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»Er war kein Ketzer«, erwiderte ich heftig.

»Dann war er eben ein verdammter Unruhestifter, und er hat den Behörden nichts als Scherereien bereitet! Du hättest ihn sich selbst überlassen sollen. Und einen Menschen zu sezieren! Das beschwört ja geradezu Ärger herauf. Du magst ja intelligent sein, aber du warst schon immer unvernünftig. Ich hatte bereits daran gedacht, dich wegen dieser Beschuldigung ganz einfach verhaften zu lassen und dich anschließend aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Ich dachte, vielleicht würdest du dann Vernunft annehmen. Aber ich wollte nicht, daß deine Sklaven gefoltert werden; so etwas mag ich nicht. Nicht seit Festinus es Maia angetan hat.«

»Ich würde lieber sterben, als zurückzukommen, um eine Dame zu sein«, sagte ich. »Ich werde es nicht tun. Laß es dabei bewenden, Thorion, bitte. Ich möchte mich nicht mit dir streiten.«

Thorion seufzte und sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Ich bin sicher, daß niemand auf der Welt eine solche Schwester hat wie ich. Nun gut, lassen wir es fürs erste dabei bewenden. Vielleicht verliebst du dich ja eines Tages und änderst deine Meinung. Liebe ist eine verflixte Sache, wenn es darum geht, seine Meinung zu ändern. Ich hoffe nur, daß es bis dahin nicht zu spät ist.«

Maia lächelte mir zu. »Charis, mein Liebling«, sagte sie, »iß noch etwas. Du hast ja nichts Ordentliches gegessen.«

»Du bist dünn wie ein Zaunpfahl«, stimmte Thorion verdrießlich zu. »Mager und knochig. Was machst du in diesem Hospital?«

Eine Welle der Erleichterung durchlief mich. Ich war ziemlich glimpflich davongekommen. Und ich hätte Maias stillschweigende Unterstützung niemals erwartet; sie hatte meine ärztlichen Bemühungen in Ephesus immer mißbilligt. Ich erzählte ihnen ein wenig vom Hospital.

»Auch ich werde deine Dienste bald benötigen«, sagte Thorion. »Ich habe mich mit der Tochter eines Bäckers eingelassen, und sie erwartet im September ein Kind von mir.«

Er hielt inne und sah bei dem Gedanken an seine Konkubine und das Kind höchst zufrieden aus.

»Die Mutter heißt Melissa und ist ein liebes Mädchen«, warf Maia ein.

Maia war bei der Aussicht auf dieses Kind – falls das überhaupt möglich war – noch aufgeregter als Thorion. Sie war schon immer ganz wild darauf gewesen, daß ich Kinder bekam, damit sie Großmutter spielen könnte. Aber ein Kind von Thorion, auch wenn es ein illegitimes Kind war, war natürlich noch besser.

Im stillen segnete ich die mir unbekannte Melissa. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich es mit meinem Bruder sehr viel schwerer gehabt. »Wie schön«, sagte ich und lächelte, »ich hoffe um deinetwillen, daß es ein Junge wird. Wenn du möchtest, werde ich versuchen, von Novidunum rüberzukommen, um das Baby zu entbinden.«

Thorion lachte und nickte begeistert. »Ich habe Melissa schon gesagt, daß ich ihr entweder die beste Hebamme oder den besten Arzt der Provinz verschaffen würde. Es sieht so aus, als seist du der beste Arzt. Und ich habe schon daran gedacht, das Baby Chariton zu nennen.«

7

Eine Woche später kehrte ich nach Novidunum zurück. Ich war schrecklich erschöpft. Solange ich mit Thorion und Maia allein war, hatte ich mich nach der ersten Strafpredigt wundervoll gefühlt. Thorion schien von meiner Geschicklichkeit auf medizinischem Gebiet und von meinen einflußreichen Verbindungen tatsächlich sehr beeindruckt zu sein. (»Seine Durchlaucht, der oberste Palastbeamte, hält jede Menge von diesem Burschen Athanaric«, meinte er mir gegenüber. »Er glaubt, wenn es sich um die Goten handelt, sei Athanarics Ratschlag ebensogut wie ein Erlaß. Ich bin froh, ihn zum Freund zu haben.«) Doch sobald Thorion und ich mit anderen zusammen waren, hatte ich mich keinen Moment mehr sicher gefühlt. Zwar entschlüpfte ihm nie mein richtiger Name – er hatte mich sowieso immer nur Charition genannt –, aber gelegentlich benutzte er im Zusammenhang mit mir das Wörtchen »sie«. Natürlich machen dies auch andere Leute, wenn es um Eunuchen geht, doch nur, wenn sie gemein sein wollen. Er tat es nicht so häufig, daß sich die Leute sicher sein konnten, es wirklich gehört zu haben, aber es genügte, mich nervös zu machen. Athanaric bemerkte den Ausrutscher und fragte mich, als wir allein waren, ob Thorion »der Mann« sei, den ich erwähnt hatte. Einen Augenblick lang wußte ich nicht, was er meinte, doch dann erinnerte ich mich an mein Geständnis über die Qualen der Begierde. »Himmel Herrgott, nein«, erklärte ich.

