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Sein ruhiger Tonfall entspannte auch den Sergeant. Deutlich weniger erregt fragte er: »Das heißt also, Thrall wusste nicht, wie er aussieht?«

»Nein. Keine Spiegel, keine stillen Wasserflächen. Er hat gelernt, dass Orks Abschaum sind, was natürlich stimmt, und dass er nur weiterleben darf, weil er mir Geld bringt.«

Es wurde still, während beide Männer nachdachten. Der Sergeant kratzte sich an seinem roten Bart und sagte: »Jetzt weiß er es also, na und? Nur weil er als Ork geboren wurde, heißt das nicht, dass er selbst eine gehirnlose Bestie bleiben muss. Das ist er übrigens auch nicht. Wenn Ihr ihm erlauben würdet, sich menschlicher …«

Der Vorschlag des Sergeants verärgerte Blackmoore. »Er ist kein Mensch!«, brach es aus ihm hervor. »Er ist eine Bestie. Ich will nicht, dass er sich für einen großen grünhäutigen Menschen hält!«

»Dann sagt mir, Sir«, erwiderte der Sergeant, nachdem er kurz die Zähne zusammengebissen hatte, »für was soll er sich denn halten?«

Blackmoore hatte keine Antwort. Er wusste es nicht. Er hatte nie darüber nachgedacht. Alles war ihm so einfach erschienen, als er den Ork-Säugling gefunden hatte. Ziehe ihn als Sklaven auf, bringe ihm bei zu kämpfen, gib ihm ein wenig Menschlichkeit und setze ihn an die Spitze einer Armee aus ergebenen Orks, mit der er die Allianz angreift. Mit Thrall an der Spitze einer erstarkten Ork-Armee konnte Blackmoore eine Macht erlangen, die noch über seine wildesten Vorstellungen hinausging.

Aber es würde nicht funktionieren. Tief im Inneren wusste er, dass der Sergeant Recht hatte: Thrall musste verstehen, wie Menschen dachten und handelten, wenn er mit diesem Wissen über die bestialischen Orks herrschen sollte. Aber wenn er das verstand, würde er dann nicht rebellieren? Thrall musste stets seinen Platz kennen und an seine niedere Geburt erinnert werden. Es ging nicht anders. Beim Licht, was sollte er tun? Wie sollte er diese Kreatur behandeln, um aus ihr den perfekten Kriegsherrn zu formen – während alle anderen nur den Gladiatorenkämpfer in ihm sehen durften?

Er holte tief Luft. Er durfte vor diesem Diener nicht das Gesicht verlieren. »Thrall muss angeleitet werden, und zwar von uns«, sagte er bemerkenswert ruhig. »Er hat lange genug mit den Rekruten trainiert. Ich glaube, wir sollten ihn ganz auf den Kampf beschränken.«

»Sir, er ist sehr nützlich in der Ausbildung«, setzte der Sergeant an.

»Wir haben die Orks fast vernichtet«, sagte Blackmoore und dachte an die Orks, die zu Tausenden in die Lager gebracht wurden. »Ihr Anführer Doomhammer ist geflohen, und sie sind ein versprengtes Volk. Wir werden bald Frieden haben. Wir müssen den Rekruten nicht mehr beibringen, wie man gegen die Orks kämpft. Sie werden nur noch an Schlachten gegen andere Menschen teilnehmen, nicht mehr gegen Monster!«

Er fluchte innerlich, hatte er doch beinahe schon zu viel verraten. Der Sergeant wirkte, als habe er dies ebenfalls bemerkt, reagierte jedoch nicht darauf.

»Männer, die in Frieden leben, benötigen ein Ventil für ihre Blutgier«, sagte Blackmoore. »Thrall soll sich fortan auf Gladiatorenkämpfe beschränken. Er wird unsere Taschen füllen und uns Ehre einbringen.« Er grinste. »Ich bin noch keinem Mann begegnet, der einen Ork besiegen konnte.«

Thralls Aufstieg in den Reihen der Gladiatoren konnte man nur als phänomenal bezeichnen. Er erreichte seine vollständige Größe, als er noch sehr jung war, und über die Jahre füllte sich sein langer Körper aus. Jetzt war er der größte Ork, den viele je gesehen oder von dem sie je gehört hatten. Er war der Herr des Rings, und jeder wusste es.

Wenn er nicht gerade kämpfte, lebte er allein in seiner Zelle, die ihm mit jedem Tag kleiner erschien, obwohl Blackmoore ihm eine neue zur Verfügung gestellt hatte. Thrall verfügte jetzt über einen kleinen, abgetrennten Schlafbereich und einen wesentlich größeren Raum, in dem er trainieren konnte. Der eingelassene Ring wurde von einem Gitter bedeckt und enthielt eine ganze Reihe Übungswaffen sowie Thralls alten »Freund«, die stark mitgenommene Troll-Attrappe, an der er üben konnte. In manchen Nächten, wenn Thrall nicht schlafen konnte, stand er auf und reagierte seine Unruhe an der Puppe ab.

