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»Ich habe einen Brief an meinen Wohltäter geschrieben. Ich gehe zum Hafen hinunter, um ihn aufzugeben«, entgegnete ich.

»Möchtest du, daß ich dir etwas mitbringe?«

»Könntest du einige Oliven und ein bißchen frischen Käse kaufen?« fragte sie. »Dann brauchen wir am Sabbat nichts zu holen. Ich gebe dir das Geld dafür – hier. Danke.«

Ich sah Philon an. Er zog an seiner Unterlippe. »Da ist noch dieses Präparat für den alten Serapion…«

»Oliven, frischen Käse, Zaunrübenwurzel und Opium«, sagte ich. »Dann wünsche ich euch also einen schönen Sabbat.«

Vom Sonnentor aus lag der Eunostoshafen auf der anderen Seite der Stadt. Aber ich war es inzwischen gewohnt, weite Wege zu machen, und benutzte die Zeit dazu, über medizinische Probleme nachzudenken. Die Straßen waren jetzt am Abend wieder sehr belebt. Die Kühle der Dämmerung veranlaßte die Menschen dazu, hinauszugehen, um etwas zu kaufen oder zu verkaufen oder um ganz einfach herumzuschlendern, zu tratschen und sich ein wenig umzuschauen. Huren aller Preislagen waren auf der Suche nach Kunden. Die gewöhnlichen Mädchen standen in den Säulengängen und lächelten, sie zogen ihre dünnen Tunikas aus Leinen hoch, um ihre Beine zu zeigen und die vorübergehenden Männer dazu einzuladen, etwas mit ihnen zu trinken. Von Zeit zu Zeit glitt eine teuer gekleidete Kurtisane in kostbaren Seidengewändern in einem vergoldeten Tragesessel vorbei und sah verächtlich auf ihre ärmeren Schwestern herab. Ganz ohne es zu wollen, bekam auch ich einen Bewunderer ab, einen nervösen alten Mann in einer grellen, orangefarbenen Tunika, der mir vom Somaplatz aus bis zum Ende des Tetrapylon folgte. Schließlich rannte er mir nach und bot mir ein Alabasterfläschchen mit Weihrauch an, wenn ich mit ihm nach Hause käme. »Du bist ein hübscher Junge«, sagte er und warf mir schmachtende Blicke zu. »Ich werde gut zu dir sein.«

»Nein danke«, sagte ich zu ihm. »Ich bin ein Eunuch, und außerdem studiere ich Medizin.«

»Aber das macht doch nichts!« sagte er und hielt mich am Arm fest.

»Ich bin nicht zu haben«, sagte ich nachdrücklich und zog meinen Arm fort.

Er machte einen niedergeschlagenen Eindruck, und ich lächelte, nickte ihm höflich zu und setzte meinen Weg zum Hafen schnellen Schrittes fort. Er folgte mir noch ein kleines Stück, dann gab er auf. Ich sah ihn auf der Suche nach jemand anderem zum Somaplatz zurückschlendern. Ich dachte daran, wie entsetzt ich vier Monate zuvor bei ähnlichen Angeboten gewesen wäre, und lächelte erneut. Seit dieser Zeit schien ein ganzes Leben vergangen zu sein.

