Mit einem Grunzen riss Thrall die Tür aus ihren Angeln und warf sie Blackmoore vor die Füße. »Versteck dich hinter der Tür eines Feiglings!«, schrie er.
Die Tür, die einen guten Schild für einen Ork abgegeben hätte, war natürlich viel zu groß für Blackmoore. Er stieß sie wütend beiseite.
»Es ist noch immer nicht zu spät, Thrall«, sagte er und brachte den Ork aus der Fassung. »Du kannst dich mir anschließen. Wir können immer noch zusammenarbeiten. Natürlich werde ich die anderen Orks befreien, wenn du mir versprichst, mit mir unter meinem Banner zu kämpfen – wie du es ohnehin tun wirst!«
Thrall war so wütend, dass er sich nicht konzentriert genug verteidigte, als Blackmoore unerwartet vorsprang. Er brachte das Schwert zu spät hoch, und Blackmoores Klinge klirrte von der Rüstung ab. Es war ein sauberer Hieb gewesen, und nur die Panzerung hatte Thrall vor einer Verletzung bewahrt.
»Du bist immer noch betrunken, Blackmoore, wenn du auch nur einen Augenblick lang glaubst, ich könnte den Anblick von …«
Wieder wurde Thralls Welt rot. Die Erinnerung an Tarethas blaue Augen, die ihn blicklos anstarrten, war mehr, als er ertragen konnte. Bisher hatte er sich zurückgehalten und versucht, Blackmoore zumindest eine faire Chance einzuräumen, aber jetzt schlug er alle Rücksicht in den Wind. Mit der Unaufhaltsamkeit einer Flutwelle, die auf eine Küstenstadt zurast, griff Thrall Blackmoore an. Jeder Schlag, jeder Wutschrei brachte Erinnerungen an seine Jugend zurück, an die Grausamkeit dieses Mannes. Als Blackmoore das Schwert aus den Fingern flog, sah Thrall Tarethas Gesicht, das freundliche Lächeln, das keinen Unterschied zwischen Mensch und Ork machte.
Und als er Blackmoore in eine Ecke trieb und diese Ruine eines Mannes einen Dolch aus seinem Stiefel zog und damit nach Thralls Gesicht stach – dabei nur knapp ein Auge verfehlend –, da brüllte die Rache in Thrall, und er führte sein Schwert mit aller Kraft auf den Mann herab.
Blackmoore starb nicht sofort. Er kniete keuchend am Boden, während seine Finger hilflos die Seite hielten, aus der das Blut in einem erstaunlichen roten Strom gepumpt wurde. Er starrte mit glasigen Augen zu Thrall empor. Blut rann ihm auch aus dem Mund, und zu Thralls Erstaunen lächelte er dazu.
»Du bist … was ich aus dir gemacht habe … Ich bin so stolz …« Mit diesen letzten Worten fiel er gegen die Wand.
Thrall trat in den Festungshof. Strömend prasselte der Regen auf ihn nieder. Hellscream kam durch die Pfützen auf ihn zu gerannt. »Berichtet«, verlangte Thrall, während seine Augen bereits die Szene überblickten.
»Wir haben Durnholde erobert, mein Kriegshäuptling«, sagte Hellscream. Er war von Blut bedeckt und sah begeistert aus. Seine roten Augen leuchteten hell. »Die Verstärkung der Menschen ist immer noch Meilen entfernt. Die meisten von denen, die Widerstand geleistet haben, sind überwältigt. Wir sind fast damit fertig, die Burg zu durchsuchen und jene zu entfernen, die nicht in den Kampf eingriffen. Die Frauen und Kinder sind unverletzt, wie du es verlangt hast.«
Thrall sah Ork-Krieger, die Gruppen menschlicher Männer umstanden. Die Menschen hockten im Schlamm und starrten finster auf ihre Gegner, von denen sie besiegt worden waren. Dann und wann wehrte sich einer, aber er wurde schnell wieder in seine Schranken verwiesen. Thrall bemerkte, dass die Orks sehr darauf brannten, ihre Gefangenen zu verletzen, aber sie hielten sich zurück.
»Findet mir Langston.«
Hellscream eilte fort, um Thralls Geheiß zu erfüllen, und Thrall ging von Gruppe zu Gruppe. Die Menschen waren entweder verängstigt oder kampflustig, aber es war klar, wer jetzt die Kontrolle über Durnholde hatte. Er wandte sich um, als Hellscream zurückkehrte und Langston mit gut gezieltem Ansporn seines Schwertes vor sich hertrieb.
