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Thorion starrte mich an und machte den Eindruck, als fühle er sich nicht wohl in seiner Haut.

»Und denk daran, wie es sein könnte, wenn du dies verhinderst!« fuhr ich fort. »Ich weiß, daß du dich bemühst, ein guter Statthalter zu sein. Verhindere diesen Krieg, und du kannst ruhmbedeckt am Hof erscheinen und jedes Amt übernehmen, daß du dir wünschst!«

»Ja, aber diese Art von Ruhm kostet etwas«, meinte Thorion unglücklich. »Wenn ich einer ganzen Reihe von Leuten ihre Steuern erlasse, kann ich nicht nur Bestechungsgelder von ihnen nehmen, sie preisen mich alle miteinander auch noch dem Kaiser gegenüber und rühmen meine Gerechtigkeit und Mäßigkeit. Aber um so viel Getreide zu bekommen, daß ich auch noch etwas flußaufwärts schicken kann, müßte ich von den hiesigen Landbesitzern auch noch die letzte fällige Unze eintreiben, und das würde ihnen ganz und gar nicht schmecken. Statt mich mit Ruhm zu bedecken, werde ich also wohl sehr viel eher mit Beschwerden eingedeckt werden. Und wenn dann meine Amtszeit hier vorüber ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als am Hof zu warten, irgendwelche Prozesse zu übernehmen und mir in den Vorzimmern die Hacken abzulaufen, ohne eine Drachme zu verdienen. Bei Artemis der Großen! Sieh mich nicht so mißbilligend an. Du weißt doch ganz genau, wozu ich das Geld brauche: Festinus ist uns teuer zu stehen gekommen. Vater mußte in seinem letzten Lebensjahr eines unserer Landgüter mit dem gesamten Viehbestand und zwanzig Sklaven verkaufen. Ich hatte gehofft, das alles mit den Einkünften aus dieser Statthalterschaft zurückkaufen zu können.«

»Wieviel bringen die Landgüter pro Jahr ein, Thorion?«

»Im letzten Jahr belief sich der Ertrag auf den Gegenwert von 314 Pfund in Gold«, erwiderte Thorion prompt. »22 600 Solidi. Das sind vierzig Pfund in Gold weniger als vor fünf Jahren. Was glaubst du wohl, was man von mir erwartet, wenn ich das Amt eines Konsuls in Konstantinopel anstrebe? Allein die Kampfspiele kosten mehr, sogar außerhalb der Saison.«

»Geben wir denn 22 600 Solidi im Jahr aus?«

Thorion war verlegen. »Das nicht… Aber meine hiesige Stellung kostet Geld, außerdem muß ich das Haus in Konstantinopel, unser Haus in Ephesus und die ganzen Landgüter in Ordnung halten. Und dieser verdammte Hafen in Ephesus muß immer wieder neu ausgebaggert werden, und die Leute wollen jedesmal, daß ich meinen Beitrag dazu leiste. Sie haben mir deswegen sogar nach Tomis geschrieben. Und unser Verwalter Johannes sagt… ach, zur Hölle mit dir Charition! Nun gut, ich werde deinen verdammten Goten etwas Getreide schicken! Aber paß auf, wahrscheinlich gelingt es Festinus, sich das Verdienst dafür zuzuschreiben!« Ich gab Thorion einen Kuß. »Du machst dich um deine Statthalterschaft verdient und bist deinem Sohn ein würdiger Vater.«

»Nun, ja. Ich wünschte, dieser verdammte Sebastianus würde dich nicht mit nach Marcianopolis schleppen. Was nützt es mir, eine Ärztin als Schwester zu haben, wenn sie gerade dann fort muß, wenn man sie braucht? Ja, ja, ich werde die Anweisungen ausschreiben, und du kannst sie mit nach Marcianopolis nehmen. Aber du wirst dort jemanden davon überzeugen müssen, die Getreideschiffe auch in Empfang zu nehmen. Herrgott, ich werde wohl an diesen Schweinehund deswegen schreiben müssen. Ich hoffe nur, du hast recht, und irgendein Verdienst an dieser Geschichte wird mir zugeschrieben. Es ist gar nicht so leicht, tugendhaft zu sein und auch noch dafür bestraft zu werden.«

10

Von Tomis nach Marcianopolis sind es fast hundert Meilen. Wir ritten fünf Tage. Sebastianus meinte, man könne es auch in drei Tagen schaffen, aber wir hatten es gar nicht so fürchterlich eilig. Wir nahmen den Küstenweg, da dieser recht angenehm zum Reisen war. Sebastianus nahm auch Daphne und einige seiner Haussklaven mit. »Sie haben auch gerne einmal ein bißchen Tapetenwechsel«, erklärte er. »Und niemand kann sagen, wie lange unser Unternehmen dauert. Ich kann es mir ebensogut bequem machen, so lange ich in Marcianopolis bin.« Daphne kam also in einem Planwagen, der inmitten der Soldaten fuhr, mit, und wir reisten in der strahlenden Sommersonne langsam die Küste hinunter. Es war eine wundervolle, glückliche Reise. Ich glaube, kein einziges Mitglied der Reisegesellschaft freute sich darüber, am Abend unserer Ankunft Marcianopolis schwarz drohend vor dem Hintergrund der Berge auftauchen zu sehen.

