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Tarethas blaue Augen starrten blicklos aus ihrem abgeschlagenen Kopf zu ihm empor.

»So bestraf ich Verräter!« schrie Blackmoore und tanzte wild an der Brustwehr. »Das macht man mit Menschen, die man liebt und die einen verraten … die alles nehmen und nichts geben … die ihr Herz dreifach verfluchten Orks schenken!«

Das Lallen verschwand fast aus seiner Stimme.

Aber Thrall hörte ihn nicht. Donner grollte in seinen Ohren. Seine Knie gaben nach, und er fiel auf die Erde. Ihm wurde übel, und sein Blick verschwamm.

Das durfte nicht sein. Nicht Tari! Selbst Blackmoore war nicht fähig, einer Unschuldigen eine solche Abscheulichkeit anzutun!

Fast wünschte er sich, von Bewusstlosigkeit übermannt zu werden. Aber er blieb unerbittlich wach, starrte auf Taris langes blondes Haar, ihre blauen Augen und ihren blutigen, abgetrennten Hals. Dann verschwamm das schreckliche Bild. Nässe lief über sein Gesicht. Schmerz fraß sich in seine Brust, und Thrall erinnerte sich an die Worte, die Tari vor so langer Zeit zu ihm gesprochen hatte: Das nennt man Tränen. Sie kommen, wenn wir traurig sind, wenn unsere Seele krank ist. Es ist, als sei unser Herz so voller Schmerz, dass er nirgendwo anders mehr hin kann.

Aber es gab einen Ort, an den der Schmerz gehen konnte: in die Tat, in die Rache. Rote Wut vernebelte Thrall den Blick, und er warf seinen Kopf zurück und schrie mit einer Rage, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte. Der rohe Zorn verbrannte ihm schier die Kehle.

Der Himmel kochte. Dutzende von Blitzen spalteten die Wolken und blendeten für einen Moment die Augen. Das aufgebrachte Rollen des krachenden Donners, das folgte, machte die Ohren der Männer in der Festung sekundenlang taub. Viele ließen ihre Waffen fallen und sanken auf die Knie, von fassungslosem Entsetzen erfasst angesichts des Schauspiels elementarer Empörung, das so offensichtlich die Qualen des Ork-Führers widerspiegelte.

Blackmoore lachte und verwechselte Thralls Wut offenbar mit hilflosem Schmerz. Als das letzte Grollen des Donners erstarb, brüllte er: »Sie hab’n gesagt, man könne dich nich brechen! Aber schau, ich hab dich gebrochen, Thrall. Ich hab dich gebrochen!«

Thralls Schrei erstarb plötzlich, und er starrte Blackmoore an. Selbst auf die Entfernung konnte Thrall erkennen, wie das Blut aus Blackmoores Gesicht wich und sein Feind endlich zu verstehen begann, was er mit diesem grausamen Mord geweckt hatte.

Thrall war mit der Hoffnung gekommen, den Konflikt friedlich beenden zu können, aber Blackmoore hatte diese Chance vollkommen zerstört. Der Generalleutnant würde keinen weiteren Sonnenaufgang mehr erleben, und seine Burg würde wie Glas unter der Faust der Orks zerspringen.

»Thrall …« Es war Hellscream, der sich nicht sicher war, in welchem Zustand sich der junge Ork befand. Thrall, dessen Brust noch immer vor Kummer schmerzte und dem Tränen über das breite, grüne Gesicht rannen, spießte ihn mit einem wilden Blick auf. Zustimmung gemischt mit Verständnis zeigte sich auf Hellscreams Gesicht.

Thrall nutzte seine starke Fähigkeit zur Selbstkontrolle und hob langsam den gewaltigen Kriegshammer. Er begann mit den Füßen aufzustampfen, langsam, aber stetig, in einem machtvollen, regelmäßigen Rhythmus. Die anderen Orks schlossen sich ihm an, und zaghaft begann die Erde zu beben.

Langston starrte angeekelt und entsetzt auf das Haupt des Mädchens, das auf der Erde dreißig Fuß unter ihnen lag. Er kannte Blackmoores Grausamkeit, aber er hatte sich niemals vorstellen können …

»Was habt Ihr getan?« Die Worte explodierten aus dem Mund des Sergeants, der Blackmoore packte und ihn herumwirbelte, damit er ihm direkt ins Gesicht sehen konnte.

Blackmoore begann hysterisch zu lachen.

In den Eingeweiden des Sergeants wurde es kalt, als er die Schreie der Orks hörte und dann spürte, wie der Untergrund leicht zu beben begann. »Mylord, er bringt die Erde zum Aufbäumen … Wir müssen feuern!«

»Wenn zweitausend Orks mit’n Füßen aufstampfen, bebt natürlich der Boden!«, knurrte Blackmoore starrsinnig. Er wandte sich zurück zur Mauer und hatte offenbar vor, den Ork weiter mit Worten zu martern.

