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Athanaric warf mir einen flüchtigen Blick zu und zuckte quasi entschuldigend die Achseln. »Er war der Befehlshaber dieser Frau, als man noch dachte, sie sei ein Mann, und er fühlt sich dafür verantwortlich, daß sie in Gefangenschaft geraten ist.«

Ringsum erhob sich Gelächter. »Er war ein Narr, nicht zu merken, wen er da befehligte«, rief Alavivus.

»Es ist leichter, das Geschlecht eines Gefangenen zu entdecken, den man zu allem zwingen kann, als das eines freien Menschen, der es zu verbergen versucht«, erwiderte Athanaric scharf.

»Und die Dame Charis war unter den Römern ein freier Mensch. Sie war frei, als sie König Frithigerns Frau heilte und versucht hat, eurem Volk gegen Lupicinus beizustehen. Jetzt streiten wir darüber, welches Lösegeld ihr für eine Frau nehmen wollt, die euer Gast war und die ihr freilassen solltet, ohne Geld für sie zu verlangen. Ihre Freunde bieten vierhundert Pfund in Gold.«

Frithigern warf mir diesen schwer zu deutenden Blick zu, den ich zu hassen und zu fürchten gelernt hatte. »Da ihre Familie und der Heerführer vierhundert Pfund in Gold für ihre Freilassung bieten, ist sie offensichtlich von hohem Rang. Dame Charis, aus welcher Familie stammst du?«

Ich rang meine Hände. »Wenn meine Leute dir ihren Namen nicht verraten wollen, wer bin dann ich, sie zu hintergehen?«

Der Blick aus den blassen Augen haftete noch einen Augenblick länger auf mir, dann wanderte er zu Athanaric und verhielt dort. Endlich schüttelte Frithigern den Kopf. »Es ist nicht genug.«

»Vierhundert Pfund sind nicht genug für eine Frau?« fragte Colias ungläubig. »Wir könnten dieses Geld gebrauchen. Nimm es, um des Himmels Willen!«

»Wozu brauchen wir Geld?« fragte Frithigern. »Kein Römer wird mit uns Handel treiben, und mit Gold können wir uns nichts kaufen. Unsere einzige Währung ist das Schwert. Außerdem ist sie meine Gefangene, nicht deine. Nein. Es ist nicht genug.«

»Sechshundert Pfund in Gold«, bot Athanaric, aber ich konnte sehen, daß er schwitzte.

»Ihrer Familie muß ganz Ephesus gehören!« rief Colias aus. Frithigern runzelte plötzlich die Stirn. »Theodoros«, sagte er.

»Der Statthalter. Er hatte eine Schwester…«

»… die Festinus heiraten sollte!« beendete Colias den Satz, und alle Anwesenden fingen gleichzeitig an zu sprechen.

»Es gibt viele reiche Familien in Asien!« protestierte Athanaric, doch der Aufruhr erstickte seine Worte. Unsere Familie war die einzige wirklich reiche Familie Asiens, von der die Goten gehört hatten, und daß eine Tochter des Hauses vermißt wurde, war in ihren Augen ein unstrittiger Beweis. Sie reckten ihre Hälse, um mich zu sehen, die berüchtigte Schwester des Theodoros, die Festinus ohne Braut inmitten seiner Hochzeitsgirlanden sitzengelassen hatte.

Frithigern sah Athanaric an und lächelte. »Ich werde sie nicht freilassen.«

»Tausend Pfund in Gold!« rief Athanaric. »Mehr kann ich nicht bieten.«

Ich war sicher, daß dies der Wahrheit entsprach. Thorion hätte sich eine Menge leihen müssen, um diese Summe zusammenzubekommen.

»Der höchst ehrenwerte Theodoros kann sein Gold behalten«, entgegnete Frithigern. »Dieser Teufel Festinus hat seine Braut verloren, und einer meiner eigenen Männer wird sie bekommen.«

»Nein!« protestierte ich energisch.

»Mach dich nicht lächerlich!« sagte Athanaric, an Frithigern gewandt. »Glaubst du denn, Theodoros wolle sie mit Festinus verheiraten? Er haßt ihn ebenso sehr wie du!« Dann hielt er inne und biß sich auf die Zunge; er hatte zugegeben, daß Frithigerns Vermutung über meine Herkunft richtig war.

Frithigern nahm keine Notiz davon: Er war sich sowieso sicher gewesen. »An wen will er sie dann verheiraten?« fragte Frithigern. »An den Heerführer Sebastianus?« Er beobachtete Athanaric aufmerksam, dann nickte er und meinte bekräftigend:

»Ich werde diese Frau keinem meiner Feinde aushändigen.«

»Das ist ja lächerlich«, sagte ich und unterbrach ihn erneut.

