werde dich meinen Gast nennen. Du bist willkommen in meinem Haus. Hast du schon etwas gegessen? Wenn nicht, dann leistest du mir vielleicht Gesellschaft zum Abendessen? Ach, Chariton, als Grieche wirst du wohl zuerst baden wollen. Meine persönlichen Sklaven werden dich bedienen.«

»Dank dir, nein«, entgegnete ich ihm. Ich fragte mich, wie lange ich wohl bei den Goten bleiben und ihre Verwundeten behandeln müßte. Ich fragte mich, ob mich die Römer für einen Verräter halten würden, wenn sie die Barbaren schließlich besiegten. Wahrscheinlich nicht; Sebastianus wußte, daß ich nicht freiwillig mitgegangen war.

»Nun, dann willst du dir vielleicht etwas anderes anziehen?« fragte Frithigern und warf mir aus seinen blassen Augen einen schwer zu deutenden Blick zu. »Du bist weit geritten, und es schmerzt mich, einen Gast zu beherbergen, der von der Reise derart erschöpft ist.«

Ich seufzte. »Wenn ich ein Zimmer für mich haben könnte, würde ich mich gerne für einen Augenblick zurückziehen und mich ein wenig ausruhen.«

»Meine Sklaven werden sich um dich kümmern.«

»Wenn du nichts dagegen hast, vortrefflicher Frithigern, würde ich es vorziehen, allein zu sein.«