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Alle begannen erneut durcheinander zu reden, rund um mich herum sprachen sie über mich, aber nicht mit mir. Colias sprang vom Podium herunter und eilte auf Athanaric zu. Die gotischen Gefolgsleute liefen planlos im Kreis herum. Ich stand da wie betäubt. Dann trat Amalberga auf mich zu und ergriff meinen Arm. »Du solltest besser mit mir kommen«, sagte sie und warf Athanaric, der bereits hinausbegleitet wurde, einen ängstlichen Blick zu. Ich sah ihn ebenfalls an; unsere Blicke trafen sich, und er zuckte die Achseln. Ich ging mit Amalberga mit.

Wie ich erwartet hatte und wie Frithigern vorausgesagt hatte, setzte sie mir hart zu. Natürlich, meinte sie, sie verstünde meine Gefühle, doch was sei denn so schlimm daran, einen gotischen Edelmann zu heiraten? Sie verstünde jetzt, warum ich Edico abgewiesen hätte, meinte sie; natürlich, er war von viel niedrigerem Rang als ich – aber jetzt würden sie jemanden wirklich Vornehmen für mich finden, einen Mann mit römischer Bildung. Da war zum Beispiel Munderich, ihr Vetter, der vor dem Krieg viel umhergereist war und ein Jahr in Konstantinopel verbracht hatte; er denke daran, sich zu verheiraten, und werde allgemein als gute Partie betrachtet. Ob ich denn nicht sähe, wie erfreut die Leute bei dem Gedanken seien, daß ich eine der ihren werde?

»Ich freue mich aber nicht«, entgegnete ich. »Ich möchte nicht in ein Volk hineinheiraten, daß sich mit meinem eigenen im Krieg befindet. Warum gehst du nicht und sprichst mit Frithigern? Siehst du denn nicht, daß du mir meine Freiheit schuldest? Warum ergreifst du nicht die Gelegenheit und zeigst mir deine edle Gesinnung, indem du mir die Freiheit schenkst?« Sie blickte zu Boden, wurde rot, und ich sah, daß sie sich ihrer Schuld mir gegenüber bewußt war, aber daß sie es nicht zugeben konnte, da sie wußte, daß ihr Mann mich niemals ziehen lassen würde.

»Du würdest doch nicht jeden Mann töten, der dich heiratet, nicht wahr?« lenkte sie ab.

»Jeden Mann, der mich gegen meinen Willen nimmt. So habe ich es gesagt, und so habe ich es auch gemeint.« Ich war mir selbst nicht ganz sicher, ob es der Wahrheit entsprach. Es ist eines, großartige Reden zu halten, aber es ist etwas ganz anderes, einen jungen Mann aus Fleisch und Blut zu erstechen oder zu vergiften. Aber ich hatte es gesagt, und vielleicht bestand ja kein Anlaß, die Probe aufs Exempel zu machen, falls ich die Goten in dem Glauben ließ, ich würde mein Wort auf jeden Fall halten. Deshalb starrte ich entschlossen vor mich hin und sagte: »Was ich über diesen Mann in Novidunum gesagt habe, stimmt ebenfalls. Er hieß Xanthos; du kannst Edico über ihn ausfragen.«

Amalberga sah mich nachdenklich an, dann seufzte sie.

»Meine Liebe«, sagte sie, »du mußt einsehen, daß wir dich nicht gehen lassen können. Selbst wenn du niemanden aus unserem Volk heiraten willst, können wir es uns nicht leisten, dich freizulassen. Wir könnten die Hilfe deines Bruders benötigen.«

Ich erwiderte ihren Blick und wurde ebenfalls nachdenklich.

»Du glaubst, ich sollte heiraten, um nicht als Geisel benutzt werden zu können?« fragte ich. »Du glaubst, daß ich einen derartigen Schutz benötige? Würdet ihr mich töten oder foltern lassen, um von Theodoros irgendwelche Zugeständnisse zu erlangen?«

Sie wich meinem Blick aus. »Wir könnten gezwungen sein, dich gegen Getreide und nicht gegen Gold zu verkaufen«, antwortete sie einen Augenblick später. »Es gibt nicht mehr viel Lebensmittel nördlich der Hämusberge, und wenn die Beutezüge noch länger ausgesetzt werden, werden uns die Vorräte ausgehen. In Tomis gibt es jede Menge Getreide, und der Statthalter könnte uns etwas davon abgeben.«

»Und wenn mein Bruder mich nicht freiwillig kauft, dann würdet ihr mich foltern oder wenigstens damit drohen, um ihn dazu zu zwingen? Obwohl ihr mir gegenüber zur Gastfreundschaft verpflichtet seid und in meiner Blutschuld steht, da ich dich gesund gemacht habe?«

»Wenn die Leute erneut Hungersnot leiden, werden wir alles tun«, erwiderte sie und blickte mir in die Augen. »Es sei denn, du bist verheiratet und eine von uns.«

Ich stand auf. Ich brauchte ein wenig Bewegung, um mich zu beruhigen. Ob Amalberga die Wahrheit sagte? Oder versuchte sie nur, mir Angst zu machen, damit ich ihrem Manne gehorchte? Ich konnte nicht glauben, daß Frithigern mir wirklich etwas antun würde. Ich war sein Gast. Außerdem war ich ihnen in höchstem Grade nützlich, war ihnen allein aufgrund meiner medizinischen Fähigkeiten mehrere hundert Pfund in Gold wert.

