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»Wer ist dieser Götzenanbeter?« fragte der fremde Mönch. Er trug eine Tunika aus grober Wolle, die ihm bis zu den Knöcheln reichte. Er war barfuß, hatte einen Bart und lange Haare, und er war sehr schmutzig.

»Herr«, sagte ich so höflich wie möglich zu ihm, »ich bin Chariton, ein Assistent von Philon, dem Arzt. Ich komme wegen einer Patientin. Die Brüder hier kennen mich.«

»Du bist ein Eunuch«, sagte der fremde Mönch. Er sprach mit dem Akzent der Leute vom oberen Nil, der wie ein Singsang klang. »Die arianische Ketzerei, die den Sohn Gottes leugnet, wird von Eunuchen unterstützt. Man kann von ihnen nicht erwarten, daß sie das Wort Sohn überhaupt verstehen, denn ihre Körper sind fruchtlos und ihre Seelen bar jeglicher Tugenden! Was willst du hier unter den Tugendhaften, Sohn der Verdammnis?«

O mein Gott, dachte ich, war der Erzbischof etwa gestorben?

»Herr«, erwiderte ich und erinnerte mich an Philons Rat, Geduld aufzubringen, »ich bin kein Arianer; ich halte die Wahrheit ebenso wie du in Ehren. Mein Eunuchendasein ist nicht freiwillig, und ich bin wegen einer Patientin gekommen, einer kranken Frau, die im Kindbettfieber liegt. Sie hat keine Familie hier, ihr Mann muß die Stadt morgen verlassen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und wir wollten sie gerne eurer Barmherzigkeit empfehlen.«

»Er ist kein Arianer«, bestätigte einer der Mönche, den ich kannte und der sich selbst Markus nannte, nach dem Apostel.

»Er ist ein Assistent des Philon, eines Juden, selbst jedoch ein guter nizäischer Christ.«

»Ein Eunuch, der einem Juden zur Hand geht?« brüllte der Fremde. »Ein Dämon, der einem Teufel zur Hand geht! Was kann gutes aus einer solchen Partnerschaft entstehen? Er ist gekommen, um die Gläubigen auszuspionieren, und er hat dich, Markus, belogen, um dein Vertrauen zu gewinnen und dich an den Statthalter oder den ägyptischen Heerführer zu verraten!«

Hierauf erhob sich ein allgemeiner Tumult. Die Mönche sprangen auf und starrten mich mit funkelnden Augen an, und plötzlich wurde mir klar, daß es ernst war, nicht einfach wirres Gerede. Ich bekam es mit der Angst zu tun. »Herr«, wiederholte ich betont langsam und versuchte, das Zittern meiner Hände zu verbergen, »ich bin wegen einer Patientin gekommen. Die Brüder hier kennen mich. Ich bin schon des öfteren wegen irgendwelcher Patienten gekommen. Noch nie aus einem anderen Grund. Du hast unrecht, Herr.«

Der starre Ausdruck in den Augen einiger Mönche verlor sich. Markus nickte. »Er ist ein guter Arzt«, meinte er an den Fremden gewandt. »Er und sein Meister behandeln die Kranken umsonst. Wir haben keinen Grund zu glauben, er könne unser Feind sein.«

»Das ist nur die heimtückische Gerissenheit des Teufels!« rief der Fremde. »Wir haben gerade gehört, daß der falsche Gott, der Kaiser aller Ketzer, unseren Herrn und Vater, Bischof Athanasios, absetzen und vertreiben will. Wir kommen zusammen, um zu beten und zu beraten, was wir deswegen unternehmen können, und siehe da! Ein Eunuch, genau wie so ein Eunuch vom Hof, spaziert hier herein, steht einfach da und belauscht uns, ohne Zweifel mit der Absicht, zurückzugehen und alles Gehörte weiterzugeben! Er ist ein Spion!«

Ich rührte mich nicht vom Fleck. Ich wußte, daß sich auf der Stelle mindestens einige der Mönche auf mich gestürzt hätten, falls ich es doch tun sollte. Ich sah jetzt, daß sie selbst Angst hatten. Große Angst. Ich fragte mich, was sie wohl in ihrer Muttersprache so erregt miteinander besprachen – etwas, das ihnen vielleicht sogar die Todesstrafe einbringen konnte. Ob es stimmte, daß der Erzbischof von neuem des Landes verwiesen werden sollte? Ich dachte an das Kampfgetümmel unten bei den Schiffswerften, dessen Lärm ich gehört hatte. Wahrscheinlich lag der Grund dafür in dem gleichen Gerücht. Aber mehr als ein Gerücht konnte es nicht sein. Es hatte keine öffentliche Bekanntmachung gegeben: Ich hätte heute morgen im Tempel bestimmt davon gehört.

