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Mehr als zehn Jahre waren vergangen, seit Leutnant Blackmoore auf einen Schlag einen elternlosen Ork und die Möglichkeit zur Erfüllung all seiner Träume gefunden hatte.

Für Thralls Herrn und die Menschheit im allgemeinen waren es gute und fruchtbare Jahre gewesen. Aedelas Blackmoore, einst Leutnant, nun Generalleutnant, hatte mit Spott leben müssen, als er seinen »Haus-Ork« zum ersten Mal nach Durnholde brachte. Das lag vor allem daran, dass niemand glaubte, das unglückliche kleine Ding könne überleben. Zum Glück hatte es Mistress Foxton und ihre prallen Brüste gegeben. Blackmoore konnte nicht verstehen, wie eine menschliche Frau es über sich brachte, einen Ork zu säugen. Dieses Angebot hatte seine Verachtung für seinen Diener und dessen Familie noch verstärkt, gleichzeitig jedoch Blackmoores Hintern gerettet. Deshalb hatte er ihnen Spielzeug, Essen und Bildung für ihr Kind geschenkt, obwohl es nur ein Mädchen war.

Es war ein schöner Tag, warm, aber nicht heiß. Das perfekte Kampfwetter. Der Baldachin mit seinen rot-goldenen Farben sorgte für angenehmen Schatten. Bunte Banner tanzten in einer leichten Brise, Musik und Gelächter umspielten Blackmoores Ohren. Der Geruch von reifen Früchten, frischem Brot und gegrilltem Wild lockte seine Nase. Jeder hier war bester Stimmung. Nach den Kämpfen würden einige nicht mehr so gut gelaunt sein, aber noch waren alle zufrieden und voller Erwartung.

Neben ihm lag, ausgestreckt auf einem gepolsterten Möbel, sein junger Protege Lord Karramyn Langston. Langston hatte dichtes braunes Haar, das zu seinen dunklen Augen passte, einen gestählten Körper und ein gewinnendes Lächeln. Außerdem verehrte er Blackmoore und war der einzige Mensch, dem dieser von seinem eigentlichen Plan erzählt hatte. Obwohl Langston wesentlich jünger als er war, teilte er viele von Blackmoores Idealen und seine Skrupellosigkeit. Sie passten gut zusammen. Langston war im warmen Sonnenschein eingeschlafen und schnarchte leise.

Blackmoore griff nach einem Stück gegrilltem Fasan und einem Kelch Rotwein, der so rot war wie das Blut, das bald in der Arena vergossen werden würde. Das Leben war wunderbar, und mit jeder Herausforderung, die Thrall meisterte, wurde es besser.

Blackmoore verließ die Arena nach den Kämpfen stets mit prall gefüllter Börse. Sein »Haus-Ork«, einst die Schande der Festung, war jetzt sein ganzer Stolz.

Natürlich waren die meisten Gegner Thralls Menschen – zwar einige der stärksten, gemeinsten und hinterhältigsten Menschen, aber doch letztendlich nur Menschen. Die anderen Gladiatoren waren brutale, abgebrühte Sträflinge, die versuchten, dem Kerker zu entrinnen, indem sie ihren Herren Geld und Ruhm verschafften. Einigen gelang dies, und sie erhielten ihre Freiheit. Die meisten aber tauschten ihr Gefängnis nur gegen ein anderes mit Teppichen an den Wänden und Frauen in ihren Betten, das trotz allem ein Gefängnis blieb. Die wenigsten Lords ließen ihre Gewinngaranten als freie Männer herumlaufen.

Aber einige von Thralls Gegnern waren nicht menschlich, und wenn er auf diese traf, wurde es interessant.

Es berührte Blackmoores Ehrgeiz nicht, dass die Orks geschlagen und am Boden waren und längst nicht mehr die furchteinflößende Streitmacht darstellten wie einst. Der Krieg war vorbei, und die Menschen hatten die Entscheidungsschlacht gewonnen. Jetzt ließ sich der Feind in spezielle Lager führen, beinahe so wie man Vieh nach einem Tag auf der Weide in den Stall bringt. Lager, dachte Blackmoore gutgelaunt, die allein er leitete.

Sein ursprünglicher Plan war gewesen, einen Ork zu einem guterzogenen loyalen Sklaven und einem furchtlosen Krieger zu erziehen. Er hatte Thrall aussenden wollen, um sein eigenes Volk zu besiegen – falls »Volk« ein passendes Wort für die hirnlosen grünen Raufbolde war. Nach ihrer Vernichtung hatte Blackmoore die zerstörten Clans in seinem Sinne einsetzen wollen.

