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»Lupicinus hält ihn für sehr schlau und gerissen«, erzählte Sebastianus angewidert. »Als ich die Angelegenheit ihm gegenüber zur Sprache brachte, versuchte er, alle Schuld auf den Statthalter abzuwälzen. Obwohl die ursprüngliche Idee ganz offensichtlich von ihm kommt. Nun, sie konnten ihren Schiebereien ein paar schöne Monate lang nachgehen: Lupicinus wäre vielleicht damit einverstanden, die Sache jetzt gut sein zu lassen. Ihm sind Gerüchte zu Ohren gekommen, die Goten könnten sich erheben, und er beginnt, sich deswegen Sorgen zu machen. Festinus hat ihn für heute abend ebenfalls zum Essen eingeladen, zusammen mit uns dreien. Und Lupicinus hat mir versprochen, er wolle dort etwas wegen der Goten unternehmen.«

»Aber mich hat er doch wohl nicht auch eingeladen?« fragte ich.

»Er hat alle anwesenden Armeeführer samt Gefolge eingeladen, und dein Name wurde extra erwähnt. Das ist schließlich nicht so überraschend: Du bist ein studierter Mann, und er konnte dich kaum unberücksichtigt lassen. Warum, was ist denn los?«

»Unser Chariton geriet unter der Statthalterschaft von Festinus in Schwierigkeiten«, sagte Athanaric und grinste. »Er will nicht sagen, warum.«

»Ernsthafte Schwierigkeiten?« fragte Sebastianus eindringlich und warf mir einen prüfenden Blick zu.

»Ich wurde niemals direkt beschuldigt«, erwiderte ich, etwas verärgert über Athanarics unbekümmerte Unterstellungen. »Ich bezweifle sehr, daß Festinus mich überhaupt wiedererkennt. Ich kann ruhig hingehen; wahrscheinlich werde ich sowieso auf eine der hinteren Ruhebänke gesetzt.« Ich ging in mein Zimmer hinauf, um mich zurechtzumachen, dann setzte ich mich in meinem guten Umhang auf das Bett und machte mir ernsthafte Sorgen.

Doch das wäre gar nicht nötig gewesen. Das Festmahl war eine große Angelegenheit. Außer mir nahm Sebastianus noch einen Offizier aus seinem Gefolge mit, und als wir im Bankettsaal eintrafen, entdeckten wir, daß der Heerführer von Mösien in Begleitung von sieben Männern erschienen war (seine Ärzte hatte er allerdings nicht mitgebracht), und Lupicinus war mit zehn Männern aufgekreuzt. Festinus begrüßte die Ankömmlinge an der Tür zum Bankettsaal. Er war dicker, als ich ihn in Erinnerung hatte, und in seinem Gesicht waren viele weitere Äderchen geplatzt, so daß es mit roten Flecken übersät war. Aber die starr blickenden blauen Augen waren die gleichen. Er lächelte, als er Sebastianus die Hand schüttelte: Auch an das Entblößen der Zähne erinnerte ich mich, es war wie das Fauchen eines wilden Tieres. Sebastianus stellte mich vor – »Chariton von Ephesus, mein Chefarzt« –, und die Augen glitten flüchtig über mein Gesicht, eine feiste, feuchte Hand ergriff einen Augenblick lang die meine, dann entblößte er seine Zähne gegenüber Athanaric, und einer der Sklaven führte mich zu meinem Platz an der hintersten Ruhebank, wo ich mich während des Essens zusammen mit einem der jüngeren Offiziere aus dem Gefolge des Heerführers niederließ. Ich fühlte mich etwas weich in den Knien. Einer der Sklaven der Präfektur reichte mir einen Becher mit honiggesüßtem Weißwein.

Der Festsaal war groß und prächtig, er war erst vor kurzem frisch verputzt und mit Wandmalereien geschmückt worden, vor den Fenstern hingen neue, brokatene Vorhänge. Drei Ständer mit Lampen, die ein süßes, nach Weihrauch duftendes Öl verbrannten, tauchten den ganzen Raum in ein strahlendes Licht. Der Tisch war aus Ahorn und dem Holz des Zitronenbaums gefertigt, er war auf Hochglanz poliert und funkelte nur so von dem vielen Eßgeschirr aus Silber und korinthischen Tonwaren. An der einen Wand saßen drei blonde, Flöte und Lyra spielende Mädchen. Weitere Sklaven – Mädchen und Knaben – eilten geschäftig hin und her, füllten die Becher der Gäste und verteilten kleine weiße Brotlaibe. Sie waren allesamt jung, sehr anziehend und ganz offensichtlich Goten.

