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»Bist du Arzt?« fragte Athanasios mich.

»Ich bin Student, Eure Heiligkeit«, erwiderte ich. »Ich bin der Assistent von Philon, dem Juden. Wir haben eine Patientin, eine Christin, die wir gerne im Hospital untergebracht hätten, weil sie arm ist und ihr Mann die Stadt verlassen muß, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin ihretwegen zum Hospital gegangen. Doch ich habe wohl einen schlechten Zeitpunkt gewählt.«

»Was kann schon gutes von einem Juden und einem Eunuchen kommen?« fragte Archaph heftig. »Sie sind Spione und wollen noch mehr Spione und Ketzer einschmuggeln, um uns zu beobachten!«

»Gibt es denn etwas, das sie ausspionieren könnten?« fragte Athanasios ihn und lächelte ein wenig. Dann zuckte er die Achseln. »Man kann derartige Angelegenheiten schwerlich zwischen Tür und Angel regeln. Kommt rein – du, Archaph, und du, Markus… und du, Eunuch. Der Rest von euch gehe zu seiner Arbeit zurück und bete für den Frieden. Die Stadt ist in diesem Frühjahr in Sorge und Angst und benötigt die Gebete aller gottesfürchtigen Menschen.«

Widerwillig zerstreuten sich die übrigen Mönche, und zusammen mit Archaph und Markus betrat ich den bischöflichen Palast.

Athanasios führte uns durch eine Eingangshalle und einen engen Hof in ein Empfangszimmer. Es war von mehreren Öllampen erhellt. In einer Ecke stand ein mit Büchern beladenes Schreibpult, in der anderen war ein Kohlenbecken aufgestellt worden. Der Raum hatte einen schachbrettartig gemusterten Fußboden ohne jede Mosaiken und war im übrigen völlig kahl. Der Erzbischof ließ sich mühsam am Schreibpult nieder und drehte seinen Stuhl herum, um uns anzusehen. Hinter ihm standen mehrere Diakone und ein weiterer Mönch. Er bedeutete uns mit einer Geste, es uns bequem zu machen, doch niemand setzte sich. Alle blieben stehen und sahen ihn an. »Also«, meinte er, »ich bitte euch, Brüder, sagt mir, was ihr wollt. Ihr habt etwas dagegen, Patienten von einem jüdischen Arzt aufzunehmen, und ihr glaubt, dieser Eunuch spioniere euch nach?«

Archaph und Markus fingen beide gleichzeitig an zu sprechen, dann hielten sie beide inne. »Ich traue keinem Eunuchen, der behauptet, er sei Student der Medizin«, sagte Archaph schließlich. »Er gehört zu der Sorte Mensch, die den Luxus liebt, wie du selbst weißt, Heiligkeit. Und dieser hier ist ein Fremder, doch er hat sich mit einem Juden zusammengetan, obwohl er behauptet, Christ zu sein. Ich bin gerade erst in der Stadt angekommen, und ich weiß auch nicht mehr. Aber du weißt, heiliger Vater, wie sehr man uns haßt und wie viele Ränke unsere Feinde gegen uns schmieden.«

»Gott hat uns beschützt, und er wird uns weiterhin beschützen«, entgegnete Athanasios ruhig. »Ich glaube nicht, daß der Kaiser jetzt gegen uns vorgehen wird. Aber es stimmt, daß er Männer geschickt hat, die jene beobachten sollen, die mich – so wie ihr es tut – unterstützen. Markus, kennst du diesen Eunuchen?«

Markus zögerte. »Er ist der Assistent eines gewissen Philon, eines jüdischen Arztes. Wir haben im vergangenen Jahr auf seine Empfehlung hin mehrere Patienten aufgenommen. Manche sind gestorben, manche haben überlebt. Er und Philon besuchen sie mit großem Fleiß, obwohl sie sich kein Geld dafür erhoffen können. Wenn der eine kein Jude wäre und der andere kein Eunuch, dann würde ich in der Tat sagen, daß diese Ärzte alle beide tugendhafte Männer sind.«

»Hast du irgendeinen Grund für den Verdacht, daß die Patienten Spione gewesen sind?«

»Die Patienten? Nein, wirklich nicht, Heiligkeit. Es waren einfache Leute aus Alexandria. Arme Leute.«

»Keine Juden oder Eunuchen? So, so. Ich glaube nicht, daß es etwas schaden kann, Patienten, die der Teufel schickt, aufzunehmen, sofern sie Christen und auf Barmherzigkeit angewiesen sind. Mein Bruder Archaph ist äußerst eifrig und der Kirche treu ergeben, doch ich glaube, sein Eifer hat ihn hier wirklich ein wenig überwältigt, wie? Eunuch – wie ist dein Name? Bist du ein Christ?«