Aber die Horde war von der Allianz besiegt worden, bevor Thrall seine erste Schlacht erleben durfte. Zuerst war Blackmoore darüber verärgert gewesen. Doch dann war ihm ein anderer Gedanke gekommen, wie er seinen Haus-Ork doch noch einsetzen könnte. Es setzte jedoch Geduld voraus, und davon hatte Blackmoore nur sehr wenig. Die Belohnung für die Geduld würde jedoch größer sein, als er es sich je erhofft hatte. Die inneren Streitigkeiten drohten, die Allianz zu zerreißen. Elfen verachteten Menschen, Menschen beleidigten Zwerge, und Zwerge misstrauten Elfen. Ein hübsches Geflecht aus Vorurteilen und gegenseitigen Verdächtigungen …

Er erhob sich von seinem Stuhl und beobachtete, wie Thrall einen der größten und gefährlichsten Männer besiegte, die Blackmoore je gesehen hatte. Der menschliche Gegner hatte keine Chance gegen die unbezähmbare grüne Bestie. Die Menge jubelte, und Blackmoore lächelte. Er winkte Tammis Foxton heran, und der Diener eilte gehorsam zu ihm.

»Herr?«

»Wie viele sind es heute?« Blackmoore wusste, dass er lallte, aber das störte ihn nicht. Tammis hatte ihn schon betrunkener erlebt. Tammis hatte ihn sogar schon betrunken zu Bett gebracht.

Tammis’ langes ängstliches Gesicht wirkte noch besorgter als sonst. Sein Blick zuckte zu den Flaschen und dann zurück zu Blackmoore.

Plötzliche Wut stieg in Blackmoore empor. Er packte Tammis’ am Kragen und zog ihn zu sich herab, bis er nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war.

»Zählst du die Flaschen, du erbärmlicher kleiner Wicht?«, zischte er mit leiser Stimme. Tammis fürchtete kaum etwas so sehr wie öffentliche Erniedrigung, aber so betrunken Blackmoore auch war, diese besondere Karte wollte er noch nicht spielen. Er drohte lediglich gerne damit, so wie jetzt auch. Mit leicht verschwommenem Blick sah er, wie Tammis erbleichte. »Du bringst deine eigene Frau dazu, einen Ork zu säugen und wagst es anzudeuten, dass ich Schwächen habe?«

Das weiße Gesicht des Mannes widerte ihn an. Er stieß ihn beiseite. »Ich wollte wissen, wie viele Runden Thrall gewonnen hat!«

»Oh, natürlich, Sir. Ein halbes Dutzend hintereinander …« Tammis stockte. Er sah erbärmlich aus. »Bei allem Respekt, Sir, die letzte Runde ist ihm schwer gefallen. Seid Ihr sicher, dass Ihr ihn noch drei weitere Kämpfe bestehen lassen wollt?«

Narren. Blackmoore war nur von Narren umgeben. Als der Sergeant am Morgen die Kampfreihenfolge gelesen hatte, hatte er Blackmoore ebenfalls gebeten, dem Ork wenigstens ein paar Minuten Ruhe zu gönnen und vielleicht die Kämpferliste zu ändern, damit die arme verwöhnte Kreatur sich zwischendurch erholen konnte.

»Oh nein. Die Wettquoten gegen Thrall steigen mit jedem Kampf. Er hat noch nie verloren, kein einziges Mal. Klar, dass ich jetzt aufhören und all den netten Leuten ihr Geld zurückgeben will«, spottete er und winkte Tammis angewidert davon. Thrall konnte einfach nicht besiegt werden. Weshalb sollte er diesen Vorteil nicht ausnutzen, wenn er die Gelegenheit dazu erhielt?

Thrall gewann den nächsten Kampf, doch selbst Blackmoore bemerkte, dass es ihm schwer fiel. Er rückte seinen Stuhl zurecht, um eine bessere Sicht zu bekommen. Langston tat es ihm gleich. Bei dem Kampf, der darauf folgte, dem achten von neun, die der Ork bestehen sollte, geschah etwas, das weder Blackmoore noch die Menge je erlebt hatte.

Der mächtige Ork war erschöpft. Die Gegner in dieser Runde waren zwei Bergkatzen, die man Wochen zuvor gefangen hatte. Bis zu diesem Morgen hatte man sie eingesperrt, gequält und kaum gefüttert. Als sich nun die Türen zur Arena öffneten, schossen sie auf den Ork zu, als hätte man sie aus einer Kanone gefeuert. Ihr beigefarbenes Fell verschwamm vor den Blicken, als sich beide gleichzeitig bewegten, ihn ansprangen und Thrall unter ihren Klauen und Zähnen zu Boden ging.

Die Menge schrie entsetzt auf. Blackmoore sprang auf und musste sich am Stuhl festhalten, um nicht zu stürzen. Das ganze Geld …

Und dann kam Thrall wieder empor! Er brüllte wütend und schleuderte die großen Tiere von sich, als wären sie nicht mehr als Eichhörnchen. Die beiden Schwerter, die in diesem Kampf die ihm zugeteilten Waffen waren, setzte er mit großem Geschick ein. Thrall kämpfte beidhändig, und die Klingen blitzten in der Sonne, als sie wirbelten und schnitten. Eine Katze war bereits tot, ihr Körper von einem einzigen Schlag beinahe in der Mitte geteilt worden. Das zweite Tier war durch den Tod des ersten noch aggressiver geworden und griff mit erhöhter Wut an. Dieses Mal ließ Thrall ihm keine Chance. Als die Katze in einem Wirbel aus Fell, Klauen und Zähnen sprang, war Thrall bereit. Sein Schwert fauchte nach links, nach rechts und wieder nach links. Die Katze fiel in vier blutigen Stücken zu Boden.