»Er hat die Kontrolle schon vor langer Zeit verloren!« gab der Sergeant zurück. »Ihr habt jetzt das Kommando, Lord Langston! Was sollen wir tun?«
»Kapitulation!«, kreischte Langston ohne zu zögern. Der Sergeant, die Augen auf die Schlacht gerichtet, die dreißig Fuß unter ihnen wütete, schüttelte den Kopf.
»Dazu ist es zu spät! Blackmoore hat uns alle dem Tod geweiht. Wir müssen um unser Leben kämpfen, bis Thrall wieder über Frieden sprechen will … falls er das jemals wieder vorhat. Was sollen wir also tun?«, verlangte der Sergeant ein weiteres Mal zu wissen.
»Ich … ich …« Alles, was auch nur im Entferntesten an einen logischen Gedanken erinnerte, war aus Langstons Hirn gewichen. Diese Sache namens Schlacht, er war nicht dafür geschaffen – schon zwei Mal war er in ihrem Angesicht zusammengebrochen. Er wusste, dass er ein Feigling war, und er verachtete sich dafür. Aber das änderte nichts an der Tatsache.
»Wollt Ihr, dass ich das Kommando über die Verteidigung von Durnholde übernehme, Sir?« fragte der Sergeant.
Langston richtete nasse, dankbare Augen auf den älteren Mann und nickte.
»In Ordnung dann«, sagte der Sergeant, wandte sich den Männern im Hof zu und begann, Befehle zu schreien.
In diesem Moment gab das Tor krachend nach, und eine Welle von Orks brandete in den Hof einer der am stärksten gebauten Festungen des Landes.
20
Der Himmel öffnete seine Schleusen, und schwerer Regen strömte herab wie ein wilder Fluss. Blackmoores schwarzes Haar klebte an seinem Schädel, und er rutschte im glitschigen Schlamm des Hofes aus. Er landete mit dem Gesicht auf dem Boden, aber er zwang sich, wieder auf die Beine zu kommen und torkelte weiter. Es gab nur einen Weg aus dieser blutigen, lärmenden Hölle.
Er erreichte sein Quartier und rannte zu seinem Schreibtisch. Mit zitternden Fingern suchte er nach dem Schlüssel. Er ließ ihn zweimal fallen, bevor es ihm gelang, zu dem Wandteppich neben seinem Bett zu stolpern, das Gewebe herunterzureißen und den Schlüssel ins Schloss zu stecken.
Blackmoore stürmte in die Dunkelheit, vergaß die Stufen und fiel sie hinunter. Doch die Trunkenheit hatte seinen Körper schlaff wie eine Stoffpuppe werden lassen, und er erlitt nur ein paar blaue Flecke. Das Licht, das durch die Tür schien, reichte wenige Meter weit, und vor ihm wartete absolute Finsternis. Er hätte eine Lampe mitnehmen sollen, aber dafür war es jetzt zu spät. Es war für viele Dinge zu spät …
Er lief so schnell ihn seine Beine trugen. Die Tür auf der anderen Seite würde noch immer entriegelt sein. Er würde entkommen, in den Wald fliehen, und wenn das Töten vorbei war, würde er zurückkehren und vorgeben … er wusste es nicht. Irgendetwas.
Die Erde bebte wieder, und Blackmoore wurde zu Boden geworfen. Er fühlte, wie kleine Steinbrocken und Erdklumpen auf ihn herabregneten, und als die Erschütterung nachließ, erhob er sich wieder und lief mit vorgestreckten Armen weiter. Staub hing dicht in der Luft. Er musste husten.
Dann stießen seine Finger gegen einen großen Steinhaufen. Der Tunnel vor ihm war eingestürzt! Ein paar wilde Sekunden lang versuchte Blackmoore sich einen Weg nach draußen zu graben. Dann sank er schluchzend zu Boden. Was jetzt? Was sollte jetzt aus Aedelas Blackmoore werden?
Wieder erzitterte die Erde. Blackmoore kam auf die Beine und rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Die Angst vor dem, was ihn dort erwarten mochte, war stark. Aber der Überlebensinstinkt war stärker. Ein schrecklicher Lärm zerriss die Luft, und Blackmoore erkannte, dass der Tunnel nur wenige Schritte hinter ihm ebenfalls einstürzte. Der Schock spornte ihn an, und er rannte wie von Furien gehetzt in Richtung auf sein Quartier. Die Decke des Stollens gab nun unablässig hinter ihm nach und verfehlte ihn jedes Mal Haaresbreite. Es war, als galoppiere der Tod hinter ihm her und versuche ihn einzuholen.