»Ja, Heiligkeit«, sagte ich und war sehr erleichtert. Wir hörten es jetzt aus dem Munde des Erzbischofs selbst, daß das Hospital unsere Patienten aufnehmen mußte. »Ich bin Chariton, Herr, aus Ephesus, ein nizäischer Christ.«

»Warum arbeitest du dann mit einem Juden zusammen?« Die klaren Vogelaugen sahen mich erneut durchdringend an. »Wie tugendhaft dein Meister auch immer sei, es überrascht mich, daß ein Eunuch aus Ephesus, ein Mann von Bildung und guter Erziehung sowie ein Student der Medizin, sich mit einem Juden aus Alexandria zusammentut. Das ist wie geschaffen dafür, Argwohn zu wecken bei Leuten wie Archaph, die Grund dazu haben, argwöhnisch zu sein.«

Ich lächelte und bewunderte insgeheim die Beobachtungsgabe des alten Mannes. Ich hatte nur ein paar Worte mit ihm gesprochen, und er hatte mich bereits als Mensch von vornehmer Abkunft erkannt. Dieser von Ischyras und Maia so sorgfältig anerzogene Akzent! »Als ich in Alexandria ankam, Eure Heiligkeit, habe ich mich bemüht, bei anderen Ärzten zu studieren, aber sie wollten nicht mit einem Eunuchen zusammenarbeiten. Mein Meister Philon ist ein sehr hochherziger Mann, Herr, ein wahrer Anhänger des Hippokrates, und ich bin sehr zufrieden mit der Ausbildung, die ich bei ihm erhalte.«

»Ein wahrer Anhänger des Hippokrates! Und das bedeutet dir mehr, als wenn er ein Anhänger Christi wäre! Ich vertraue darauf, daß sich seine Ausbildung auf die Medizin beschränkt und dein christlicher Glaube vor ihm sicher ist.«

Mir fiel so rasch keine Antwort darauf ein, und Athanasios beobachtete mich mit einem Ausdruck heimlichen Vergnügens.

»Philon ist ein tugendhafter Mann«, sagte ich endlich. »Er würde seinen Glauben niemals jemandem aufdrängen. Und er hält sich immer und überall an den Eid des Hippokrates.«

»Ich bin froh, dies zu hören«, meinte Athanasios milde.

»Was genau schwört ihr in jenem Eid? Niemanden auszuspionieren?«

»›Was auch immer ich entdecken mag, was ich nicht offenbaren sollte, ich werde es geheimhalten.‹ Ich glaube, dies schließt die Verpflichtung ein, nicht zu spionieren.«

»Und seine christlichen Patienten vertrauen ihm? Du sagtest, ihr hättet im Augenblick eine Patientin, die du gerne im Hospital unterbringen möchtest, war es nicht so?«

»Seine christlichen Patienten können ihm vertrauen, Eure Heiligkeit. Ja, da ist eine Frau mit Kindbettfieber. Sie hat niemanden, der sich um sie kümmert.«

Athanasios schwieg einen Augenblick. Er starrte mich bloß an, dann runzelte er plötzlich die Stirn. Archaph bemerkte es, wurde ganz aufgeregt und blickte mich von neuem mißtrauisch und feindselig an. Der Erzbischof bemerkte es. »Nein«, sagte er zu dem Mönch, »du hast unrecht, Bruder, er ist nicht unser Feind. Aber Gott hat mir soeben etwas offenbart. Junger Mann, ich muß einen Augenblick mit dir allein sprechen. Markus, Archaph, ich bitte euch, eure Angst und euren Zorn zu vergessen. Geht und kümmert euch barmherzig um die Patientin dieses jungen Mannes. Betet für uns, Brüder, so wie wir für euch beten werden.« Er segnete sie, und mit einem überraschten Blick auf ihn und einem Blick unverhüllter Neugier auf mich zogen sie ab. Athanasios nickte auch den Männern aus seinem Gefolge zu. »Laßt uns für einen Augenblick alleine«, befahl er ihnen. »Ich muß mit diesem Eunuchen unter vier Augen sprechen.«

Sie zogen sich zurück und starrten mich ohne große Verwunderung, jedoch einigermaßen neugierig an, so als seien göttliche Enthüllungen nichts Ungewöhnliches, ihre jeweilige Art jedoch ein Grund tiefen Nachdenkens. Ich fühlte mich äußerst unbehaglich. Mir waren die durchdringenden Augen des Erzbischofs unheimlich. Was mochte Gott ihm enthüllt haben? Ich zog es vor, Gott aus dem Spiel zu lassen. Bischof Athanasios war schon aus eigenen Gnaden überzeugend genug.

»So«, sagte er, als die anderen gegangen waren. »Wie lautet dein richtiger Name, junge Frau?«

»Was?« fragte ich ihn. »Ich verstehe nicht.«