Als ich zum Eunostoshafen kam, wurde der Pharos gerade entzündet. Die Hafenarbeiter hatten die Arbeit des Nachmittags beendet und steuerten geräuschvoll die Tavernen an oder gingen nach Hause. Die rundbäuchigen Handelsschiffe hoben und senkten sich mit den kleinen Wellen und verursachten ein knirschendes Geräusch an den Kais. Ich machte ein Kornschiff ausfindig, das am nächsten Tag nach Konstantinopel auslaufen sollte, und gab dem Schiffsherrn meinen Brief. Ich versprach ihm, Thorion werde ihn für seine Mühe belohnen, sobald er ihm den Brief aushändige. Dann ging ich über die Via Canopica zurück. Inzwischen war es dunkel. Die Säulengänge des Tetrapylon waren erleuchtet, sie glänzten im Licht der Öllampen und funkelten nur so vor lauter Waren: Ich hatte keine Mühe, den Käse und die Oliven zu finden. Der Laden, den ich für gewöhnlich wegen der Arzneimittel aufsuchte, lag abseits der Via Soma, unweit des Platzes. Es war ein enger, kleiner und dunkler Laden. Von seiner Vorderseite bröckelte der Putz ab, und nichts deutete darauf hin, was in ihm verkauft wurde. Philon hatte ihn mir gezeigt. Im Innern waren die Wände mit Regalen vollgestellt, in denen unzählige Lindenholzkästchen mit getrockneten Kräutern standen. Im Schein einer einzelnen Lampe leuchteten verschiedene Messinggefäße mit Augensalben. Es roch nach Myrrhe, Aloe, Kassiaschoten. Die stark duftenden Kräuter überlagerten den Geruch der weniger angenehm riechenden. Als ich eintrat, bereitete der Ladeninhaber gerade etwas im Hinterzimmer zu. Ich klopfte auf die Theke, und er kam herein. Mit einem Lächeln erkannte er mich und holte das Opium und die Zaunrübenwurzel hervor, ohne allzuviel zu handeln. Ich setzte meinen Weg nach Hause fort.

In der Nähe des Sonnentores war es dunkler. In dieser Gegend hatten die Ladeninhaber ihre Läden bereits geschlossen und waren nach Hause gegangen. Ich ging schneller und hielt ein wenig Abstand von den unbebauten Flächen des Broucheionviertels. Meine Füße schienen den Weg zu Philon allmählich von selbst zu kennen: Es war eigenartig, wie sehr ich mich hier zu Hause fühlte. Als ich ankam, hörte ich die Familie singen und den Sabbat begrüßen, und ich hielt inne, um zu lauschen. Es war ein glücklich klingender Gesang, der in die Dunkelheit hinaustönte und von der Wärme des Hauses und dem Glück der Familie kündete.

Sie hörten auf zu singen, und Philon sprach den Segen. Dann hörte ich, wie er Harpokration fragte, ob ich schon zurück sei.

»Ich hoffe, er hat keine Schwierigkeiten, die Zaunrübenwurzel zu finden«, sagte er.

»Er sollte nachts nicht so herumlaufen«, meinte Deborah. »Es ist viel zu unsicher, vor allem für einen Fremden und Eunuchen! Und einen Brief für seinen Wohltäter aufzugeben! Das ist mir ein schöner Wohltäter, der ihn herkommen läßt, ohne vorher etwas ausgemacht zu haben, und der ihm nicht einmal Geld mitgibt. Ich frage mich, was wirklich dahintersteckt.«

Ich wollte gerade klopfen, um meine Ankunft anzukündigen, doch diese Bemerkung ließ mich unvermittelt stehenbleiben. Wie verdächtig klang meine Geschichte in ihren Ohren? Hatten sie etwas vermutet? Ich blieb wie angewurzelt stehen, das Blut summte in meinen Ohren, meine Hand hielt ich immer noch erhoben, um an die Tür zu klopfen.

»Machst du dir seinetwegen Sorgen?« fragte Philon, und sein Tonfall klang amüsiert. »Was für eine Veränderung in ein paar kurzen Monaten! Damals hast du dir Sorgen gemacht, er könne Theophila verderben und verführen.«

Es war das erstemal, daß ich davon hörte. Deborah hatte ihre Empfindungen sehr gut verborgen. Sie war mir immer nur höflich und voller Respekt entgegengetreten.

»Zieh mich doch nicht auf«, sagte sie zu ihrem Mann. »Das war nur am Anfang. Er ist ein entzückender Junge, und das einzige, was Theophila von ihm lernen könnte, sind ein paar gute Manieren. Ich möchte wetten, daß er aus einem vornehmen Haus stammt, er ist so höflich – und er würde nicht mit offenem Mund kauen, Theophila, Liebling, reiß dich bitte zusammen! Trotzdem finde ich es merkwürdig, ihn herzuschicken. Und er war sogar dazu gezwungen, seinen ererbten Schmuck zu verkaufen, um davon leben zu können. Etwas muß in jenem Haus schiefgegangen sein. Das, oder sein Wohltäter hat ihn ungehörig behandelt.«