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Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Du verstehst sehr wohl. Chariton… vielleicht heißt du Charis? Warum hast du dich verkleidet und täuschst einen Eunuchen vor?«

Ich fühlte mich ein bißchen wacklig in den Knien, und mein Gaumen war ganz trocken. Ich wußte schon wieder nicht, was ich sagen sollte. Leugnen? Oder zugeben und ihn bitten, es niemandem zu erzählen?

»Du brauchst keine Angst zu haben«, meinte Athanasios. »Ich habe… auch so eine Art hippokratischen Eid geleistet. Was auch immer ich entdecken mag, was ich nicht offenbaren sollte, ich werde es geheimhalten.«

»Ja«, sagte ich und schluckte, »ich heiße Charis. Wie hast du es herausgefunden?«

»Gott hat es mir enthüllt.« Er beobachtete mich eindringlich.

»Es war schon überraschend genug, einem guterzogenen Eunuchen zu begegnen, der bei einem jüdischen Arzt Medizin studiert, aber es ist noch überraschender, eine junge, vornehm geborene Frau dahinter zu entdecken. Warum das Versteckspiel?«

Ich schluckte noch einmal. Offenbarte ihm Gott wirklich Dinge, oder waren es ganz einfach seine scharfen und vorurteilslosen Augen? »Ich wollte nicht verheiratet werden, und ich wollte Medizin studieren.«

Mir wurde später bewußt, daß dies vielleicht das Beste war, was ich in der Situation sagen konnte. Bischof Athanasios war ein Asket. Er betrachtete die Ehe als einen minderen Weg des Lebens. Vollkommenheit lag allein in Keuschheit und geistiger Disziplin. Oft hatte er alexandrinische Frauen gegen ihre Familien unterstützt, obwohl ihm dies beträchtliche Feindschaften eintrug. Aber daran hatte ich nicht gedacht, als ich ihm Rede und Antwort stand.

»Medizin«, meinte er mit einem eigenartigen kleinen Stirnrunzeln. »Nun gut, immerhin mag sie zu höheren Dingen führen … Weiß sonst noch jemand davon?«

»In Alexandria niemand«, entgegnete ich. »Mein Bruder hat mir geholfen.«

»Er hat dir geholfen, von deinen Eltern fortzulaufen, aber konnte dir zu keiner Stellung bei einem angesehenen Arzt verhelfen? Ich verstehe. Alle verdächtigen Umstände finden jetzt ihre Erklärung. Es ist ein Jammer, daß du zu einer solchen Maskerade gezwungen bist. Ich habe manchmal gedacht, daß man den Nonnen erlauben sollte, Medizin zu studieren – aber es hat überhaupt keinen Zweck, mit den Gelehrten des Museums darüber zu diskutieren. Gelegentlich geben sie zu, daß eine Frau vielleicht Philosophie studieren könnte, aber Naturwissenschaften: niemals. Obwohl ich manche Nonnen kennengelernt habe, die hervorragende Ärzte abgegeben hätten. Unter ihnen war eine… Nun ja, bist du wirklich eine nizäische Christin?«

»Eure Heiligkeit, ich verstehe nichts von Theologie. Ich verehre dich und werde das glauben, was du glaubst.«

»Du würdest nicht so sprechen, wenn ich dich zu medizinischen Angelegenheiten befragen würde. Du willst damit sagen, daß du nicht an Theologie interessiert bist, nicht wahr? Nun gut, vielleicht findest du später dahin. Was man über Gott denkt, liegt auf dem Grund aller Dinge. Dann studiere also die Kunst des Heilens, Charis von Ephesus. Ich danke dir, daß du ehrlich mit mir warst.«

Etwas hilflos stand ich da und errötete. Vor ein paar Augenblikken hatte ich mich noch wie ein Student der Heilkunst gefühlt; jetzt fühlte ich mich wie ein törichtes kleines Mädchen. »Du wirst es doch niemandem erzählen?« fragte ich ungeschickt.

Er lachte. »Warum sollte ich? Ich finde nicht, daß du irgend etwas Schlechtes tust. Die Anmaßung der Welt und der Ehrgeiz der Männer zwingen Mädchen dazu, zu heiraten, auch wenn sie es selbst gar nicht wollen. Und die Heilkunst ist eine edle Kunst, die unser Herr Jesus Christus selbst ausübte. Es gibt heutzutage zu wenig Ärzte, die ihren Eid ernst nehmen. Aber vielleicht werde ich dich eines Tages um Hilfe bitten, Charis.« Unsere Blicke begegneten sich. Der seine war ruhig, prüfend. Nein, das war nicht als Drohung oder Erpressung gemeint. Aber er wußte, daß er jetzt Macht über mich hatte: Weil er als einziger wußte, wer ich war, wußte er auch, daß er mir vertrauen konnte. Mein Schicksal lag in seiner Hand. Ich verbeugte mich sehr tief. »Wenn Eure Heiligkeit jemals Hilfe von mir wünscht, dann weißt du, daß ich dein Diener bin.«