Auf der anderen Seite ist Hunger wirklich etwas Schreckliches. Niemand kann sagen, was die Menschen tun oder nicht tun werden, wenn sie wirklich hungrig sind.

Aber die Tage des Hungers lagen noch weit entfernt, falls sie überhaupt drohten. Die Goten mochten bis zum Winter bereits eine vernichtende Niederlage erlitten haben. Dann war ich vielleicht bereits tot oder aber frei. Oder die Römer verloren die nächste Schlacht, und die Beutezüge würden genügend Lebensmittel einbringen. Und vielleicht wurde Thorion bald als Statthalter abgelöst, und es wäre zwecklos, mich länger als Geisel zu behalten, wenn ein Fremder über Skythien herrschte. Nein, ich vermochte die Drohung nicht ernst zu nehmen.

»Ihr werdet es nicht schaffen, mich gegen meinen Willen zu verheiraten«, erklärte ich und wandte mich erneut Amalberga zu. »Wenn ihr mich nicht nach Hause gehen lassen wollt, dann laßt alles so, wie es ist. Ich werde damit fortfahren, die Kranken zu behandeln und niemandem zu schaden – solange ihr mir meine Freiheit laßt.«

»Das einzige, was wir nicht können, ist, dir deine Freiheit zu lassen«, erwiderte die Königin traurig. »Aber laß es für den Augenblick gut sein. Wir können es uns erlauben, abzuwarten.«

19

Ich wünschte mir verzweifelt, mit Athanaric sprechen zu können, um herauszufinden, was bei den Römern los war und wie es meiner Familie und meinen Freunden ging. Aber als ich Amalberga bat, ein Zusammentreffen mit ihm zu ermöglichen, weigerte sie sich, und mir wurde klar, daß ich isoliert werden sollte, abgeschnitten von jedem, der mich in meinem Entschluß bestärken könnte. In jener Nacht wurden mir meine Schuhe und Gewänder fortgenommen, so daß ich nach Einbruch der Dunkelheit nicht hinausschlüpfen konnte, und am nächsten Morgen wurde ich von Wachsoldaten in das Hospital geleitet und wie ein Gefangener in Edicos Obhut übergeben. Edico machte einen verlegenen Eindruck.

»Ich wußte nicht, daß du eine Edelfrau bist«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich dich beleidigt habe, edle Charis.«

»Ach, sei doch still!« entgegnete ich ärgerlich. »Meine Familie ist nicht annähernd so bedeutend, wie jedermann hier zu glauben scheint; sie hat ganz einfach Geld. Das einzige, was mich beleidigt, ist, wenn ihr darauf besteht, mich die ganze Zeit über bewachen zu lassen.«

»Der König hat angeordnet, dir auf keinen Fall eine Gelegenheit zur Flucht zu geben«, meinte Edico und machte einen höchst unglücklichen Eindruck. »Es tut mir leid, aber ich muß darauf bestehen, daß ab sofort immer jemand bei dir ist.«

Ich verwünschte ihn leise und wandte mich ab, um einige Arzneimittel zuzubereiten. Das waren ja wirklich schöne Aussichten! Einer der Gehilfen kam zu meiner Bewachung; ich zog ihn gleich zur Arbeit heran, ließ ihn die Alraunwurzel zerreiben und fragte mich, wie das Ganze enden sollte. Gegen Ende des Vormittags ging ich, um nach meiner Patientin mit dem Kaiserschnitt zu sehen. Ich hatte sie bei sich zu Hause behandelt. Die Hebamme begleitete mich. Ich ging sehr schnell und blickte mich überall im Lager aufmerksam um, und die Hebamme mußte rennen, um Schritt mit mir zu halten. Vor dem Wagen der Frau fiel ich beinahe über Athanaric. Er saß in aller Ruhe beim nächstgelegenen Brunnen, schärfte sein Schwert, und sah von Kopf bis Fuß gotisch aus. Ich blieb unvermittelt stehen und sah ihn an. Er blickte schnell zu dem Wagen und schüttelte den Kopf. Ich begriff, was er damit sagen wollte, und tat so, als wartete ich nur darauf, daß die Hebamme mich einholte, dann betrat ich den Wagen.