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»Er glaubt, er sei jetzt ein vornehmer Herr!« sagte Thorion bitter. »Ein Herr und Landbesitzer. Er sprach davon, sich in Ephesus niederzulassen, wenn seine Amtszeit zu Ende ist, und ein Bürger unserer Stadt zu werden!«

»Dabei ist er doch nur ein Bauer«, rief Maia aus. Sie saß auf ihrem Stuhl in der Nähe des Fensters und spann. Es war dunkel, und wir zündeten die Lampen an: Das kleine Zimmer machte einen behaglichen Eindruck. Die weißen Wände glänzten in dem Licht der Lampen wie Gold, Maias Götterbilder lächelten gütig von der Wand, ihre Spindel surrte sanft. Von draußen kam das Zirpen der Grillen und das Rauschen der Bäume. Ich hatte mich gerade zum Schlafen zurechtgemacht, als Thorion heimkam, und saß nur mit meiner Tunika bekleidet und die Arme um die Knie geschlungen auf meinem Bett. Mein Umhang lag sorgfältig zusammengelegt auf der Kleidertruhe, da er am nächsten Morgen gereinigt werden sollte. (Er war weiß mit etwas grün und wies den unvermeidlichen purpurfarbenen Streifen auf. Warum müssen junge Mädchen unbedingt weiße Umhänge tragen? Es ist unmöglich, weiße Sachen sauber zu halten, und jetzt hatte ich auch noch einige Blutspritzer abbekommen, weil ich Philoxenos beim Kastrieren einiger junger Hengste zugesehen hatte.) Trotz des schlimmen Sommers hatte ich das Gefühl, daß zu Hause allmählich alles wieder seinen gewohnten Gang ging. Ich wollte nicht über Festinus nachdenken und äußerte mich deshalb nicht dazu – obwohl ich darauf hätte hinweisen können, daß es gerade uns nicht gut anstand, über einfache Bauern herzuziehen, die darauf aus sind, sich vornehme Häuser und Titel unter den Nagel zu reißen.

»Er ist ein ganz gemeiner Dieb!« sagte Thorion. »Er trug einen Umhang mit einem purpurfarbenen Streifen, der so breit ist wie meine Hand« – er streckte seine große Bauernhand aus und spreizte die Finger –, »und das Tischtuch hatte ebenfalls einen Purpurstreifen. Es kam mir irgendwie bekannt vor, und mitten während des ersten Ganges merkte ich auch warum: Es war unser Purpur, für den wir dreißig Solidi bezahlt haben und den Festinus beschlagnahmt und niemals zurückgegeben hat!«

»Dieser dreckige Räuber!« rief Maia erschrocken aus. »Hat er etwas dazu gesagt?«

»Nein. Ich glaube, er hatte ihn ganz vergessen, er war viel zu beschäftigt damit, sich dauernd selbst zu beglückwünschen.« Thorion hielt inne, um Atem zu schöpfen, dann fuhr er in einem auffallend ruhigen Tonfall fort: »Und er sprach über dich, Charition.«

»Über mich?« fragte ich, und jetzt war ich es, die erschrocken war. Thorion nickte und sah dabei finsterer aus als je zuvor. Maia gab einen mißbilligenden Ton von sich und sah mich unbehaglich an.

»Er fragte Vater: ›Wie geht es deiner hübschen Tochter?‹« berichtete Thorion. »Und als Vater meinte, es ginge dir ausgezeichnet, erzählte Festinus aller Welt, du seiest ein sehr hübsches und äußerst bescheidenes Mädchen. Und er erzählte, als Vater unter Verdacht stand – einfach so: ›als der vorzügliche Theodoros unter Verdacht stand‹ –, hättest du den Kopf nicht verloren und auf Beweise für Vaters Unschuld aufmerksam gemacht, an die alle anderen in ihrer Aufregung nicht gedacht hatten. Und er fragte Vater nach deinem Namen. Er sagte, er hätte ihn vergessen.«

»Der Name einer züchtigen Jungfrau geht ihn überhaupt nichts an!« rief Maia aufgebracht. »Für ihn reicht es völlig, sie als die Tochter des vorzüglichen Theodoros zu kennen! Du hast doch überhaupt nicht mit dem Statthalter gesprochen, als er hier war, Charis, oder?«

»Nur das, was du selbst mit angehört hast«, erwiderte ich.

