Ihr helles Haar sah im Mondlicht silbern aus. Sie schüttelte traurig den Kopf. »Er wird niemals zustimmen«, sagte sie. »Er ist zu stolz, um an das Wohl der Menschen zu denken, über die er befielt.«
»Dann bleib hier bei uns«, sagte Thrall. »Meine Leute haben Befehl, die Frauen und Kinder zu schonen, aber in der Hitze der Schlacht kann ich nicht für ihre Sicherheit garantieren. Du bist in Gefahr, wenn du zurückkehrst.«
»Wenn man entdeckt, dass ich nicht da bin«, antwortete Tari, »dann wird irgendjemand erkennen, dass etwas nicht stimmt. Sie könnten dich zuerst finden und angreifen. Und meine Eltern sind noch dort. Blackmoore würde seine Wut an ihnen auslassen, da bin ich mir sicher. Nein, Thrall.
Mein Platz ist auf Durnholde. Er ist es immer gewesen, selbst jetzt.«
Thrall blickte sie unglücklich an. Er kannte, was sie nicht kennen konnte: das Chaos der Schlacht, das Blut, den Tod und die Panik. Er hätte sie lieber in Sicherheit gewusst, wenn es ihm möglich gewesen wäre, aber er musste ihren Willen akzeptieren.
»Du hast Mut«, sprach unerwartet einer der Kundschafter. »Du riskierst dein eigenes Leben, um uns die Möglichkeit zu geben, unser Volk zu befreien. Unser Kriegshäuptling hat nicht gelogen. Manche Menschen, so scheint es, verstehen, was Ehre heißt.« Und der Ork verbeugte sich.
Taretha schien das zu gefallen. Sie wandte sich wieder Thrall zu. »Ich weiß, es klingt dumm, aber sei vorsichtig. Ich möchte dich morgen Abend treffen, um deinen Sieg mit dir zu feiern.« Sie zögerte. Dann sagte sie: »Ich habe Gerüchte über deine Kräfte gehört, Thrall. Stimmen Sie?«
»Ich weiß nicht, was du gehört hast, aber ich habe die Wege der Schamanen erlernt. Ich kann die Elemente kontrollieren. Ja.«
Ihr Gesicht schien zu leuchten. »Dann hat Blackmoore keine Chance gegen dich. Zeige Gnade in deinem Sieg, Thrall. Du weißt, wir sind nicht alle wie er. Hier. Ich möchte, dass du mein Kette hast. Ich habe sie so lange nicht gehabt, dass es sich falsch anfühlt, wenn ich sie behalte.«
Sie neigte den Kopf und nahm die silberne Kette mit dem halbmondförmigen Anhänger ab. Sie ließ sie in Thralls Hände fallen und faltete seine Finger darüber. »Behalte sie.
Gib sie deinem Sohn, wenn du einen hast, und vielleicht werde ich ihn eines Tages besuchen.«
Wie vor so vielen Monaten schon einmal trat Taretha vor und umarmte Thrall so gut sie es vermochte. Dieses Mal war er nicht überrascht über die Geste, sondern hieß sie willkommen und erwiderte sie. Er streichelte ihr seidiges Haar und hoffte verzweifelt, dass sie beide den kommenden Kampf überleben würden.
Sie trat einen Schritt zurück, streckte eine Hand aus, um sein Gesicht mit dem starken Kiefer zu streicheln, drehte sich zu den anderen um und nickte ihnen zu. Dann wandte sie sich ab und schritt entschlossen den Weg zurück, den sie gekommen war. Während er ihr nachblickte, hielt Thrall die Halskette fest in der Hand und spürte ein seltsames Gefühl in seinem Herzen. Pass auf dich auf Tari. Pass auf dich auf.
Erst als sie einige Distanz zwischen sich und die Orks gebracht hatte, erlaubte sich Tari Tränen. Sie hatte solche Angst, solch schreckliche Angst. Trotz ihrer tapferen Worte wollte sie ebenso wenig sterben wie irgendjemand sonst. Sie hoffte, dass es Thrall gelingen würde, seine Leute unter Kontrolle zu halten, denn sie wusste, dass er einzigartig war. Nicht alle Orks teilten seine Nachsicht mit den Menschen. Wenn man nur Blackmoore überreden könnte, zur Einsicht zu gelangen! Aber da wäre es wahrscheinlicher gewesen, dass ihr plötzlich Flügel wuchsen und sie all dem hier hätte davonfliegen können. Obwohl sie ein Mensch war, wünschte sie sich einen Sieg der Orks – einen Sieg für Thrall! Wenn er überlebte, würden die Menschen mit Mitgefühl behandelt werden. Das wusste sie. Wenn er fiel, konnte sie sich dessen nicht sicher sein. Und wenn Blackmoore gewann … Was Thrall als Sklave durchmachen musste, würde nichts gegen die Folter sein, die er dann von Blackmoore zu erwarten hatte.
