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»Ich werde es versuchen. Aber können wir die Terwingen heute abend nicht einmal vergessen? Ich werde morgen noch mehr als genug über sie und ihre Probleme sprechen müssen.«

Wir ließen uns am Tisch nieder, Daphne und Sebastianus auf einer Ruhebank, Athanaric und ich jeder für sich auf einer weiteren. Daphne gähnte, sie war von der langen Reise müde.

Sie lehnte ihren blonden Kopf an Sebastianus’ Schulter: Es war ein sehr hübsches Bild. Athanaric sah sie mißgelaunt an und fing noch während des ersten Ganges erneut an, über die Terwingen zu sprechen.

»Wird Theodoros das Getreide wirklich schicken?« fragte er mich. »Es ist bekannt, daß er und Festinus sich gegenseitig verabscheuen. Keiner von beiden wird auch nur das geringste tun, was dem anderen nützen könnte. Und es fällt in Festinus’ Verantwortungsbereich, Frithigerns Leute mit Lebensmitteln zu versorgen.«

»Ich habe Briefe von Theodoros bei mir, in denen er Festinus bittet, für die Verteilung des Getreides zu sorgen, wenn es in Skythien eintrifft«, entgegnete ich.

Athanaric ließ einen Pfiff der Bewunderung hören und schüttelte den Kopf.

»Warum sind sie eigentlich verfeindet?« fragte Sebastianus, nippte an seinem Wein und sah Athanaric über Daphnes Kopf hinweg voller freundschaftlicher Zuneigung an.

»Das beruht auf einem persönlichen Groll«, erwiderte Athanaric. »Theodoros’ Schwester sollte Festinus heiraten. Sie verschwand einen Monat vor der Hochzeit und ließ den Bräutigam ziemlich blamiert zurück – vor ein paar Jahren gab es in Asien einen ausgewachsenen Skandal deswegen. Man nimmt an, daß Theodoros das Verschwinden arrangiert hat, um den Sohn des Sklavenversteigerers nicht ›Bruder‹ nennen zu müssen. Festinus war wütend und benutzte seinen ganzen Einfluß dazu, Theodoros und seiner Familie Schwierigkeiten zu bereiten.«

»Und was geschah mit seiner Schwester?« fragte Daphne.

Athanaric zuckte die Achseln. »Das weiß niemand. Irgend etwas muß ja wohl geschehen sein, sonst wäre sie inzwischen wieder aufgetaucht. Vielleicht hat sie sich zu Tode gegrämt, weil ihre zarte Natur den Skandal und das ganze Versteckspiel nicht verkraftet hat. Oder sie ist mit einem Wagenlenker durchgebrannt. Das sind zwei der umlaufenden Gerüchte: Du kannst wählen.«

»Oh, ich wähle den Wagenlenker!« meinte Daphne und lachte.

»Ich liebe Wagenrennen.«

Sebastianus lachte ebenfalls und küßte sie. »Das werde ich mir merken«, sagte er. »In dieses Haus werden keine Wagenlenker eingeladen. Sklaven! Mehr Wein. Und Athanaric, bitte kein Wort mehr über die Goten!«

Am nächsten Tag machte sich Sebastianus auf den Weg zu einem Gespräch mit Lupicinus, und ich gab Athanaric Thorions Briefe für den Statthalter mit. Athanaric zeigte sich überrascht, daß ich die Briefe nicht selbst überbringen wollte. Ich antwortete, ein Curiosus der Agentes in rebus werde sicherlich größere Aufmerksamkeit finden als ein Armeearzt.

»Dann hast du also keine versöhnliche Botschaft von Theodoros für Festinus?« fragte er und machte einen besorgten Eindruck. »In diesem Fall besteht die Gefahr, daß Festinus sich weigert, das Getreide anzunehmen, vor allem, wenn es von Theodoros kommt. Die beiden hassen sich von ganzem Herzen. Und Festinus möchte seine einträglichen Geschäfte für den Augenblick vielleicht lieber fortsetzen. Dann wird er nicht so erpicht darauf sein, Vorräte für die Goten entgegenzunehmen, selbst wenn ein anderer für die Unkosten aufkommt.«

»Auch wenn Theodoros damit einverstanden gewesen wäre, eine versöhnliche Botschaft zu übermitteln«, erwiderte ich, »bin ich nicht unbedingt der Geeignete, sie zu überbringen. Ich würde dem Statthalter lieber nicht begegnen.«

