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»Gibt es einen anderen Mann?« fragte sie.

»Andere Männer haben nichts damit zu tun! Du und Frithigern, ihr könnt nicht einfach über mich verfügen, und ich werde auch sonst niemandem gehören.«

Amalberga seufzte und hob beruhigend ihre Hände. »Es ist spät«, sagte sie. »Lassen wir es im Augenblick dabei bewenden.

Ich verspreche, dir keine Ehe aufzuzwingen, die du verabscheust. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, daß du bald heiraten solltest, jemanden, den du respektieren kannst. Sonst wird mein Gemahl dich mit einem seiner Gefährten verheiraten, der nichts von Medizin versteht und sich auch nicht dafür interessiert.«

»Dann laufe ich fort«, sagte ich. »Hör zu: Ich habe mich bisher in mein Schicksal ergeben und bin hiergeblieben. Mich treibt im Augenblick nichts zu den Römern zurück. Ich wäre sogar bereit, einen Eid zu schwören, hierzubleiben, falls Frithigern glaubt, er könne mich nicht genug an sich fesseln, indem er mir erlaubt, die Heilkunst auszuüben. Aber ich werde nicht auf seinen Befehl hin heiraten. Wen auch immer er auswählt, der Betreffende wird mich vergewaltigen müssen. Und ich möchte nicht dafür garantieren, was ich hinterher tue.«

Amalberga seufzte erneut. »Ich werde mit meinem Gemahl sprechen«, versprach sie. »Und wir werden abwarten, was die Römer tun.«

18

Die römischen Legionen aus Armenien, die von Konstantinopel herbeimarschiert kamen, wurden im Süden Thraziens stationiert. In den südlichen Provinzen hatten sie eine ganze Anzahl heftiger Zusammenstöße mit gotischen Truppen und zwangen Frithigerns Soldaten, die immer wieder Beutezüge unternahmen, sich in den Norden zurückzuziehen. Doch die Römer waren auch nicht annähernd stark genug, um der gesamten gotischen Armee entgegentreten zu können, und so richteten sie sich in Hadrianopolis ein und warteten auf Verstärkungen aus dem Westen. Doch diese kamen nur langsam voran. Die gesamte Rhein-Donau-Front war von Unruhen erschüttert: Es gab dort keinen Ort, wo in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht irgendwann ein Krieg stattgefunden hatte, und es war schwierig, aus einer Provinz Truppen abzuziehen, ohne diese Provinz einer großen Gefahr auszusetzen. Die pannonischen und transalpinen Hilfstruppen trafen im Frühsommer ein, doch ihr Befehlshaber litt an schweren Gichtanfällen, und nach seiner Ankunft unternahm er erst einmal gar nichts. Einige gallische Truppen wurden noch erwartet, aber sie hatten offensichtlich keine Eile, und die Hälfte desertierte lieber, als ihre Heimatprovinz ungeschützt zurückzulassen. Frithigern setzte die Beutezüge aus und wartete ab.

Ich blieb in Carragines. Über eine Ehe wurde nicht mehr gesprochen, und ich hatte sehr viel zu tun. Selbst nachdem wir über eine öffentliche Kanalisation verfügten, verbreiteten sich Krankheiten aller Art unter den Bewohnern des schmutzigen und hoffnungslos überfüllten Lagers. Vor allem viele der römischen Sklaven wurden krank. Sie litten sehr unter ihrer Gefangenschaft und wurden – oft genug angekettet – in überfüllten und verdreckten Hütten gefangengehalten. Man mußte sich unbedingt um sie kümmern, und ich war froh, ihnen helfen und auf diese Weise etwas für mein eigenes Volk tun zu können, selbst mitten unter den Barbaren.

Dann eines Tages im Juli wurde ich zum König befohlen.

Ich war gerade dabei, eine heikle Operation durchzuführen, einen Kaiserschnitt, eine Methode, die Philon mich gelehrt hatte und mit der ich schon einige Male bei sehr schwierigen Geburten Erfolg gehabt hatte. Mit äußerster Konzentration und Sorgfalt führte ich die Operation zu Ende, versorgte Mutter und Kind und gab der Familie der Frau strenge Anweisungen wegen der notwendigen hygienischen Maßnahmen. Dann nahm ich meine Schürze ab, wusch mir die Hände und rannte zu Frithigerns Haus. Könige mögen es nicht, wenn man sie warten läßt.