Es war ein eigenartiges Gefühl, sich daran zu erinnern, welch barbarischen Eindruck die Stadt beim erstenmal auf mich gemacht hatte. Jetzt war sie in meinen Augen ein ganz gewöhnlicher Ort. Sebastianus entließ seine Soldaten in ihre Unterkünfte und lud mich ein, zusammen mit seinem Haushalt in einem Flügel des Hauptquartiers zu wohnen. Er hatte einen Kurier vorausgeschickt, um seine Ankunft anzukündigen. Seine gewohnten Räume waren also bereits für ihn vorbereitet. Sebastianus bot mir auch einen seiner Sklaven an, der während meines Aufenthaltes für mich sorgen sollte, aber ich lehnte das Angebot dankend ab. So konnte ich wenigstens ein bißchen ungestört sein. Ich wusch mich, streifte meine Ersatztunika, die nicht nach Pferd roch, über und entschloß mich dazu, ein neues Paar Hosen zu kaufen. Sebastianus’ Sklave klopfte und überbrachte eine Einladung von seinem Herrn zum Abendessen. Ich dankte ihm und ging hinunter in das Speisezimmer, in dem ich zum erstenmal mit dem Heerführer gegessen hatte. Der erste, den ich nach meinem Eintritt entdeckte, war Athanaric.

Ich hatte nicht erwartet, ihn hier zu sehen, und war nicht auf der Hut. Wie angewurzelt blieb ich auf der Türschwelle stehen, mein Herz schlug heftig. Ich spürte, wie mein Gesicht ganz heiß wurde. Glücklicherweise befanden sich in der Nähe der Tür keine Lampen, so daß niemand meine Röte bemerkte. Sobald Athanaric mich sah, lächelte er mir einen Willkommensgruß zu, eilte herbei und ergriff meine Hand. »Willkommen, Chariton!« sagte er. »Ich habe den Eindruck, daß ich Sebastianus’ Gegenwart hier dir verdanke. Gut gemacht!«

Ich erwiderte nichts; ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Athanarics Begrüßung machte mich einigermaßen benommen, so als schwebe ich über einer riesigen Leere dahin.

»Er hat sogar Theodoros dazu überredet, Getreide zu schikken«, berichtete Sebastianus seinem Freund.

»Unsterbliche Götter!« entgegnete Athanaric. »Wie hast du denn das geschafft? Ich habe versucht, ihm gut zuzureden, doch es führte zu nichts: Er sagte, er könne kein Getreide bekommen.«

Es gelang mir, zu niesen, um mein benommenes Schweigen zu entschuldigen. »Jeder Statthalter kann zusätzliches Getreide bekommen, wenn er die Landeigentümer nur ein bißchen unter Druck setzt«, meinte ich schließlich. »Es ging also einzig und allein darum, Thorion von der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu überzeugen. Er ist ein anständiger Mann, er mag es nicht, wenn andere leiden. Und ich hatte gerade geholfen, seinen erstgeborenen Sohn zu entbinden.«

»Die Vorteile der hippokratischen Methode!« sagte Athanaric und grinste. »Nun, ich freue mich, einen so mächtigen Verbündeten zu haben.«

»Ich dachte, du bist in Antiochia.«

»Ich komme gerade von dort.« Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, und ich bemerkte, daß er müde und erschöpft aussah. »Unsere dortigen Verbündeten sind nicht so tüchtig. Der erlauchte Eutherios wird auf mich hören, aber Festinus, der hiesige Statthalter, ist ein Freund des Prätorianerpräfekten. Dann kann Eutherios ihrer Erhabenen Majestät noch so viel erzählen: Modestus tut einfach alles mit einer Handbewegung ab. Der Kaiser hört nun einmal auf Modestus. Und alle Welt ist im Augenblick in erster Linie mit Persien beschäftigt. Kein Mensch interessiert sich dafür, was hier passiert; niemand will auch nur das geringste unternehmen. Das wird so weitergehen, bis sich die Terwingen erheben. Es sei denn, du kannst Lupicinus davon überzeugen, der ganzen Sache endlich einen Riegel vorzuschieben«, meinte er an Sebastianus gewandt.