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Wieder lächelte er, dann goß er frischen Wein in seinen Becher und trank. »Außerdem hat Fidustius gestanden, dein Freund Euserios habe diese Neuigkeiten Theodoros dem Notar überbracht. Theodoros wurde aus Konstantinopel herbeigeschafft. Zuerst leugnete er alles, dann gab er zu, Kenntnis von dem Orakel zu haben, behauptete jedoch, er habe Euserios geantwortet, falls Gott ihn zum Kaiser auserkoren habe, dann sollten sie doch Gott und dem Wirken des Schicksals vertrauen, damit es sich erfüllen könne. Euserios behauptete unter der verschärften Folter zwar dasselbe, schließlich jedoch wurde Theodoros durch einen von eigener Hand geschriebenen Brief überführt. Es hatte wirklich einen Versuch gegeben, unseren erlauchten Gebieter zu ermorden, bevor dieses teuflische Komplott ans Licht gekommen war, aber niemand hatte geahnt, was dahinter steckte. Der Himmel selbst schützte unseren erlauchten Herrn Valens und ließ das Schwert seines Angreifers abgleiten.« Festinus stellte seinen Becher ab. »Doch jetzt, da der Anwärter tot ist, macht sich unser erlauchter Gebieter Sorgen. Hat sich das Orakel vielleicht getäuscht, oder haben die Verschwörer etwa einen falschen Schluß gezogen? Könnte ein anderer Theodoros gemeint gewesen sein? Weitere Nachforschungen sind im Gange. Ich für meinen Teil bin jedenfalls entschlossen, sie mit der unerbittlichsten Strenge durchzuführen, da unser gottesfürchtiger und scharfsichtiger Kaiser mir die Statthalterschaft dieser Provinz anvertraut hat. Und wenn ich einen Theodoros finde – einen reichen Mann edler Herkunft, der nur wenig Liebe für unseren allergütigsten Augustus bezeigte, als dieser von einem Thronräuber herausgefordert wurde; einen Mann, der mit einigen in diese Verschwörung verwickelten Verbrecher befreundet war; einen Mann, der darauf aus war, die Unterstützung seiner Mitbürger zu gewinnen und für dieses Vorhaben Tausende von Solidi in Gold ausgegeben hat – wenn ich einen solchen Mann finde, dann werde ich mißtrauisch.«

Vater sah ihn hilflos an. Er machte einen völlig geknickten Eindruck, so, als drohe ihm bereits die Folterbank. »Ich habe nichts getan«, flüsterte er. »Gar nichts.«

Festinus lachte. »Wenn ich dich so sehe, möchte ich es beinahe glauben. Nun, wenn du nichts getan hast, dann hast du auch nichts zu befürchten.« Hippokrates sagt, ein Arzt müsse seine Patienten sorgfältig beobachten, und es dürfe ihm nichts entgehen, falls er eine gute Diagnose stellen wolle. Ich hatte mich im Beobachten geübt. Jetzt beobachtete ich, trotz meiner Angst, Festinus. Er meinte es wirklich so, als er sagte, seiner Ansicht nach habe mein Vater sich nichts zu Schulden kommen lassen. In Wirklichkeit hatte er es wahrscheinlich die ganze Zeit über geglaubt. Dieses schlechte Schauspiel wurde aus irgendeinem anderen Grunde inszeniert. Vielleicht, um dem Kaiser zu beweisen, wie eifrig er gegen dessen Feinde vorging. Festinus war ein Fremder hier im Osten und hatte keine Freunde: Er mußte sich keine Gedanken darüber machen, wie andere mit ihm umspringen würden, wenn seine Amtszeit als Statthalter abgelaufen war. Er würde sowieso niemals von jemandem empfangen werden, es sei denn, er wäre offensichtlich ein Günstling des Kaisers. Was seine Herkunft anbetraf, so war er, genau wie Maia sagte, ein Niemand. Deshalb war es für ihn von allergrößter Wichtigkeit, die Aufmerksamkeit des Kaisers zu erringen und sich zu erhalten.

