Und dann wurdest du der Zauberei angeklagt. Deine eigenen Sklaven dachten, du wärest ein Zauberer, und einer ihrer Gründe dafür war, daß du immer allein gebadet und dich ohne Hilfe angekleidet hast. Aber ich dachte mir nichts dabei. Eunuchen haben ihre Gründe, zurückhaltend zu sein. Und dann behandelte dich der Statthalter von Skythien wie ein Bruder. Nun schön, überlegte ich, es ist ja der Theodoros, den du von früher her kanntest, vielleicht schuldet er dir großen Dank. Ein oder zweimal sagte er ›sie‹, als er von dir sprach – ein Versprecher oder ein kleiner Scherz? Sicher, all das verwirrte mich, aber ich brachte Chariton den Arzt immer noch nicht mit Theodoros’ Schwester zusammen – außerdem hatte ich deinen Namen noch nie gehört; die Leute erwähnen den Namen einer jungen Edelfrau nicht.
Und dann jener Abend in Marcianopolis – Festinus brütete immer noch über der ihm zugefügten Kränkung und trug sie Theodoros nach, aber er hat dich nicht erkannt! Du allerdings hattest Angst vor ihm. Ich hegte immer noch keinen Verdacht, jedenfalls nicht bewußt, doch ich fühlte immer stärker, daß ich etwas wußte, was mir nur noch nicht klargeworden war. Und du zitiertest ein paar Verse, von denen du sagtest, Festinus hätte sie einst zitiert, aber du hast sie falsch zitiert und ›Charis‹ gesagt, wo es im Gedicht ›Chloe‹ heißt. Die Vermutung lag nahe, daß Festinus diese Verse einmal in Gegenwart eines Mädchens namens Charis zitiert hatte, aber hätte er das in Gegenwart eines der Eunuchen von Theodoros getan? Deshalb bat ich dich um Hilfe, und du hast mir sehr energisch erklärt, ich solle die Angelegenheit auf sich beruhen lassen – und ich dachte mir immer noch nichts dabei. Oder besser gesagt, ich wollte mir nicht eingestehen, was ich mir gedacht hatte.
Nun gut, danach hatte ich dauernd zu tun. Ich verhandelte mit Frithigern, ging zurück und verhandelte mit Lupicinus, und dann ritt ich zwischen Antiochia und Hadrianopolis hin und her. Und ich war viel zu beschäftigt, um an irgend etwas anderes zu denken als an die Probleme im Zusammenhang mit den Goten. Schließlich wurde ich für ein paar Wochen in Antiochia festgehalten, mußte verschiedenen Hofbeamten Bericht erstatten und mit ihnen eine ganze Reihe wichtiger Dinge erörtern. Doch ich konnte sie nicht überzeugen. Eines Abends saß ich mit einem Freund zusammen, wir tranken reichlich, und als ich nach Hause kam und einschlief, träumte ich von dir. Was, will ich lieber nicht erzählen. Auf jeden Fall warst du in diesem Traum eine Frau, und als ich mit stechenden Kopfschmerzen aufwachte, dachte ich: ›Jesus Christus, was für ein verrückter Traum.‹ Und dann dachte ich: ›Beruht er vielleicht auf Wahrheit?‹ Und dann fügte sich alles ineinander. Aber ich war mir immer noch nicht sicher, nicht sicher genug jedenfalls, um deswegen einen Bericht zu verfassen. Statt dessen fragte ich überall nach jemandem, der Theodoros von Ephesus kannte, und ich trieb einen Assessor im Büro des Statthalters auf, einen Burschen namens Kyrillos. Nach ein paar Bechern Wein und ein paar geschickten Fragen hatte ich die ganze Geschichte aus ihm herausgebracht. Mir war so, als habe mir jemand einen Fußtritt versetzt – und ich hätte mir selbst einen Tritt versetzen können, so dämlich gewesen zu sein. Aber dann brach der Krieg aus, und ich mußte andauernd irgendwelche Botschaften hierhin und dorthin bringen. Deshalb konnte ich erst eine Woche nach deiner Gefangennahme nach Skythien kommen. Sebastianus war deswegen immer noch wütend auf seine Tribune. Aber er erzählte mir, es seien Gerüchte im Umlauf, die Goten hätten herausgefunden, daß du eine Frau bist, und er fragte mich, was ich davon hielte. Ich raufte mir die Haare und verwünschte uns beide, und nach einer Weile tat Sebastianus dasselbe.«
»Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte, als ich zuerst von den Gerüchten erfuhr«, erzählte Arbetio. »Ich glaubte ihnen nicht, bis ich einige entflohene Sklaven in Behandlung hatte, die dich kannten und sie bestätigten. Und sie behaupteten, du würdest Edico heiraten.«
»Das war Frithigerns ursprüngliche Idee. Bevor er wußte, wer ich wirklich bin. Edico war sehr erleichtert, als ich ihm sagte, ich wolle nicht.« Arbetio dachte einen Augenblick lang nach, dann lachte er. Athanaric runzelte die Stirn. »Edico hatte schon immer ein bißchen Angst vor dir«, meinte Arbetio.