Athanaric stand da und sah mich prüfend an. »Er kennt dich?« Ich zuckte die Achseln. Ich hatte sehr sorgfältig über die Sache nachgedacht und war zu dem Schluß gekommen, daß Festinus mich sehr wahrscheinlich nicht erkennen würde. Er hatte mich im Grunde genommen nur ein paarmal gesehen, und das war Jahre her. Nicht einmal mein eigener Bruder hatte in mir die gelockte und parfümierte junge Dame aus seiner Erinnerung wiedererkannt. Trotzdem war ich nicht gerade erpicht darauf, den Statthalter zu sprechen. »Er wird sich kaum an mich erinnern«, entgegnete ich. »Wir sind uns einmal begegnet, aber es bestand kein Grund dafür, daß er Notiz von mir nehmen sollte. Ich jedoch erinnere mich sehr wohl an ihn, so wie die meisten Leute in Ephesus. Oder hast du nie davon gehört, wie er sich bei uns als Statthalter aufgeführt hat?«

»Ich habe davon gehört. So so! Du hast also nicht nur in Ägypten und Thrazien, sondern auch in Asien Ärger gehabt. Du scheinst im Ärgermachen fast so begabt zu sein wie in der Medizin. Was war damals los? Hast du Theodoros geholfen, das Verschwinden seiner Schwester zu arrangieren?«

Ich lachte: »›Jeder Tag hat seine eigenen Sorgen.‹ Laß alten Hader ruhen. Viel Glück bei Festinus.«

Sebastianus hatte Maximus, den Heerführer Mösiens, von unserer bevorstehenden Ankunft benachrichtigt. So stellte ich mich also als der in Alexandria ausgebildete Arzt vor, nach dem er verlangt hatte. Der Heerführer war ein hochgewachsener, sonnengebräunter Mann mit dem Aussehen, den Manieren und den Grundsätzen eines Straßenräubers. Sobald er gehört hatte, daß ich käme, hatte er zwei seiner Ärzte zu sich nach Marcianopolis befohlen. Er nahm mich in die Unterkünfte seiner Soldaten mit und stellte mich seinen Leuten vor. Dann ging er, damit wir in Ruhe über die Pest sprechen konnten. Die Ärzte waren kaum tüchtiger als Xanthos und Diokles. Ich fragte sie über die Wasservorräte in den Lagern an der Donau aus. Sie meinten, die Leute hätten ja den Fluß. Ich fragte sie über die Hygiene aus. Sie meinten, die Römer hätten die üblichen sanitären Einrichtungen, die Barbaren jedoch gingen auf der Suche nach Nahrung am Ufer auf und ab und verunreinigten es dabei. Ich fragte sie über die Einrichtungen für die Kranken aus. Sie meinten, die Soldaten kümmerten sich gleich an Ort und Stelle um ihre eigenen Leute und schickten lediglich schwere Fälle in das Hospital. Für die Barbaren gab es keinerlei medizinische Einrichtungen. Außerdem waren die Ärzte äußerst schlecht auf die Terwingen zu sprechen, da diese verschiedene Krankheiten hatten, mit denen sie die römischen Soldaten ansteckten. Sie schienen zu glauben, die Goten täten es absichtlich.

Ich hielt ihnen einen langen Vortrag über die Ansteckungsgefahr über Luft und Wasser, wie wichtig es sei, sich ausreichende Vorräte von sauberem Wasser anzulegen, die Kranken zu isolieren und die Luft mit Hilfe von Schwefel zu reinigen. Zum Schluß betonte ich die Notwendigkeit, den Goten ihr eigenes Land zuzuweisen. Als ich ging, waren die Ärzte unzufrieden mit mir, weil ich ihnen keine magischen Zaubersprüche gegen die Pest verraten hatte, und sie waren unzufrieden mit ihrem Oberbefehlshaber, weil er es zuließ, daß sich die pestkranken Terwingen so nahe bei seinen eigenen Truppen aufhielten. Ich war ebenfalls unzufrieden. Falls die Ärzte meine Anweisungen sorgfältig befolgten, gelang es ihnen vielleicht, die Ausbreitung der Krankheit unter den römischen Truppen zu verhindern. Aber ich hatte nichts für die Goten erreicht. Schlecht gelaunt ging ich in das Zentrum von Marcianopolis zurück und verfluchte die römische Habgier.

Als ich ins Hauptquartier kam, fand ich Sebastianus und Athanaric ebenfalls schlecht gelaunt vor. »Dieser Festinus ist ein fetter, erpresserischer Blutsauger«, erklärte Athanaric und senkte die Lautstärke seiner Stimme. »Ich übergab ihm Theodoros’ Briefe und dachte mir ein paar Schmeicheleien aus, aber er wollte sich in dieser Angelegenheit auf nichts festlegen lassen. Für heute abend hat er mich zu einem Festmahl eingeladen. Er hat den Palast des Präfekten wie den Herrensitz eines genußsüchtigen Sybariten ausgestattet und ihn mit terwingischen Sklaven vollgestopft, die ihn von hinten und vorne bedienen müssen. Er steckt bis zum Hals in diesen Wuchergeschäften mit drin.«