Die Gäste wurden an ihre Plätze geleitet, und das Festmahl begann. Lupicinus bekam einen Platz auf der Ruhebank des Gastgebers zugewiesen, Athanaric und Sebastianus wurden die Ehrenplätze zur Rechten von Festinus eingeräumt. Die Sklaven brachten eine Platte mit Austern herein; drei schlanke, junge Mädchen in dünnen, roten Tuniken servierten am oberen Ende des Tisches, andere reichten die Speisen am unteren Ende, dort, wo ich saß. Die Offiziere rund um mich herum begannen, über irgendwelche Feldzüge zu diskutieren, und ich konnte nichts von dem vernehmen, worüber die Leute am anderen Ende des Tisches sprachen.

Auf die Austern folgten gefüllte Haselmäuse und gegrillte Meereschen mit Lauch. Dann gab es Hühnchen in weißer Soße, Wildschwein mit Honig und Asantgewürz, schließlich gebratenen Pfau, der in seinem eigenen, prächtigen Federkleid hereingetragen wurde. Lupicinus erhielt das Privileg, den Wein zu bestellen, und er verlangte laut und häufig nach ihm; es war ein ungewöhnlicher Rotwein, alt und äußerst wohlriechend; seine Süße bildete ein angenehmes Gegengewicht zu der Säure seines Alters. Ich erfuhr später, daß es ein italienisches Gewächs aus Falernus war, das die Leute aus dem Westreich sehr schätzen und das einen dementsprechenden Preis hat. Unten, auf der letzten Ruhebank, erhielten wir nicht sehr viel davon, doch am oberen Ende der Tafel schienen die Sklaven die Becher dauernd nachzufüllen, und binnen kurzem glühten die Gesichter der dort sitzenden Gäste tiefrot, und ihre Stimmen wurden immer lauter.

Fast während des gesamten zweiten Ganges fuhren die Offiziere mit ihren Gesprächen über Belagerungen und Festungsanlagen fort und hielten nur kurz inne, um die bedienenden Mädchen in den Hintern zu kneifen. Doch am Ende des zweiten Ganges begann die Unterhaltung abzuflauen, und plötzlich rief Festinus mit lauter und deutlicher Stimme:

»Dieser verdammte Theodoros will uns doch tatsächlich Getreide für die Goten schicken.« Er sah Athanaric an, während er sprach.

Lupicinus grinste höhnisch; einige der Offiziere aus seinem Gefolge lachten spöttisch.

»Der vortreffliche Theodoros hat gehört, daß du, edler Festinus, nicht in der Lage bist, die Terwingen mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen«, erwiderte Athanaric ungerührt.

»Und er hat sich äußerst großzügig damit einverstanden erklärt, dir etwas überflüssiges Getreide aus der von ihm verwalteten Provinz zu schicken, um dich, vorzüglicher Festinus, bei deiner Aufgabe zu unterstützen, die hungernden Goten zu versorgen. Er erläutert dies in den Briefen, die ich dir, weiser Festinus, heute morgen überreicht habe.«

»Was ich in meiner Provinz tue, geht Theodoros einen Dreck an!« polterte Festinus verächtlich. »Ich habe über sein Angebot nachgedacht, und je länger ich darüber nachdenke, desto unverschämter erscheint es mir. Der Bursche hat es nur gemacht, um mich zu beleidigen! Er will mir zu verstehen geben, daß er mich für unfähig hält. Ich habe bereits Provinzen verwaltet, als er noch Maulaffen feilhielt! Von mir aus kann er sein Getreide in der Donau versenken.«

»Trotzdem«, meinte Athanaric immer noch in gemäßigter Lautstärke, jetzt allerdings mit einem scharfen Unterton, »ist es unzweifelhaft, daß die Goten fürchterlich hungern, seit sie römisches Land betreten haben. Und es ist immerhin möglich, daß die Barbaren versuchen könnten, sich durch Waffengewalt etwas zu essen zu verschaffen – zudem sie die sicherlich überzeugenden Gründe, die dich und den höchst geschätzten Lupicinus dazu veranlaßt haben, sie ohne Lebensmittel am Ufer des Flusses festzuhalten, wahrscheinlich nicht verstehen. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, etwas Getreide für sie aufzutreiben.«