»Wahrscheinlich fällt es ihm genauso schwer, dich als Frau anzuerkennen, wie mir.«
»Wir sind Freunde, du und ich«, sagte ich. »Und Kollegen. Wie geht es den übrigen in Novidunum?«
»Gut«, erwiderte er. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, daß wir in deinem Haus gewohnt haben. Ich habe versucht, mich genausogut um deinen Haushalt zu kümmern wie um meinen, und dafür konnte ich das neue große Haus gut gebrauchen.«
»Behalte es«, sagte ich, »als Geschenk von mir. Ich brauche es nicht mehr; ich verlasse Thrazien und gehe wieder nach Alexandria.«
Athanaric zuckte zusammen. »Hoffentlich verbietet dir dein Bruder, Bithynien zu verlassen«, sagte er grob. »Er hätte dir von Anfang an nicht erlauben dürfen, nach Alexandria zu gehen. Und falls er dich zurückkehren läßt, ist er ganz einfach ein Narr. Eine Frau hat in einer derart gefährlichen Stadt nichts zu suchen, vor allem nicht, wenn sie auf eigene Faust dort praktizieren will.«
Ich sah ihn zuerst überrascht, dann wütend an. »Du mußt immer alles verallgemeinern«, fuhr ich ihn an. »›Frauen sollten die Heilkunst nicht praktizieren.‹ Ich habe in Alexandria gelernt, daß jeder Fall für sich betrachtet und dementsprechend behandelt werden muß. Ich stamme aus einer guten Familie in Ephesus, bin eine Anhängerin Roms und schätze die Lehre des Hippokrates; außerdem bin ich eine Frau. Die ersten drei Dinge sind jedoch mindestens so wichtig wie das letzte. Und wenn du die ersten drei berücksichtigst, dann gibt es keinen Grund dafür, warum ich nicht nach Alexandria gehen sollte.«
»Ich habe nichts davon gesagt, daß Frauen keine ärztliche Praxis führen sollten!« erwiderte Athanaric gereizt. »Und ich habe ganz bestimmt nichts davon gesagt, daß du es nicht solltest; ich sehe gar nicht ein, warum du plötzlich aufhören solltest. Aber es ist dir gelungen, dir bereits in vier Provinzen Ärger einzuhandeln. Und es genügt nicht, einfach nur zu versprechen, du würdest diesmal vorsichtiger sein. Wenn du nach Alexandria gehst und Bischof Petrus als Patienten annimmst, beschuldigt man dich am Ende wahrscheinlich der Aufwiegelung und Ketzerei. Und so wie ich dich kenne, gehe ich jede Wette ein, daß dort auch bereits irgend so ein Flegel auf dich wartet, um dich zu heiraten. Du mußt jetzt schon die am häufigsten unverheiratete Frau des römischen Kaiserreichs sein – Festinus und Kyrillos und Edico und die Hälfte der gotischen Edelleute, ganz zu schweigen von Sebastianus. Sei doch um Gottes willen einmal in deinem Leben vernünftig! Warte ab, was in Alexandria und was hier in Thrazien geschieht, bevor du dich für irgend etwas entscheidest. Du kannst von Glück sagen, daß du überhaupt noch am Leben bist! Und so wie du aussiehst, könntest du sowieso etwas Erholung gebrauchen.«
Ich biß mir auf die Zunge. Was er sagte, klang vernünftig, obwohl ich es mir auf keinen Fall eingestehen wollte. Nach Carragines war der Gedanke an Alexandria allzu verführerisch.