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Und es sah mehr und mehr danach aus, als würde ich diese Hilfe gebrauchen: Der neue Statthalter verhieß für meine Sache gar nichts Gutes. »Ein junger Mann, das ist alles, was ich weiß«, sagte Athanaric. »Er hat die Statthalterschaft im letzten Augenblick bekommen und einen anderen Anwärter dabei ausgebootet. Es sieht so aus, als sei er ganz wild darauf, sich einen Namen zu machen.«

»Er sollte lieber wild darauf sein, unter allen Umständen zu vermeiden, anderen Leuten unrecht zu tun«, meinte Sebastianus und war fast ebenso unglücklich über das, was uns da bevorstand, wie ich.

Ich war inzwischen so sehr an das Leben auf dem Pferderükken gewohnt, daß ich nicht einmal daran dachte, ein Schiff nach Tomis zu nehmen. Wir ritten in die Provinzhauptstadt, und Sebastianus ritt wie immer an der Spitze eines Reitertrupps. Es ist schwer, sich hilflos und verängstigt zu fühlen, wenn man an der Spitze eines Reitertrupps reitet, und das machte mir den Weg ein wenig leichter. Wir wollten ein paar Tage vor der Verhandlung da sein, um Sebastianus Zeit zu lassen, den Statthalter ein wenig zu bearbeiten. Wir benötigten zwei volle Tage, um nach Tomis zu gelangen. Athanaric verließ uns am zweiten Tag und galoppierte voraus. Er benutzte das System der kaiserlichen Post und wechselte die Pferde häufiger: So konnte er Sebastianus’ Leute in Tomis veranlassen, sein Hauptquartier für ihn vorzubereiten. So lautete jedenfalls sein Vorwand; ich glaube, in Wirklichkeit hatte er ganz einfach vergessen, wie man im Trab reitet.

Die Provinzhauptstadt Tomis ist nach thrazischen Maßstäben eine große Stadt – nach asiatischen oder ägyptischen allerdings ein ganz gewöhnlicher Flecken. Er liegt sehr hübsch am Schwarzen Meer, nach Osten zu, auf die aufgehende Sonne ausgerichtet, und verfügt über einen breiten Sandstrand und einen schönen Hafen. Wie alle thrazischen Städte ist auch Tomis stark befestigt, seine Wälle sind aus den leicht rötlichen Steinen erbaut, die man in der Gegend findet. Als wir uns der Stadt an jenem Abend näherten, machte sie einen leuchtenden und weiträumigen Eindruck. Der Marktplatz war durchaus sehr eindrucksvolclass="underline" Er war von der Residenz des Statthalters, Sebastianus’ Hauptquartier, einem heidnischen Tempel und einem schönen Säulengang mit Läden darin gesäumt. Sonst gab es außer der Kirche allerdings nicht mehr viel Sehenswertes.

Athanaric befand sich bereits im Hauptquartier; er war gegen Mittag dort angekommen. Das Personal hatte alles für uns vorbereitet, und wir konnten unsere Pferde einfach abgeben und uns direkt zum Abendessen begeben. Obwohl er in Tomis stationiert war, verbrachte Sebastianus im Grunde genommen nicht viel Zeit dort. Er war ein äußerst aktiver Befehlshaber und zog es vor, seine Truppen im Feld zu inspizieren und ihre Probleme an Ort und Stelle zu regeln. Seine persönlichen Sklaven und seine Lyra spielende Geliebte ließ er jedoch meistens in seinem Hauptquartier, so daß er es uns bequem machen konnte. Wir ließen uns alle drei zu einem ausgezeichneten Mahl nieder, obwohl ich viel zu nervös war, um großen Appetit zu verspüren. Ich mußte dauernd an das Gefängnis in Alexandria denken. Die Lyraspielerin kam, aber Sebastianus schickte sie wieder weg. »Keine Zeit fürs Vergnügen heute abend, meine Süße!« sagte er zu ihr. »Für den Augenblick jedenfalls.«

»Ein Glück, daß wir bereits hier sind«, sagte Athanaric während des ersten Ganges. »Der Statthalter ist inzwischen eingetroffen und hat den Fall drei Tage vorverlegt – die Verhandlung ist bereits auf morgen angesetzt.«

»Sacra Maiestas!« rief Sebastianus aus. »Warum hat er das getan? Wir haben uns noch nicht einmal einen Anwalt besorgt! Wer ist der Mann überhaupt?«

»Ich weiß nicht, warum er das getan hat«, erwiderte Athanaric. »Ich habe mich sofort darüber beschwert. Er ist übrigens ein Landsmann von dir, Chariton, ein Bursche aus Ephesus. Sein Name ist Theodoros.«

Ich hatte gerade an meinem Wein genippt und bekam ihn bei diesen Worten in die falsche Kehle; ich erlitt einen Hustenanfall und verschüttete den Rest des Bechers beinahe über mich.