Wir sind verloren, dachte Langston. Jetzt war es zu spät, um sich zu ergeben. Thrall würde seine dämonische Magie herbeirufen und die Festung und jeden Einzelnen darin vernichten. Er wollte Rache für das Mädchen. Langstons Mund bewegte sich, aber er brachte keine Worte heraus. Er spürte, wie der Sergeant ihn anstarrte.

»Ich verfluche euch, ihr hochgeborenen, herzlosen Bastarde«, zischte er, bevor er brüllte: »Feuer!«

Thrall zuckte nicht einmal, als die Kanonen ihre tödliche Ladung ausspien. Hinter sich hörte er Schmerzensschreie, aber er blieb unberührt. Er rief den Geist der Erde, schüttete seine Verzweiflung aus, und die Erde antwortete. In einer präzisen Linie warf sich die Erde auf und lief unmittelbar von Thralls Füßen aus zu dem riesigen Tor hin – wie der Schacht eines gigantischen Maulwurfs. Das Tor wurde erschüttert. Die Mauer, die es umgab, zitterte, und ein paar kleine Steine fielen herab, aber die Festung war besser gebaut als die Lager, und die Mauer hielt stand.

Blackmoore kreischte. Sein Blick erkannte auf einmal sehr scharf, was um ihn herum vorging, und zum ersten Mal, seit er sich genug Mut angetrunken hatte, um die Hinrichtung von Taretha Foxton zu befehlen, dachte er wieder klar.

Langston hatte nicht übertrieben. Thralls Kräfte waren gewaltig, und seine Taktik, den Ork zu brechen, war gescheitert. Tatsächlich hatte er ihn zu noch größerer Wut angestachelt, und während Blackmoore in Panik und mit einem Gefühl von Übelkeit in der Kehle zusah, flossen Hunderte … nein, Tausende riesiger, grüner Gestalten in einem tödlichen Strom die Straße hinunter.

Er musste hier weg. Thrall würde ihn töten. Er wusste es. Irgendwie würde Thrall ihn finden und töten für das, was er mit Taretha gemacht hatte …

Tari, Tari, ich liebte dich. Warum hast du mir das angetan?

Jemand schrie. Langston kläffte Blackmoore ins Ohr, das hübsche Gesicht gerötet, die Augen vor Furcht hervorgetreten. Die Stimme des Sergeants war an seinem anderen Ohr und spie sinnlosen Lärm. Blackmoore starrte die beiden hilflos an. Der Sergeant blökte weitere Worte, dann wandte er sich den Männern zu. Sie fuhren fort, die Kanonen zu laden und abzufeuern, und unter Blackmoore stürmten die Ritter gegen die Reihen der Orks. Er hörte Schlachtrufe und das Krachen von Stahl. Die schwarzen Rüstungen seiner Männer verschmolzen scheinbar mit der hässlichen, grünen Haut der Orks, und hier und da gab es ein Aufblitzen weißen Fells, als … Beim Licht! War es Thrall wirklich gelungen, weiße Wölfe in seine Armee aufzunehmen?

»Zu viele«, flüsterte er. »Es sind zu viele. So viele von ihnen …«

Wieder zitterten die Mauern der Festung. Angst, wie Blackmoore sie noch nie gekannt hatte, ergriff Besitz von ihm, und er fiel auf die Knie. In dieser Haltung kroch er wie ein Hund die Stufen hinab in den Hof.

Die Ritter waren alle draußen. Sie kämpften und, davon war Blackmoore überzeugt, starben. Im Inneren der Festung schrien die Männer, die noch übrig waren, und packten, was sie finden konnten, um sich zu verteidigen – Sensen, Mistgabeln, sogar die hölzernen Übungswaffen, mit denen ein viel jüngerer Thrall einst seine Kampfkünste trainiert hatte. Ein eigenartiger, jedoch vertrauter Geruch stieg in Blackmoores Nase. Furcht, ja, das war es. Er kannte den Gestank aus vergangenen Schlachten, hatte ihn noch an den Leichen der Gefallenen gerochen. Er hatte vergessen gehabt, wie er ihm stets den Magen umdrehte.

So hätte es nicht sein sollen. Die Orks auf der anderen Seite des zitternden Tores hätten seine Armee sein müssen. Ihr Führer, der da draußen wieder und wieder Blackmoores Namen schrie, war eigentlich sein unterwürfiger, gehorsamer Sklave. Und Tari sollte hier sein … wo war sie denn …? Und dann erinnerte er sich. Er erinnerte sich wie seine eigenen Lippen den Befehl bildeten, der ihr das Leben raubte, und ihm wurde vor den Augen seiner eigenen Männer abgrundtief schlecht. »Er hat die Kontrolle verloren!«, brüllte Langston, nur wenige Zoll vom Ohr des Sergeants entfernt. Er brüllte, damit der andere ihn im Lärm der Kanonen, der auf Schilde prallenden Schwerter und der Schmerzenschreie hören konnte. Wieder erzitterten die Mauern.