Ich kam mit zerzausten Haaren und außer Atem dort an, und die Wachen ließen mich sofort in den Audienzsaal. Der Raum war voller Leute. Frithigern, sein Gefolgsmann Alavivus, und Colias, der frühere Befehlshaber der mit den Römern verbündeten Truppen in Hadrianopolis, lagerten allesamt auf ihren Ruhebänken auf dem erhöhten Podium, und ihr Gefolge bildete einen Kreis um sie herum. Amalberga stand hinter dem Podium; sie blickte auf und nickte mir zu, als ich hereinkam. Ein weiterer Mann stand in der Mitte des Raumes, und zwar mitten auf dem Mosaik der Sonne im Zentrum des Tierkreises. Er kehrte mir den Rücken zu, doch selbst so kamen mir die blonden Haare und die hochmütige Neigung des Kopfes sofort bekannt vor. Als die Wachsoldaten die Enden ihrer Lanzen auf den Fußboden stießen, um meinen Eintritt anzukündigen, wandte der Mann sich um, und dann konnte es keinen Zweifel mehr daran geben, daß es Athanaric war.

Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn an. Es war fast ein Jahr her, daß ich ihn zuletzt gesehen hatte, und ich hatte gehofft, daß die Zeit und meine verzweifelte Lage meine Leidenschaft erstickt hätten, aber als seine Blicke mich trafen, konnte ich mich weder rühren, noch vermochte ich zu sprechen, und ich hatte den Eindruck, als verschwände der ganze übrige Raum um ihn herum. Dann fuhr mir völlig zusammenhanglos der Gedanke durch den Kopf, ich müsse mit meinen halblangen, aufgelösten Haaren, meinem verrutschten Umhang und Blutspritzern auf meinen Armen und sicherlich auch in meinem Gesicht einen eigenartigen Anblick bieten. Athanaric sah mich mit einem merkwürdigen Ausdruck an – Freude, Erleichterung, befriedigte Neugier.

»Hier ist also die edle Frau«, sagte Frithigern. »Wie du sehen kannst, ist ihr nichts geschehen. Bist du jetzt bereit, über die Bedingungen zu sprechen, zu denen deine Auftraggeber einen Waffenstillstand akzeptieren würden?«

Athanaric wandte sich wieder dem Podium zu. »Ich habe dir schon gesagt, daß ich nicht dazu befugt bin, über irgend etwas zu verhandeln. Ich bin jetzt anderswo stationiert, und habe mich für diese Reise zu dir von meinem Posten entfernt. Am Hof hört im Augenblick sowieso niemand auf mich. Du kannst den Waffenstillstand vergessen: Du wirst keinen bekommen, und nichts von dem, was du mir seit meiner Ankunft so begierig erzählt hast, kann daran etwas ändern. Wie ich schon sagte, bin ich nur hergekommen, um mit dir im Namen ihrer Freunde über ein Lösegeld für diese Edelfrau zu sprechen.«

»Was sind das für Freunde?« fragte Alavivus.

»Der Heerführer Sebastianus und die Familie dieser Dame«, erwiderte Athanaric, ohne zu zögern. »Die Summe beträgt einhundert Pfund in Gold.«

»Wer ist diese Familie?« fragte Frithigern, ohne mich aus den Augen zu lassen.

»Ich habe nicht das Recht, darüber zu sprechen«, erwiderte Athanaric. »Leute aus Ephesus und von ausgezeichnetem Ruf.«

»Einhundert Pfund in Gold sind in der Tat gar nicht so schlecht«, meinte Colias und grinste. »Dafür würde ich jeden meiner Gefangenen verkaufen, Frithigern.«

Frithigern schüttelte den Kopf. »Sie ist mehr wert. Sie hat mehr als hundert Leben gerettet, seit sie hier ist. Die Antwort lautet nein.«

»Zweihundert Pfund«, sagte Athanaric. Frithigerns Augen wurden zu engen Schlitzen. Er schüttelte den Kopf.

»Ich brauche Ärzte nötiger als Gold. Wir haben einen Haufen Gold erbeutet, aber keine Ärzte.«

»Vierhundert Pfund«.

Es erhob sich ein lebhaftes Gemurmel. Colias ließ einen Pfiff ertönen. Ich stand da wie eine Sklavin, die versteigert wird, und fragte mich, wie weit Athanaric würde gehen müssen. Ich wußte nicht, ob ich erfreut oder verzweifelt sein sollte.

»Warum ist der Heerführer Sebastianus so an der edlen Frau interessiert?« fragte Frithigern mißtrauisch.