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Festinus ließ ein verächtliches Schnaufen hören. Lupicinus starrte Athanaric mit offenem Mund an. »Wir haben den Barbaren befohlen, das Donauufer zu verlassen und zu uns nach Marcianopolis zu kommen«, brummte er mürrisch.

Athanaric sah ihn einen Augenblick lang an, dann beugte er sich auf seiner Ruhebank vor, und sein Gesicht rötete sich.

»Damit sie ihr Land in Besitz nehmen können?« erkundigte er sich.

»Um das Land in Besitz nehmen zu können, das ihre Erhabene Majestät ihnen zugeteilt hat«, stimmte ihm Lupicinus zu.

»Gott sei Dank!« Athanaric sank auf seine Ruhebank zurück, als drücke ihn Erleichterung und Erschöpfung in die Kissen. Er sah Sebastianus an, der seine Augenbrauen hob und die Achseln zuckte.

»Mir liegen Berichte darüber vor, daß sich in Thrazien mehr Goten befinden, als dort eigentlich sein sollten«, sagte Lupicinus zu niemandem im besonderen. »Die Greuthungen haben um die Erlaubnis nachgesucht, den Fluß ebenfalls zu überqueren, und ich glaube, einige von ihnen sind mit Unterstützung dieses Fuchses Frithigern bereits mit hinübergeschlüpft. Ich will den Kerl dazu zwingen, herzukommen und mir die Sache zu erklären.«

Die Offiziere fingen alle gleichzeitig an zu sprechen, wie eine Meute Hunde, die eine Fährte aufgenommen hat. Sie beteuerten, sie würden dem unerlaubten Eindringen der Greuthungen bald ein Ende setzen. Athanaric machte erneut einen besorgten Eindruck. Die Terwingen waren ein großer Stamm – selbst wenn sie geschwächt und geteilt waren. Auch die Greuthungen waren nicht zu unterschätzen. Falls sie ihre Kräfte vereinten und sich tatsächlich bereits beide diesseits des Flusses befanden, stellten sie einen durchaus ernstzunehmenden Gegnern dar.

»Jedenfalls kann Theodoros sein Getreide behalten«, sagte Festinus, als die Hunde mit Bellen aufgehört hatten. Es war ihm deutlich anzumerken, daß er Thorion noch stärker haßte als Thorion ihn: Er ließ sich nicht die kleinste Chance entgehen, seinen Feind zu schmähen. »Gott möge ihn zusammen mit seinem Getreide verfaulen lassen! Er ist ein hochnäsiger und heuchlerischer Tölpel, und nichts berechtigt ihn dazu, sich in meine Angelegenheiten hier in dieser Provinz einzumischen.«

»Vor allem nicht, nachdem er sich in deine Hochzeit eingemischt hat«, meinte Lupicinus und grinste boshaft.

Festinus fluchte. Er hatte bereits zuviel getrunken. »Jeder erzählt diese Geschichte, nur um mich zu ärgern«, erwiderte er wütend. »Dabei sollte sie eher Theodoros ärgern: Ich hatte daran gedacht, mich in Ephesus niederzulassen, und bereits einigen Landbesitz erworben. Dann sehe ich mich nach einer Frau um. Der ältere Theodoros wirft mir seine Tochter praktisch an den Hals – eine fünfzehnjährige, frigide kleine Göre, die aus nichts als großen Augen besteht und dauernd eine Rühr-michnicht-an-Miene aufsetzt. Ich bin einverstanden, das Mädchen zu nehmen, und ihr Vater ist höchst erfreut. Dann verschwindet sie plötzlich. Ihr Vater ist außer sich. Der junge Theodoros gibt aus reinem Hochmut und törichter Eitelkeit zu, daß er sie irgendwo versteckt hat. Er glaubt, über eine Verbindung mit meinem Haus erhaben zu sein, nur weil sein Großvater die Leiter der Macht raufgekrabbelt ist und ihm die Mühe erspart hat, es selbst zu tun. Benimmt sich so ein guterzogener junger Mann? Aber im Grunde genommen hat er mir damit nur einen Dienst erwiesen. Ich war aus dem Schneider: Ich habe dann gehört, das Mädchen sei mit einem Gladiator durchgebrannt.«

»Mit einem Gladiator?« fragte Sebastianus und lächelte. »Wie ungewöhnlich. Ich wußte gar nicht, daß es in Asien Gladiatoren gibt. Ich dachte, das sei etwas für den westlichen Geschmack.«

Festinus warf ihm einen gehässigen Blick zu. »Dann eben mit einem Wagenlenker.«

Lupicinus ließ ein wieherndes Lachen hören und rief nach frischem Wein. Dann erschienen erneut einige gotische Mädchen, diesmal waren sie in noch dünnere und kürzere Tunikas gekleidet. Sie fingen an zu tanzen, die Offiziere klatschten Beifall.