Aber als ich ihn lachen sah, wußte ich, daß er es genoß, Menschen zu demütigen, die sich, wie mein Vater, als Aristokraten betrachteten. Hier war er, der Sohn eines Niemand, und dennoch konnte er einem reichen Senator mit der Folter drohen und zusehen, wie er zitterte. Ja, er genoß dieses Schauspiel.

»Theodoros ist ein häufiger Name«, warf Thorion ärgerlich ein. »Es muß allein im Ostreich Hunderte von mächtigen Männern dieses Namens geben. Will der Kaiser sie allesamt anklagen? Und was hat er für eine gesetzliche Handhabe?« Thorion wurde immer ärgerlich, wenn er Angst hatte: ärgerlich und aggressiv.

Festinus schnaubte verächtlich und sah ihn nachsichtig an. Du bist sehr jung, sagte sein Blick, und du verstehst nichts von diesen Dingen. »Wir werden jeden, der in dieser äußerst schwerwiegenden Angelegenheit unseren Verdacht auf sich zieht, verhören«, entgegnete er förmlich.

Die Tür zum Flur öffnete sich, und der mit der Durchsuchung beauftragte Beamte kam herein und zog den weinenden Johannes hinter sich her. Hinter ihm tauchten zwei Soldaten auf. Ich beobachtete Festinus und sah, wie seine Gesichtszüge erstarrten, wobei sich sein Mund angesichts dessen, was er da sah, vor ungeheuchelter Überraschung öffnete. Erst dann wandte ich meinen Blick von ihm ab.

Die Soldaten hatten ein großes Tuch aus purpurfarbener Seide in der Hand. Es war mit goldfarbenen Ornamenten bestickt, und die Kanten waren mit goldenen Fransen gesäumt. Sie breiteten es auf dem Fußboden über dem Mosaik des Wagenlenkers aus. Wie es da auf den farbigen Fliesen lag, leuchtete es prächtig und intensiv: kaiserlicher Purpur. Nur Kaisern war es erlaubt, Purpur zu tragen. Wenn ein anderer Mann ein solches Gewand besaß, bedeutete dies ein Kapitalverbrechen.

»Es befand sich in seiner privaten Kleidertruhe«, sagte der Beamte. »Keiner der Sklaven will es vorher schon einmal gesehen haben, und allesamt leugnen, irgend etwas davon zu wissen.«

»Nein!« protestierte Vater. Er sprang auf, schlug mit den Fäusten auf die Ruhebank, dann fiel er auf die Knie. »Nein, es ist nicht so, wie du denkst. Ich kann es erklären!«

»Du wirst das alles erklären müssen, darauf kannst du Gift nehmen«, erwiderte Festinus finster. Er war ebenfalls aufgesprungen und starrte den Purpur an. »Ich gratuliere dir, Theodoros. Ich dachte, du bist genauso schwächlich und töricht, wie du vorgibst. Ich dachte, du bist unschuldig. So, so: dann hast du also doch mit Euserios zusammen ein Komplott geschmiedet. Ist Eutropios mit von der Partie? Wer sonst noch? Nenn deine Komplizen!«

»Aber ich bin doch kein… ich meine, das Tuch war nicht für mich bestimmt.«

»Für wen denn dann? Für wen? Wir werden die Wahrheit aus dir herausbekommen. Wir werden sie ans Tageslicht zerren. Wir können dich trotz deiner Reichtümer der Folter überantworten. Wir können die Wahrheit aus dir herausreißen! Es hat keinen Zweck, jetzt noch irgend etwas zu leugnen!«

Ich war vor Schreck beinahe in Ohnmacht gefallen, als ich den Purpur sah. Ich konnte ganz einfach nicht glauben, daß mein Vater so etwas besaß. Wenn ich nicht gesehen hätte, wie überrascht Festinus war, hätte ich geglaubt, er habe das Tuch untergeschmuggelt. Aber es gehörte meinem Vater. Das bewies auch die plötzliche Wut des Statthalters. Er war nicht einfach ärgerlich, sondern rachsüchtig: Er war zum Narren gehalten worden. Kein mehr oder weniger höfliches Gerede mehr über einen bloßen Verdacht und die Gottwohlgefälligkeit unseres Erhabenen Gebieters.