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Ich dachte oft an Athanaric und fragte mich, was er entdeckt haben mochte und wo er jetzt wohl war. Ich konnte es nicht ändern: Ich verspürte den Wunsch, ihn zu sehen, jetzt, da man mich als Frau entlarvt hatte. Obwohl ich Angst hatte, er werde mich ganz einfach lächerlich finden, oder schlimmer noch, er werde mich als irgendeine x-beliebige Edelfrau behandeln, wollte ich ihn doch gerne sehen und ihm sagen: »Sieh her, so bin ich, und vielleicht hast du es vermutet. Magst du mich so?« Aber ich hörte nichts von ihm. Amalberga und Frithigern waren ebenfalls sehr begierig, ihn zu sehen, und wollten unbedingt wissen, wo er sich aufhielt. Die erste Wut des Plünderns und Rachenehmens war allmählich verraucht, und die Goten wollten mit dem Kaiserreich einen Waffenstillstand aushandeln. Sie hofften, Athanaric werde auftauchen und mit ihnen darüber sprechen. Doch es hatte den Anschein, als sei das Kaiserreich dazu entschlossen, nicht mit den Goten zu verhandeln, bis es genug Streitkräfte zusammengezogen hatte, um sie zu zerschmettern. So warteten auch wir in Carragines auf Verstärkung, und im Grunde genommen war ich viel zu beschäftigt, um mir über mich selbst oder darüber, wie dies alles enden sollte, Gedanken zu machen.

Dann, eines schönen Maimorgens, als ich ein paar neue Patienten außerhalb des Hospitals besuchte, kam Edico und sagte, er müsse mich sprechen. Da eine Menge Leute darauf warteten, daß ich mich um sie kümmerte, fragte ich ihn, ob es dringend sei. Er wich meinem Blick aus und murmelte, daß sei es nicht. »Dann können wir während des Mittagessens darüber sprechen«, entgegnete ich und wandte mich wieder meinen Patienten zu. Er stand da und sah mich lange und verlegen an, dann ging er davon.

Beim Mittagessen, das wir im Arzneimittelhaus des Hospitals einnahmen, erwartete ich, daß er die Sache, worum es sich auch immer handeln mochte, gleich zur Sprache bringen werde. Aber nein, er saß da und mampfte sein Wurstbrot und vermied meinen Blick, bis ich ihn fragte, weshalb er mich denn sprechen müsse. Daraufhin sah er nur noch verlegener aus.

»Bist du eine Jungfrau?« fragte er schließlich.

Ich sah ihn verblüfft an und fragte mich, worauf er hinauswollte. »Ja«, antwortete ich endlich. »Aber was sexuelle Fragen anbetrifft, so habe ich meinen Hippokrates gelesen. Warum?«

Jetzt blickte er auf und sah mir kurz in die Augen, dann sah er wieder zu Boden. »Ich muß es wissen«, sagte er. »König Frithigern wünscht, daß ich dich heirate, und ich habe ihm geantwortet, ich sei einverstanden, vorausgesetzt, du bist eine Jungfrau.«

Ich war völlig sprachlos und saß nur da und starrte Edico an.

Ich spürte, wie ich rot wurde. »Das ist ja wirklich eine ganz schöne Zumutung von Frithigern, so etwas von dir zu verlangen, nicht wahr?« sagte ich. »Eine Fremde von zweifelhaftem Ruf und unbekannter Herkunft zu heiraten. Und außerdem stammst du aus einer guten Familie – was werden deine Leute davon halten?«

Er zuckte die Achseln. »Meiner Tante wäre es egal, und mein Vater ist tot. Meine Mutter hat in dieser Angelegenheit nichts zu vermelden. Du brauchst sowieso nicht mir ihr zusammen zu wohnen.«

»Ah, wunderbar! Und der König wird doch sicherlich für eine Mitgift sorgen? Eine große Mitgift als kleinen Ausgleich für das Opfer, das du bringst?«

»Nun… ja.« Edico biß erneut in sein Brot. »Eine ziemlich große. Aber es ist kein Opfer, wirklich nicht. Du siehst sehr gut aus und bist außerdem eine ausgezeichnete Ärztin.«

»Es schmeichelt mir, daß du so denkst. Aber du kannst Frithigern ausrichten, bevor er wieder den Ehestifter spielen möchte, sollte er sich besser erkundigen, ob die Braut den Vereinbarungen auch zustimmt.« Edico warf mir erneut einen prüfenden Blick zu, und ich wurde endlich richtig wütend. »Ich werde dich nicht heiraten, und ich finde Frithigerns Einfall höchst dumm.«

Er sah beleidigt aus. »Daran ist überhaupt nichts dumm! Wir sind Kollegen, ich bin ein Edelmann, und der König weiß, daß du eine ausgezeichnete Ärztin bist. Er möchte dich an uns binden und als eine seines Volkes aufnehmen. Es gibt nichts, was natürlicher wäre als das.«