Sie kehrte in den kleinen Stall zurück, öffnete die Luke im Boden und stieg in den Stollen hinab. Ihre Gedanken waren so sehr bei Thrall und dem bevorstehenden Kampf, dass ihr die Finsternis dieses Mal kaum zusetzte.
Taretha war noch immer tief in Gedanken versunken, als sie die Stufen zu Blackmoores Raum hinaufstieg und die Tür behutsam öffnete.
Plötzlich wurden die verdunkelten Laternen entblößt und tauchten Taretha in helles Licht. Sie keuchte auf. In einem Sessel direkt gegenüber der geheimen Tür saß Blackmoore. Langston und zwei brutal aussehende Wachleute umstanden ihn.
Blackmoore war stocknüchtern, und seine dunklen Augen glitzerten im Kerzenlicht. Sein Bart teilte sich zu einem Lächeln, das ihn wie ein hungriges Raubtier aussehen ließ.
»Schön, dich zu sehen, kleine Verräterin«, sagte er mit einer Stimme wie Samt. »Wir haben auf dich gewartet.«
19
Nebelig brach der Morgen an. Thrall roch den Regen, der in der Luft lag. Er hätte einen sonnigen Tag vorgezogen, um den Feind besser erkennen zu können, aber der Regen würde seine Krieger besonnener und maßvoller vorgehen lassen. Außerdem konnte Thrall den Regen kontrollieren, wenn es nötig werden sollte. Für den Augenblick ließ er das Wetter tun, was es wollte.
Er, Hellscream und eine kleine Gruppe von Eiswölfen würden vorausgehen. Die Armee würde ihnen folgen. Thrall wäre lieber in der Deckung der Bäume geblieben, aber eine Armee von beinahe zweitausend Kriegern benötigte die Straße. Wenn Blackmoore Späher postiert hielt, würde er gewarnt werden. Thrall konnte sich von seiner eigenen Zeit auf Durnholde nicht an solche Posten erinnern, aber die Dinge hatten sich inzwischen verändert.
Die von ihm angeführte Vorhut bewegte sich stetig auf der Straße nach Durnholde voran. Thrall rief einen kleinen Singvogel und bat ihn, sich für ihn umzusehen. Der Vogel kam nach kurzer Zeit zurück, und in seinem Geist hörte Thralclass="underline" Sie haben euch gesehen. Sie rennen zurück zur Festung. Andere sind unterwegs, um euch den Rückzug abzuschneiden.
Thrall runzelte die Stirn. Das war eine ziemlich gute Organisation für Blackmoores Verhältnisse. Trotzdem – seine Armee war den Männern auf Durnholde zahlenmäßig vierfach überlegen.
Der Vogel mit dem gelbschwarzen Körper und dem hellblauen Kopf hatte sich auf Thralls riesigem Zeigefinger niedergelassen und wartete. Flieg zurück zu meiner Armee und finde den alten, blinden Schamanen. Erzähle ihm, was du mir erzählt hast.
Der Vogel neigte den blauen Kopf und flatterte davon, um Thralls Bitte zu erfüllen. Drek’Thar war nicht nur ein Schamane, sondern auch ein erfahrener Krieger. Er würde wissen, wie er auf die Warnung des Vogels zu reagieren hatte.
Thrall und seine Gruppe bewegten sich ruhig und ohne Zögern vorwärts. Die Straße machte eine Biegung, und dann ragte Durnholde in seiner stolzen, steinernen Herrlichkeit vor ihnen auf. Thrall spürte eine Veränderung unter seinen Begleitern.
»Hebt die Parlamentärsflagge«, sagte er. »Wir werden uns an die Regeln halten. Das hält sie vielleicht davon ab, zu früh das Feuer zu eröffnen. Früher haben wir die Lager leicht erstürmt«, gab er zu. »Jetzt stehen wir vor einer schwierigeren Aufgabe. Durnholde ist eine Festung, und sie wird nicht leicht einzunehmen sein. Aber glaubt mir, wenn die Verhandlungen scheitern sollten, wird Durnholde fallen.«
Er hoffte, dass es nicht dazu kommen musste, aber er rechnete mit dem Schlimmsten. Es war unwahrscheinlich, dass Blackmoore Vernunft beweisen würde.
Während er sich mit seinen Gefährten näherte, konnte Thrall Bewegung auf den Zinnen ausmachen. Als er genau hinsah, erkannte er die Mündungen von Kanonen, die auf sie gerichtet waren. Bogenschützen nahmen ihre Positionen ein, und mehrere Dutzend Ritter zu Pferd kamen um die Seiten der Festung galoppiert, um sich vor ihr zu formieren. Sie trugen Lanzen und Speere und stoppten ihre Pferde. Sie warteten.