Blackmoore stolperte die Stufen hinauf und warf sich nach vorn, während in seinem Nacken der Rest des Tunnels mit einem ohrenbetäubenden Bersten zusammenbrach. Blackmoore griff nach den Binsenmatten auf dem Boden als könnten sie ihm einen Halt in dieser plötzlich wahnsinnig gewordenen Welt bieten. Das schreckliche Zittern der Erde schien kein Ende nehmen zu wollen.
Schließlich hörte es auf. Er bewegte sich nicht, lag nur mit dem Gesicht auf dem Boden und keuchte schweratmend.
Ein Schwert erschien aus dem Nichts und klirrte ein paar Zoll vor seiner Nase gegen Stein. Mit einem Schrei zuckte Blackmoore zurück. Er blickte auf und sah Thrall vor sich stehen, das Schwert in der Hand.
Blackmoore hatte vergessen, wie groß Thrall war. In schwarzer Rüstung und mit einem riesigen Schwert ragte er vor dem am Boden liegenden Blackmoore wie Berg auf. Hatte sein hässliches Kinn schon immer eine solche Entschlossenheit ausgedrückt, eine solche … Präsenz?
»Thrall«, begann Blackmoore mit zittriger Stimme. »Ich kann es erklären …«
»Nein«, sagte Thrall mit einer Ruhe, die Blackmoore mehr Angst einflößte, als es jede Wut es vermocht hätte. »Du kannst es nicht erklären. Es gibt keine Erklärung. Es gibt nur einen Kampf, der schon immer unausweichlich war, ein Duell auf Leben und Tod. Nimm das Schwert.«
Blackmoore zog sich mühsam auf die Beine. »Ich … ich …«
»Nimm das Schwert«, wiederholte Thrall mit grollender Stimme, »oder ich durchbohre dich hier, wo du gerade kauerst.«
Blackmoore streckte eine zitternde Hand aus und schloss sie um den Griff des Schwertes.
Gut, dachte Thrall. Zumindest würde ihm Blackmoore die Genugtuung eines Kampfes geben.
Die erste Person, auf die der Ork sich gestürzt hatte, war Langston. Es war nicht schwer gewesen, den jungen Lord einzuschüchtern und ihn dazu zu bringen, von dem unterirdischen Fluchttunnel zu erzählen. Frischer Schmerz schnitt in Thralls Herz, als ihm klar wurde, dass dies der Weg gewesen sein musste, auf dem Taretha nach draußen geschlichen war, um sich mit ihm zu treffen.
Er rief die Erdbeben, um den Tunnel zu versiegeln und Blackmoore zu zwingen zurückzukehren. Während er wartete, schob er wütend die Möbel aus dem Weg, um Platz zu schaffen für ihren letzten Kampf.
Dann war ein verängstigter Blackmoore aus dem Tunnel gestolpert …
Thrall starrte den Generalleutnant an, als dieser sich schwankend erhob. War das wirklich derselbe Mann, den er als Kind gleichzeitig bewundert und gefürchtet hatte? Es war schwer zu glauben. Dieser Mann war ein körperliches und seelisches Wrack. Der vage Schatten des Mitleids suchte Thrall wieder heim, aber er ließ nicht zu, dass er die Gräueltaten vergaß, die Blackmoore begangen hatte.
»Greif mich an«, knurrte Thrall.
Blackmoore sprang vor. Er war schneller und konzentrierter als Thrall angesichts des betrunkenen Zustands erwartet hätte, und der Ork musste tatsächlich schnell reagieren, um nicht getroffen zu werden. Er parierte den Hieb und wartete darauf, dass Blackmoore erneut zuschlug.
Der Konflikt schien den Lord von Durnholde wiederzubeleben. Ein Schatten von Wut und Entschlossenheit erschien auf seinem Gesicht, und seine Bewegungen wurden sicherer. Er täuschte links einen Angriff vor und schlug dann rechts hart zu. Es gelang Thrall, den Hieb abzublocken.
Nun griff er selbst an, überrascht und irgendwie erfreut darüber, dass Blackmoore sich verteidigen konnte und nur eine leichte Schürfwunde auf seiner ungeschützten linken Seite davongetragen hatte. Blackmoore erkannte seine Schwäche und sah sich nach etwas um, das ihm als Schild dienen konnte.