Athanasios lachte erneut. »Ja, das weiß ich, nicht wahr? Der Segen Gottes möge auf dir ruhen, meine Tochter.« Er machte das Zeichen des Kreuzes, dann fügte er hinzu: »Ich werde einen meiner Priester bitten, dich zum Hospital zurückzubegleiten. In der Stadt herrscht Aufruhr heute nacht, und selbst als Eunuch würdest du Ärger haben.«

Als ich wieder im Hospital war, fand ich dort Philon vor, der sich um unsere Patientin kümmerte. Die Mönche, sogar Archaph, betrachteten mich, die Ursache einer göttlichen Offenbarung, mit beträchtlicher Hochachtung, und diese Hochachtung schien sich sogar auf Philon zu erstrecken. Er war sehr erleichtert, mich zu sehen, zunächst jedoch erörterte er ausschließlich die Probleme unserer Patientin. Um das Fieber zu senken, hatte er ihr eine kleine Dosis gefleckten Schierling gegeben, dazu ein wenig Enzianwurzel, damit sie nicht mehr so stark blutete, und jetzt schlief sie. Für den Säugling hatte er eine Amme gefunden, doch Philon wollte, daß das Kind möglichst bald zur Mutter zurückgebracht wurde, damit sie es zumindest einmal am Tag stillen konnte. Andernfalls bestand die Gefahr, daß sie zu ihrem Kindbettfieber auch noch eine Brustdrüsenentzündung bekam. Die Mönche waren allesamt sehr freundlich und hilfsbereit, und bald konnten wir das Hospital verlassen und uns auf den Heimweg machen.

»Dem Himmel sei Dank, daß dir nichts passiert ist«, sagte Philon, als wir endlich allein waren. »In der Hafengegend war ein großes Geschrei, und der Mann jener Frau kam und berichtete, der Erzbischof solle erneut verbannt werden und die ganze Stadt sei in Aufruhr. Ich schickte ihn hinter dir her, damit du dich vom Hospital fernhieltest. Ich wußte, daß es Ärger mit diesen Mönchen geben würde. Doch es war bereits zu spät. Sie haben dich also zum Erzbischof geschleppt.«

Ich nickte. »Er versicherte ihnen, an dem Gerücht sei nichts dran und sie seien verpflichtet, unsere Patientin zu nehmen.«

»Chariton, du bist ein erstaunlicher Mensch«, erklärte Philon feierlich. »Jeder andere wäre unweigerlich gelyncht worden… Die Mönche haben mir erzählt, der Erzbischof habe allein mit dir sprechen wollen?«

Ich nickte. Philon sah mich einen Augenblick lang prüfend an, doch ich erwiderte seinen Blick nicht. »Und was passierte dabei?« fragte er schließlich.

»Ich glaube, er würde einen besseren Kaiser abgeben als der Augustus Valens«, sagte ich. »Er würde keine Menschen foltern. Er hätte das nicht nötig.«

Philon blieb stehen und ergriff meinen Arm. »Chariton«, sagte er, »er wird doch nicht… Ich weiß, daß du nichts Schlechtes getan hast, aber ich weiß auch, daß es da ein paar Dinge gibt, die du mir verheimlicht hast. Es ist ganz offensichtlich – ein Eunuch aus einer reichen Familie taucht nicht plötzlich völlig mittellos in einer Stadt wie Alexandria auf, ohne daß auch nur das geringste wegen seines Studiums vereinbart worden wäre. Es sei denn, es ist etwas schiefgegangen. Was auch immer für Geheimnisse du hast… Der Erzbischof kann sie doch nicht gegen dich benutzen, nicht wahr?«

Ich war gerührt über seine Besorgnis. »Ich glaube nicht, daß er das tun wird«, erwiderte ich. »Aber davon einmal abgesehen, glaube ich nicht, daß er es überhaupt nötig hätte.«

Philon sah mich eindringlich an. Ich lächelte ihn an; er lächelte zurück und ließ meinen Arm los. Wir setzten unseren Weg fort.

7

»Aber was ist der Erzbischof wirklich für ein Mann?« fragte Theogenes mich immer wieder. Es war der Abend nach dem Sabbat, und wir saßen zusammen mit ein paar anderen Medizinstudenten in der Taverne des Kallias. Anfangs hatte ich gar nichts über meine Begegnung mit Athanasios erzählt, aber Theogenes hatte am Abend zuvor die ganze Geschichte bei Philon zu Hause gehört, und seitdem fragten mir alle ein Loch in den Bauch.