»Ich habe überhaupt nichts gehört«, sagte ich, »und ich weiß nichts von einer Verbannung. Freunde, ich bezweifle, daß etwas Wahres an diesem Gerücht ist. Ich bin kein Spion. Ich verstehe nicht einmal koptisch.« Ich hielt inne und überlegte verzweifelt, was ich sonst noch sagen könnte.

Der fremde Mönch spuckte verächtlich aus und brüllte: »Alles Lügen!«

»Dann glaubt mir eben nicht!« fuhr ich ihn meinerseits wütend an und vergaß meine Geduld. »Es stimmt trotzdem. Und ich nehme an, daß die Brüder hier besser Bescheid wissen als du. Du bist ein Fremder hier, oder?«

Im ganzen Raum konnte man das Scharren vieler Füße vernehmen. Die Mönche sahen den Fremden an, sahen mich an und sahen sich gegenseitig an. Immer noch rührte sich keiner, um über mich herzufallen. Selbst wenn sie es täten, bezweifelte ich, daß sie mich töten würden. Die unvermeidliche Entdeckung, daß ich in Wirklichkeit eine Frau war, würde ihnen sofort Einhalt gebieten. Dieser Gedanke machte mich selbstsicherer. »Wo hast du von dieser Verbannung gehört?« fragte ich den Fremden und redete schnell in die Stille hinein, bevor er von neuem Verdächtigungen gegen mich vorbringen konnte. »In der Stadt ist nichts davon bekanntgegeben worden.«

»Sie haben den Nil hinunter Truppen in Bewegung gesetzt«, entgegnete der Fremde und bedachte mich mit einem feindseligen Blick. »Und die Soldaten sagen, daß sie in der Stadt für Ordnung sorgen sollen, weil man Aufstände erwartet. Aber das weißt du doch ganz genau, Sohn der Verdammnis. Ich bin den Nil heruntergekommen, um die Brüder vor diesen Ereignissen zu warnen – du siehst, ich habe keine Angst vor dir! Ich bin Archaph, ein Diener Gottes und des Erzbischofs, und ich werde ihnen bis zu meinem Tode dienen!«

»Und diese Brüder hier«, entgegnete ich ihm scharf, »stehen ebenfalls im Dienste Gottes und des Erzbischofs. Ihr Dienst besteht darin, sich um die Kranken zu kümmern, und davon scheinst du, Archaph, sie durch wilde Gerüchte über Truppenbewegungen abzuhalten. Meine Patientin ist schwer krank; sie ist sehr jung, hat große Schmerzen und ist ganz allein mit ihrem Säugling, um den sich niemand kümmert – und was ist mit den übrigen Kranken hier, während wir herumstehen und uns gegenseitig anbrüllen? Sie könnten sterben, und niemand ist mehr da, um ihnen beizustehen!«

Jetzt machten Markus und einige der übrigen Mönche einen besorgten Eindruck. Doch Archaph sagte: »Wenn es nach den Ketzern geht, werden sie alle sterben. Wenn wir alle wegen unseres Glaubens verfolgt werden und in das Gefängnis geworfen werden, dann sind sie alle dem Tode anheim gegeben. Schenkt dieser Kreatur kein Gehör, Brüder. Diesem spionierenden Zwitter mit seinen vergifteten Worten, die geeignet sind, Hader zwischen uns zu stiften. Jeder Patient eines Juden und eines Eunuchen muß ein Ketzer sein. Ihr solltet keine Patienten von solchen Leuten nehmen. Sie werden, genau wie Hunde, bloß die Hand beißen, die sie heilt.«

Er streckte seine ausgemergelten, alten Arme zum Himmel. An seinen Schultern und Oberarmen sah ich die weißen Narben von Peitschenhieben, und jetzt erst bemerkte ich auch die Schwielen, die von Fesseln um seine Handgelenke herrührten. Die anderen Mönche sahen sie ebenfalls, und ließen eine Art grollendes Knurren hören. »Denkt daran, wie Gregorios uns mit Dornen schlug!« brüllte Archaph. »Denkt daran, wie Georges die Gläubigen folterte und auspeitschte! Denkt an die Listen des Präfekten Philagrios, die er aufgrund der Berichte seiner Spione zusammenstellte. Denkt an die Qualen, die er uns zufügte, als unser Herr Athanasios in der Verbannung war!«

Die Mönche dachten daran und begannen, sich auf mich zuzubewegen.

»Ich rufe den Erzbischof um Gerechtigkeit an«, schrie ich und hob meine Stimme, um das laute Getöse, mit dem die Pfleger Archaphs Worte begrüßt hatten, zu übertönen. Es gelang: Bei der Erwähnung ihres geliebten Athanasios verfielen sie in erneutes Schweigen. »Wenn ihr wirklich glaubt, daß ich ein Spion bin«, fuhr ich fort, »dann könnt ihr das ja seiner Heiligkeit erzählen und mich aus der Stadt jagen lassen. Aber in der Zwischenzeit wäre es ganz gut, wenn sich jemand um die Kranken kümmern würde.«