Sofort fiel Langston vor Thrall auf die Knie. Mit einem Gefühl vager Abscheu befahl ihm Thrall aufzustehen. »Du hast jetzt das Kommando, nehme ich an?«
»Nun, der Sergeant … Ja. Ja, ich habe das Kommando.«
»Ich habe eine Aufgabe für dich, Langston.« Thrall beugte sich hinunter, um ihm auf gleicher Höhe in die Augen zu blicken. »Du und ich, wir wissen, welchen Verrat Blackmoore geplant hatte. Ihr wolltet eure Allianz angreifen. Ich biete dir eine Chance, deine Schuld wiedergutzumachen, wenn du sie annimmst.«
Langstons Augen musterten Thrall, und ein wenig von seiner Furcht verließ das Gesicht des jungen Mannes. »Was soll ich tun?«
»Bring eine Botschaft zu den Herren deiner Allianz. Erzähl ihnen, was heute hier geschehen ist. Sag ihnen, wenn sie den Weg des Friedens wählen, dann werden sie uns bereit finden zum Handel und zur Zusammenarbeit, vorausgesetzt, sie befreien den Rest meines Volkes und geben uns Land – gutes Land – für unsere Bedürfnisse. Wenn sie den Weg des Krieges wählen, werden sie auf einen Feind treffen, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt haben. Ihr dachtet, wir seien vor fünfzehn Jahren stark gewesen – aber das war nichts gegen den Feind, der euch heute auf dem Schlachtfeld gegenübertreten würde. Du hast das Glück gehabt, zwei Schlachten gegen meine Armee zu überleben. Du bist, da bin ich mir sicher, in der Lage, das ganze Ausmaß der Bedrohung, die wir für die Allianz darstellen würden, zu vermitteln.«
Langston war unter dem Schlamm und dem Blut auf seinem Gesicht blass geworden. Aber er blickte Thrall weiter ruhig in die Augen.
»Gebt ihm ein Pferd und Proviant«, sagte Thrall, der überzeugt war, dass der Mann seine Botschaft verstanden hatte. »Langston soll ungehindert zu seinen Herren reiten. Ich hoffe, um deines Volkes Willen, dass sie auf dich hören werden. Jetzt geh.«
Hellscream packte Langston am Arm und führte ihn zu den Ställen. Thrall sah, dass entsprechend seinen Anweisungen alle Orks, die nicht damit beschäftigt waren, die Menschen zu bewachen, eifrig Vorräte aus der Burg schafften. Pferde, Vieh, Schafe, Kornsäcke, Bettzeug für Verbände – all die Dinge, die eine Armee benötigte, würden der neuen Horde bald zur Verfügung stehen.
Es gab einen weiteren Mann, mit dem er sprechen musste, und nach einer Weile fand er ihn. Sergeants Gruppe hatte ihre Waffen nicht herausgegeben, aber sie benutzten sie auch nicht. Orks und Menschen standen sich bewaffnet gegenüber, doch keiner schien einen offenen Kampf zu wollen.
Sergeants Augen verengten sich vorsichtig zu Schlitzen, als er sah, dass Thrall sich näherte. Der Kreis der Orks teilte sich, um den Kriegshäuptling durchzulassen. Eine lange Zeit blickten sich Sergeant und Thrall nur schweigend an. Dann, schneller als selbst Sergeant es ihm zugetraut hätte, war Thralls Hand an Sergeants Ohrläppchen und packte den goldenen Ring fest zwischen seinen dicken, grünen Fingern. Dann ließ Thrall ihn ebenso schnell wieder los. Der Ohrring blieb, wo er war.
»Ihr habt mich gut geschult, Sergeant«, erklärte Thrall.
»Du warst ein guter Schüler, Thrall«, antwortete Sergeant vorsichtig.
»Blackmoore ist tot«, sagte Thrall. »Meine Leute bringen die Menschen aus der Festung und plündern die Vorräte, während wir sprechen. Durnholde steht nur noch, weil ich will, dass Durnholde steht.« Um seinen Satz zu unterstreichen, stampfte er einmal auf den Boden, und die Erde bebte hart.
»Ihr habt mich gelehrt, Gnade zu gewähren. In diesem Augenblick solltet Ihr froh sein über diese Lektion. Ich werde Durnholde in wenigen Minuten dem Erdboden gleichmachen. Eure Verstärkung wird nicht rechtzeitig eintreffen, um Euch noch irgendeine Hilfe zu sein. Wenn Eure Männer bereit sind, sich zu ergeben, dürfen sie und ihre Familien gehen. Wir werden dafür sorgen, dass sie Essen und Wasser, sogar Waffen, bekommen. Wer sich nicht ergibt, wird in den Trümmern von Durnholde sterben. Ohne diese Festung und ihre Ritter, die die Lager bewacht haben, wird es uns leicht fallen, den Rest unseres Volkes zu befreien. Das ist stets mein einziges Ziel gewesen.«
»Wirklich?«, fragte Sergeant. Und Thrall wusste, dass er an Blackmoore dachte.