»Oh, bei Artemis der Großen! Wir sind Kollegen und dabei sollte es bleiben. Geh und erzähl dem König, daß aus dieser Heirat nichts wird.« Edico ging davon und sah erleichtert aus. Ich blieb noch einen Augenblick lang sitzen und versuchte, mich zu beruhigen. Jetzt, da Edico gegangen war, war ich nicht länger nur wütend, sondern ich hatte Angst. Frithigern würde von nun an nicht mehr ausschließlich auf Amalbergas Kunst der Menschenführung und meine Liebe zur Heilkunst vertrauen; er wollte mich unter die Kontrolle eines seiner Männer bringen, um mich dadurch fester an sich zu ketten. Verheiratet und zweifellos schon bald mit einem gotischen Kind schwanger. Ich war gezwungen worden, den Namen Chariton abzulegen, und er wollte mir auch noch den Namen Charis nehmen und mich zu »Edicos Frau« machen. Vielleicht könnte ich weiterhin die Heilkunst ausüben, aber auf diese Weise würde ich mich selbst für immer verlieren. Würde Frithigern versuchen, einen anderen zu finden?

»Ich werde mit allen Mitteln dagegen kämpfen«, sagte ich laut, um mir Mut zuzusprechen, und verließ den nach Efeu riechenden Arzneimittelraum. Ein Haufen Patienten wartete vor dem Hospital darauf, daß ich mich um sie kümmerte: müde, alte Männer, die steif auf dem Boden saßen; ein paar verwundete Krieger, die etwas abseits von ihnen hockten und sich als etwas Besseres vorkamen; magere, erschöpfte Frauen, die kranke Säuglinge an sich preßten. Ich wischte mir die Hände an meinem Kleid ab und winkte sie zu mir hinüber.

17

An jenem Abend rief Amalberga mich zu sich und besprach die Angelegenheit mit mir. »Mein Gemahl wünscht, daß du einen eigenen Hausstand gründest«, sagte sie.

»Du meinst, er möchte mir einen gotischen Ehemann verpassen, der mich an die Kandare nimmt und sicherstellt, daß ich nicht fortlaufe. Was ist passiert? Sind römische Verstärkungen eingetroffen?«

Sie zuckte zusammen, dann nickte sie unglücklich. »Mehrere Legionen aus Armenien marschieren von Konstantinopel aus nach Thrazien. Außerdem gibt es Gerüchte, daß auch Truppen aus Gallien hierher unterwegs sind.«

»Dann möchte Frithigern mich also fest an die Goten binden, bevor sie hier sind. Also gut, richte ihm aus, ich würde mich eher aus freien Stücken dazu bereit erklären hierzubleiben, als wenn ich durch eine Ehe dazu gezwungen werde.«

Amalberga seufzte. »Ich dachte, Edico wäre eine gute Partie. Ihr seid beide ausgezeichnete Ärzte. Er respektiert dein Urteil und würde sich nicht in deine Angelegenheiten einmischen.«

Ich sah sie an. »Dann war das Ganze also deine Idee?« Sie nickte. »Mein Gemahl sagte, er wolle dich mit einem seiner Gefolgsleute verheiraten, deshalb schlug ich deinen Kollegen vor. Meine Liebe, du wirst jemanden heiraten müssen. Dann kann es doch auch ebensogut Edico sein.«

»Ich werde niemanden heiraten! Ich schwöre bei der heiligen Dreifaltigkeit, daß ich die erste Möglichkeit ergreife, fortzulaufen, falls ihr mich dazu zwingt, in das Bett irgendeines Mannes zu steigen. Ihr werdet mir nicht mehr trauen können, und ich werde euch nichts mehr nützen.«

Sie sah mich nachdenklich an. »Warum spielt diese Frage eine so große Rolle für dich? Eine Ehe ist doch nicht etwas so Schreckliches. Oder hast du ganz einfach Angst, einen Goten zu heiraten?«

Ich wollte Amalberga irgendeine Lüge auftischen, dann entschloß ich mich aber, die Wahrheit zu sagen: Die Wahrheit war ihr gegenüber immer noch das beste. »Ich will überhaupt niemanden heiraten, vor allem aber keinen Goten. Ich bin Römerin, ich stamme aus Ephesus und bin im Museum von Alexandria ausgebildet! Ich bin niemandes Sklavin. Ich bin nicht freiwillig hergekommen; ihr habt mich gefangengenommen. Nun gut, jetzt bin ich hier, ich habe das beste daraus gemacht und euch, wie du weißt, einige Dienste geleistet. Du hast gesagt, das früher begangene Unrecht täte dir leid. Mach es nicht noch schlimmer, indem du mich gegen meinen Willen verheiratest.«