»Sebastianus ist ein Edelmann von allerhöchstem Rang. Er kann sich wirklich etwas Besseres antun, als eine Armeeärztin zu heiraten, deren Mitgift bereits für ihr Lösegeld draufgegangen ist.«

Athanaric warf mir einen raschen Blick zu, dann sah er wieder weg. Frithigern grinste. »Es spielt keine Rolle, Sebastianus oder Festinus oder irgendein anderer. Die Dame wird keinen Römer heiraten. Festinus’ Braut wird einen meiner Männer heiraten und bei uns alt werden und auf diese Weise eine Schmach für die Römer darstellen. Das ist es wert, dafür auf tausend Pfund in Gold zu verzichten.«

Die Goten brachen in Beifallsrufe aus, sogar Colias. Athanaric wurde blaß. Er stand da und schlug an den Griff seines Schwertes. Ich spürte, daß ich etwas unternehmen mußte, etwas sagen mußte, oder es wäre alles verloren: Ich würde in das Haus eines gotischen Edelmannes gebracht werden, um Festinus, Thorion und Sebastianus zu kränken, und keinem würde es auch nur in den Sinn kommen, daß sie mir ein Unrecht zugefügt hatten.

»Edler König!« rief ich aus und trat einen Schritt vor. Jedermann blickte auf mich, die Goten grinsten, als sei ich eine zweitklassige Schauspielerin, die nun auf die Bühne kam, um ihren Text aufzusagen. »Edler König«, wiederholte ich und vermochte einen Augenblick lang nicht mehr zu denken; ich fühlte mich ganz krank. »Ich habe dir einige Dienste erwiesen«, sagte ich endlich. »Ich habe dir und deiner Familie geholfen, bevor dieser Krieg begann. Du hast es mich entgelten lassen, indem du mich zu deiner Gefangenen gemacht hast. Ich habe dir gesagt, wie du eine große Epidemie vermeiden kannst, die dich Hunderte, ja sogar Tausende deines Volkes gekostet hätte, und du willst mich wie eine Sklavin verkaufen. Ewiger Christus! Es würde dir, ehrenwerter Frithigern, besser anstehen, mich ohne Lösegeld nach Hause zurückkehren zu lassen.«

»Ich verkaufe dich nicht wie eine Sklavin«, entgegnete Frithigern. »Ich will dich auf höchst ehrenwerte Weise mit einem Edelmann verheiraten.«

»Ich will deinen Edelmann nicht«, sagte ich ausdruckslos. Und dann, vielleicht, weil mich alle beobachteten und ich mir wie eine Schauspielerin in einem Stück vorkam, fuhr ich fort. »In Novidunum gab es einen Arzt, der mich gegen meinen Willen nehmen wollte. Ich tötete ihn mit seinem eigenen Messer. Ich werde das gleiche mit dem Mann tun, der es noch einmal versucht, und wenn er kein Messer hat, dann kenne ich ein paar hundert Arzneimittel, die genau das gleiche bewirken. Ich kann nicht länger leugnen, daß ich die Tochter des Theodoros von Ephesus bin, doch ich vermag nicht einzusehen, warum dies die Verpflichtung zur Gastfreundschaft oder deine Schuld mir gegenüber weniger schwer wiegen läßt. Und ich sehe nicht ein, warum ich mir deswegen nicht länger selbst gehören soll und warum du über mich verfügen willst, nur um deine Feinde zu kränken, so als seien meine eigenen Wünsche völlig unerheblich.«

Athanaric warf mir einen Blick voller Bewunderung und Stolz zu. Mir wurde schwindelig, als ich es bemerkte. Die Goten starrten mich mit einer Art widerwilligem Respekt an. Frithigern und seine Gefolgsleute blickten wütend. Hinter ihnen erkannte ich Amalberga, die mich entsetzt ansah. Ich bemerkte, wie sie versuchte, ihrem Gemahl ein Zeichen zu geben. Ich wußte, was sie ihm bedeuten wollte: »Laß es gut sein für den Augenblick, ich werde mit Charis sprechen, du wirst auf keinen Fall etwas bei ihr ausrichten, wenn du sie anbrüllst.« Aber was eine Ehe anbetraf, würde sie wohl kaum mehr ausrichten als ihr Mann.

»Du unverschämtes, hochmütiges Weib!« rief Frithigern, dann gelang es Amalberga, seinen Blick auf sich zu lenken. Er zögerte, und sie eilte auf ihn zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er sah wieder zu mir hin, kaute auf seinem Bart herum, und Amalberga flüsterte erneut. Dann schlug Frithigern auf die Lehne seiner Ruhebank. »Es hat keinen Zweck, einer überheblichen Frau, die sich dauernd wie ein Pfau spreizt, vernünftig zureden zu wollen, es sei denn, eine andere Frau versucht es. Wenn meine Gefährten einverstanden sind, erkläre ich die Audienz für beendet. Vetter Athanaric, ich werde kein Lösegeld für meine Gefangene nehmen. Wenn du über einen Waffenstillstand mit uns verhandeln willst, dann bist du willkommen. Andernfalls fordere ich dich auf, das Lager bis morgen abend vor Sonnenuntergang zu verlassen.«