Die einsamen, düsteren Stunden wurden nur durch die Bücher erhellt, die Taretha ihm schickte, durch ihre liebgewonnenen Botschaften und die Tafel mit dem Griffel. Mindestens einmal die Woche unterhielten sie sich heimlich auf diese Weise, und Thrall stellte sich die Welt vor, so wie Taretha ihm davon erzählte. Es war eine Welt der Kunst, der Schönheit und der Freundschaft. Eine Welt, in der Essen nicht aus verdorbenem Fleisch und Brackwasser bestand. Eine Welt, in der auch er einen Platz hatte.

Ab und zu fiel sein Blick auf das immer stärker zerschlissene Wickeltuch mit dem Symbol des weißen Wolfskopfs auf blauem Grund. Dann sah er schnell weg, weil er meinte, dass seine Gedanken diesen Pfad nicht betreten sollten. Was hätte es gebracht? Er hatte genug Bücher gelesen (einige, die Tari ihm heimlich geschickt hatte und von denen Blackmoore nichts ahnte), um zu wissen, dass die Orks in kleinen Gruppen lebten, von denen jede über ein eigenes Symbol verfügte. Was also hätte er denn tun sollen? Blackmoore sagen, er wolle jetzt kein Sklave mehr sein – dürfe er also bitte gehen, um seine Angehörigen zu suchen …?

Trotzdem er absurd war, ließ ihn der Gedanke nicht mehr los. Sein eigenes Volk …

Tari hatte ihr eigenes Volk, ihre Familie, die aus Tammis und Clannia Foxton bestand. Man schätzte und liebte sie. Er war froh, dass sie so liebevoll aufwuchs, denn nur dank dieser Sicherheit hatte sie selbst die Herzenswärme entwickeln können, mit der sie ihm begegnete.

Manchmal fragte er sich, was die anderen Foxtons von ihm hielten. Tari erwähnte sie kaum noch. Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Mutter Clannia ihn an ihrer Brust gesäugt hatte, um sein Leben zu retten. Zuerst hatte dies Thrall berührt, doch als er älter wurde und mehr lernte, verstand er, dass Clannia es nicht aus Liebe zu ihm getan hatte, sondern nur um ihre Position bei Blackmoore zu verbessern.

Blackmoore. Alle Pfade seiner Gedanken endeten bei ihm. Wenn er Tari schrieb oder ihre Briefe las, oder wenn er in den Zuschauerrängen während der Gladiatorenkämpfe nach ihrem goldenen Haar suchte, konnte er vergessen, dass er jemandem gehörte. Er konnte sich auch in den aufregenden Momenten verlieren, die Sergeant »Blutgier« nannte, aber diese Augenblicke waren nur kurz. Selbst wenn Blackmoore Thrall besuchte, um über eine militärische Strategie zu sprechen, die Thrall studiert hatte, oder um eine Runde Falken und Hasen zu spielen, gab es keine Zuneigung, kein Gefühl von Familie, das ihn mit diesem Mann verband. Wenn Blackmoore in jovialer Stimmung war, sprach er mit ihm wie mit einem Kind. Und wenn er verärgert war und voll dunkler Wut, was häufiger vorkam, fühlte sich Thrall hilflos wie ein Neugeborenes. Blackmoore konnte befehlen, dass man ihn schlug oder aushungerte oder verbrannte oder ankettete, oder – das wäre die schlimmste aller Strafen gewesen, die Blackmoore aber zum Glück noch nicht eingefallen war – er konnte ihm seine Bücher verbieten.

Thrall wusste, dass Tari kein privilegiertes Leben führte, nicht verglichen mit dem Blackmoores. Sie war eine Dienerin und damit beinahe eine Sklavin, auch wenn man nur den Ork Sklave nannte. Aber sie hatte Freunde, sie wurde nicht angespuckt, sie hatte einen Platz gefunden.

Langsam, ohne dass er es selbst wollte, bewegte sich seine Hand und griff nach dem blauen Wickeltuch. In diesem Moment hörte er, wie die Tür aufgeschlossen und geöffnet wurde. Er ließ das Tuch fallen, als sei es etwas Schmutziges.

»Komm schon«, sagte einer der schlecht gelaunten Wächter und reichte ihm die Ketten. »Zeit zu kämpfen. Ich habe gehört, sie haben heute einen ziemlich guten Gegner für dich.« Er grinste humorlos und entblößte seine fleckigen Zähne. »Und Lord Blackmoore wird dir das Fell über die Ohren ziehen, wenn du nicht gewinnst.«

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