»Und daran hat er sich erinnert. Ich wundere mich, daß Festinus sich überhaupt daran erinnert. Ich glaube, sogar Vater hat es vergessen.«

»Er erinnerte sich daran, daß du hübsch bist«, sagte Thorion. Er zog an seiner Unterlippe, eine schlechte Angewohnheit, die Maia haßte. »Ich hätte ihn verprügeln können! Dort einfach auf seiner Ruhebank zu liegen, darüber zu faseln, wie hübsch du bist und wie es war, als Vater unter Verdacht stand, und dabei mit anzüglichen Blicken nur so um sich zu werfen! Bei Gott und all seinen Heiligen! Und nächste Woche müssen wir ihn schon wiedersehen!«

Maia runzelte die Stirn. Sie sagte nicht einmal etwas über Thorions Ziehen an der Unterlippe. »Hat er euch erneut eingeladen?«

»Nein. Er machte Vater klar, daß er gerne einmal zu uns kommen würde, so daß Vater nicht umhin konnte, ihn einzuladen.«

»Thorion«, sagte Maia, und ich wußte, daß sie jetzt wirklich beunruhigt war: Sie gebrauchte Thorions Spitznamen nur, wenn sie außer sich war. »Dein edler Vater muß einen Haufen anderer Leute zu dieser Abendgesellschaft einladen. Männer, vornehme Junggesellen – vielleicht deinen Rechtslehrer? Auf alle Fälle keine Frauen.«

Thorion sah sie grimmig an. »Dann glaubst du also, es hat etwas damit auf sich, wie er über Charis gesprochen hat?«

Maia preßte ihre Lippen zusammen und drehte ihre Spindel.

»Ich war ja nicht dabei«, sagte sie nach einem Augenblick. »Aber die Leute werden sich das Maul darüber zerreißen: Es ist höchst ungehörig, sich auf einer Abendgesellschaft nach dem Namen eines jungen Mädchens zu erkundigen. Und ich glaube, es wäre besser, wenn Charis diesem Rohling aus dem Weg ginge. Wenn keine Frauen zur Abendgesellschaft gehören, dann läuft sie auch keine Gefahr, ihm zu begegnen.«

Falls Festinus dagegen alleine käme, würde er sicherlich erwarten, daß ich mit am Eßtisch meines Vaters säße.

»Meinst du denn wirklich, dies habe etwas zu bedeuten?« fragte ich. Ich fühlte mich unbehaglich bei dem Gedanken, daß Festinus über mich gesprochen hatte. »Ist er denn nicht verheiratet?«

»Verwitwet«, erwiderte Maia, die solche Dinge stets wußte.

»Und wenn er beabsichtigt, sich in Ephesus niederzulassen, dürfte er wieder eine Frau benötigen – nach Möglichkeit ein vornehmes junges Mädchen aus Ephesus. Und deshalb möchte ich nicht, daß du ihm überhaupt unter die Augen kommst.«

Ich fühlte, wie ich zitterte. »Aber ich bin doch viel zu jung, oder? Und Vater würde doch nie…«

Thorion sah mich niedergeschlagen an. »Pythions Tochter ist nur ein paar Monate älter als du, und sie wird in diesem Frühjahr heiraten. Und du weißt ja, Charition, du bist sehr hübsch. Ich könnte diesem Festinus die Zähne einschlagen!« fügte er wütend hinzu.

»Aber Vater würde doch nicht…«

»Vater würde Festinus nicht mißfallen wollen. Er hat Angst vor ihm. Maia hat recht: Du mußt diesem Rohling aus dem Wege gehen. Ich werde Vater bitten, einen Haufen anderer Männer einzuladen, dann kannst du in deinem Zimmer bleiben, und wenn Festinus dich erwähnt, dann werden wir ihm alle erzählen, wie jung und töricht du bist. Das sollte allen Hirngespinsten, denen er sich vielleicht hingibt, ein Ende bereiten.«

Doch Vater hatte bereits seinen Freund Pythion und dessen Ehefrau eingeladen, und er bestand darauf, weitere Gäste seien unnötig. »Er meinte, Festinus habe ausdrücklich um eine zwanglose Gesellschaft gebeten, auf der sie freimütig sprechen könnten«, erzählte mir Thorion am nächsten Tag. »Ich gestand ihm, daß ich mir wegen der Art und Weise, in der Festinus über dich gesprochen habe, Sorgen mache, doch er antwortete, das habe überhaupt nichts zu bedeuten, damit wolle der Statthalter nur sein väterliches Interesse an unserem Haus bezeugen. Vater glaubt, Festinus wolle jetzt, da wir Nachbarn sind, Frieden schließen und sich liebenswürdig zeigen. Ich erwiderte ihm, meiner Ansicht nach bestünde die beste nachbarschaftliche Beziehung gegenüber Festinus in einer hohen Steinmauer zwischen ihm und uns.«