Ich hatte das Festmahl von Anfang an nicht gemocht, und inzwischen hatte ich nur noch den einen Wunsch, zu gehen, und zwar möglichst schnell. Es war mir egal, ob man mir nachsagte, ich sei mit einem Wagenlenker durchgebrannt, aber Festinus über mich schwadronieren zu hören war mir äußerst unangenehm. Und der Anblick der Befehlshaber, die sich dank der Profite, die sie mit Menschen wie Gudrun machten, mästeten und betranken und die drauf und dran waren, mit Mädchen ins Bett zu gehen, die von ihren Eltern verkauft worden waren, um der Hungersnot zu entgehen, machte mich krank vor Wut. Glücklicherweise verabschiedete sich Sebastianus ziemlich früh: Er entschuldigte sich damit, nach der Reise müde zu sein. Dies bedeutete, daß seine Gefährten mit ihm zusammen gehen konnten. Schweigend machten wir uns auf den Weg zurück ins Hauptquartier. Dort lud Sebastianus Athanaric und mich ein, ihm noch bei einem Becher Wein Gesellschaft zu leisten. »Allerdings keinen Falerner«, meinte er.

»Hast du Lupicinus etwa dazu überredet, die Goten hierherkommen zu lassen?« fragte Athanaric, als der Wein – es war ein mit warmem Wasser gemischter, gut verdünnter Chian – auf dem Tisch stand.

»Ich habe mit ihm über die Gefahren einer Erhebung gesprochen«, antwortete Sebastianus und rührte den Wein in seinem Becher um. »Ich hatte allerdings noch nichts davon gehört, daß die Greuthungen den Fluß ebenfalls überqueren wollen.

Das hat ihn wohl letztlich dazu veranlaßt. Nun, ich hoffe, sie bleiben drüben.«

»Das hoffe ich auch«, meinte Athanaric düster.

»Aber du fürchtest, Frithigern könne schon eine Art Erhebung in die Wege geleitet haben?«

Athanaric wischte diese Furcht beiseite. »Wenn Frithigern sich wirklich mit den Greuthungen verbünden sollte… Ach, selbst dann wird es wahrscheinlich nicht zum Krieg kommen. Wenn Lupicinus ihn richtig zu nehmen weiß, geht es vielleicht ohne jeden Ärger ab.« Aber seine Miene blieb umwölkt.

»Es gibt schließlich immer noch die Legionen«, meinte Sebastianus.

»Du vertraust der Überlegenheit der römischen Waffen allzu sehr«, erwiderte Athanaric hitzig. »Mein Vater kommandierte eine mit den Römern verbündete gotische Armee, die genau wie Frithigerns Männer bewaffnet und ausgebildet waren. Und als der Schlachtruf angestimmt wurde, waren sie nicht merklich schwächer als die regulären Truppen.«

»Aber die Terwingen werden doch immerhin schwächer sein, oder?« fragte Sebastianus. »Sie sind schließlich von den Hunnen besiegt worden und haben all diese Monate hindurch gehungert. Dazu sind die meisten von ihnen beim Überqueren der Donau entwaffnet worden. Aber ich hoffe, es kommt gar nicht erst dazu. Es wäre so sinnlos.«

»Es wäre sinnlos«, stimmte Athanaric ihm zu.

»Wo befinden sich die ehemaligen Truppen deines Vaters jetzt?« fragte Sebastianus in einem beiläufigen Tonfall.

»Hier in Thrazien, in Hadrianapolis«, erwiderte Athanaric gelassen. »Unter dem Befehl meiner Vettern Bessas und Colias.«

»Du könntest vielleicht irgend jemandem einen Tip geben, sie woanders hinzubeordern. Nein, ich will ihre Ergebenheit keineswegs in Frage stellen. Aber sie sind terwingische Goten und nach wie vor lediglich Verbündete, sie gehören also nicht zur regulären Armee. Es würde mir gar nicht gefallen, sie gegen ihr eigenes Volk führen zu müssen.«

»Sie würden dir keine Gefolgschaft leisten, nicht in einer derartigen Situation«, sagte Athanaric immer noch in gelassenem Tonfall. »Ich werde in meinem Bericht die Empfehlung aussprechen, sie in eine andere Diözese in Marsch zu setzen. Trotzdem wünschte ich, Festinus hätte eingewilligt, das Getreide anzunehmen. Man kann von den Terwingen kaum erwarten, daß sie mit leeren Mägen nach Marcianopolis marschieren.«

Sebastianus lachte rauh. »Da siehst du, was verschmähte Liebe alles zustande bringt!«