»Kennst du ihn?« fragte Sebastianus überrascht.

»Wie heißt er mit vollem Namen?« fragte ich Athanaric. »Hast du ihn kennengelernt?«

»Theodoros, Sohn des Theodoros. Ja, er hat mich in der Präfektur empfangen. Er ist ein junger Mann, dunkelhaarig, breitschultrig, schlecht gewachsene Zähne. Er sagt, es täte ihm leid, daß ich wegen der Terminverschiebung verärgert sei, aber er glaube nicht, daß es etwas ausmache.«

Ich fing an zu lachen; es dauerte eine ganze Weile, bevor ich aufhören konnte. Die anderen beiden beobachteten mich mißtrauisch. »Er hat recht«, meinte ich schließlich. »Ihr hättet euch nicht bemühen brauchen, mich nach Tomis zu begleiten. Keiner von euch beiden. Ich könnte morgen in jenen Gerichtssaal spazieren und einen mit magischen Symbolen bestickten Umhang tragen und eine Hymne auf Hermes Trismegistos anstimmen: Der Statthalter würde mich trotzdem freisprechen. Heiliger Unsterblicher! Thorion, Statthalter von Skythien! Oh, Herr im Himmel!« Athanarics verwirrte Miene hellte sich auf.

»Da gab es doch einen Brief von einem gewissen Theodoros zwischen deinen Sachen in Alexandria.«

»Es ist der nämliche Theodoros.«

Athanaric lächelte und erklärte Sebastianus die Sache. ›»Lieber Charition, hör damit auf, diesen verdammten Erzbischof zu behandeln und komm zu mir nach Konstantinopel; Maia würde sich sehr freuen, dich wiederzusehen.‹ Woher kennt Euer Gnaden denn den nun her?« Er schnippte mit seinen Fingern und beantwortete sich seine Frage selbst. »Jetzt erinnere ich mich, ich habe gehört, du wärest der Schützling eines Theodoros von Ephesus. Aber sein Brief klang so, als seiest du ein Mitglied seines Haushalts.«

»Das war ich auch – so etwas Ähnliches. Ich war ein Familienangehöriger seines Erziehers, wir wuchsen zusammen auf, haben zusammen Homer studiert. Er sorgte dafür, daß ich Latein lernte, damit ich ihm bei seinen Lektionen helfen konnte. Er schrieb mir, er erwarte bald einen Posten als Statthalter zu bekommen, doch er verriet nicht, wo; vielleicht wollte er mich überraschen.«

»Das hat er dann ja auch geschafft«, meinte Sebastianus, der jetzt ebenfalls lächelte. »Bist du sicher, daß er dich freisprechen wird?«

»Xanthos tut mir leid«, erwiderte ich.

»Nun gut. Glaubst du, es könnte etwas schaden, wenn ich Daphne wieder hereinrufe und wenn wir noch ein kleines Fest vor dem großen Ereignis feiern?«

Er rief Daphne wieder herein und ließ einen neuen Krug Wein kommen, und wir feierten ein Fest. Es wurde ein recht fröhliches Fest, und wir sprachen reichlich dem Weine zu. Daphne sang ein paar äußerst komische und vulgäre Lieder, und Sebastianus torkelte schließlich Arm in Arm mit ihr zu Bett und ließ Athanaric und mich den Wein austrinken. »Der Glückliche!« meinte Athanaric und starrte Sebastianus verdrießlich hinterher.

Ich sagte nichts. Meine erste freudige Erregung war vorüber, und ich begann mir Sorgen über mein Wiedersehen mit Thorion zu machen. Die Provinz, die er dem obersten Palastbeamten gegenüber erwähnt hatte, war also Skythien, und es war auch kaum so überraschend, daß er sie bekommen hatte, da sie nicht unbedingt zu den Provinzen gehörte, die jeder wollte – nicht so reich wie die asiatischen oder ägyptischen oder so angesehen wie Syrien oder Bithynien. Thorion hatte sie um meinetwillen gewollt, um mich dazu überreden zu können, nach Hause zu kommen. Was würde er wohl denken, wenn er mich sah?

»Ich wünschte, ich hätte auch so ein Mädchen«, sagte Athanaric und gaffte immer noch hinter Daphne her. »Aber wahrscheinlich würde sie nicht lange bei mir bleiben. Ich reise viel zuviel umher. Die Nachteile eines Lebens als Kurier! Ich glaube, du hast gar nicht so recht Notiz von ihr genommen.«