»Er ist nur ein alter Freund.«

Athanaric sah mich nachdenklich an und versuchte, einen unbekümmerten Eindruck zu machen. Doch ich wußte, daß er darin geübt war, sich derlei Dinge zu merken, und ich fragte mich, ob er die Wahrheit wohl inzwischen vermutete. Ich fragte mich auch, wie ich reagieren würde, falls er mein Geheimnis entdeckte. Aber er sagte nichts mehr. Und zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung galoppierte er sowieso davon, um einige Außenposten zu inspizieren. Sebastianus blieb noch in Tomis: Er würde sich etwa einen Monat lang dort aufhalten und sich um die Verpflegung seiner Soldaten kümmern. Ich mußte jedoch sobald wie möglich ins Hospital zurück, da der Hochsommer eine gefährliche Zeit für ansteckende Krankheiten ist. Aber bevor ich abreiste, sprach ich mit Sebastianus über Xanthos.

»Jetzt, da er seinen Prozeß verloren hat«, sagte ich, »brauchst du ihn nicht rauszuwerfen. Es macht mir nichts aus, wenn er unter mir arbeitet, vorausgesetzt, er mischt sich nicht in die Behandlung meiner Patienten ein.«

Sebastianus sah mich überrascht an, dann verzog er sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Warum diese christliche Nachsicht? Der Mann ist dein Feind. Er wollte unbedingt, daß du gefoltert und getötet wirst. Im übrigen habe ich ihn bereits hinausgeworfen.«

Ich zuckte die Achseln. Ich mußte dauernd daran denken, wie man Xanthos schreiend aus dem Gerichtssaal gezerrt hatte. Ich fragte mich, ob er überhaupt genug Geld hatte, um die Buße zu bezahlen. »Zum Teil war es auch mein Fehler«, sagte ich zu Sebastianus. »Ich habe mich falsch ihm gegenüber verhalten. Erst habe ich ihn von seinem Posten verdrängt, und dann war ich hochmütig, habe ihn gedemütigt und seine Behandlungsmethoden schlecht gemacht. Es ist nicht sein Fehler, daß er ein so schlechter Arzt ist; er ist nicht verantwortlich für seine Ausbildung. Und er hat tatsächlich geglaubt, ich sei ein Zauberer und hätte seinen Freund getötet. Ich möchte nicht, daß er gefoltert wird, weil er seine Schulden bei Gericht nicht bezahlen kann.«

Sebastianus lachte. »›O integer vitae scelerisque pure!‹ Nun gut, wenn du darum bittest, dann sollst du ihn wiederhaben. Ich werde ihm einen Brief schreiben. Er ist inzwischen wieder in Novidunum und sammelt seine sieben Sachen zusammen. Aber ich werde ihm sagen, daß du es warst, der sich für ihn verwendet hat. Deshalb will er vielleicht nicht bleiben. Ich habe solchen Haß schon öfter erlebt. Haß ist ein tödliches Gift, und wenn es sein Objekt nicht töten kann, dann tötet es denjenigen, den es befallen hat. Aber davon weißt du wahrscheinlich nichts, oder?« Er warf mir einen Blick aufrichtiger Zuneigung zu und schrieb den Brief. Ich nahm ihn an mich, bestieg mein Pferd und ritt nach Hause.

Ich galoppierte nicht die ganze Zeit über – das Pferd hätte es gar nicht durchgehalten –, aber ich beeilte mich mehr als auf dem Hinweg nach Tomis, als ich mit Sebastianus zusammen geritten war. Und ich kam gegen Mittag, zwei Tage nach meiner Abreise aus Tomis, in der Festung an. Als ich durch das Lager ritt, riefen mich verschiedene Soldaten freundlich an und winkten mir zu, froh, daß ich wieder da war, froh auch, daß ich noch einmal davongekommen war. Vielleicht war ich ja wirklich ein Zauberer, aber sie hatten lieber mich zum Arzt als Xanthos. Ich winkte zurück, hielt mein Pferd aber erst an, als ich das Hospital erreicht hatte. Arbetio und Edico kamen beide herausgerannt, lachten und beglückwünschten mich. Ich fühlte, daß ich zu Hause war. Im Hospital war nicht viel los: keine Pestfälle – zumindest noch nicht. Ich sah mir ein paar Kranke an, die nach meiner Abwesenheit eingeliefert worden waren, und untersuchte einige von denen, die schon vor meinem Fortritt krank gewesen waren. Nur einer war gestorben. Arbetio und Edico hatten wie gewöhnlich hervorragende Arbeit geleistet, und ich beglückwünschte sie. Sie beglückwünschten mich, weil ich ihnen alles so gut beigebracht hätte, dann zauberte Edico eine Flasche Chianwein hervor. »Ich habe sie gekauft, um deinen Freispruch zu feiern«, erklärte er mir und lächelte.