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»Mein lieber Albez«, sagte er, und sein Gesicht war ernst. »Sie erzählen mir eben, daß Sie ein neues Buch schreiben?«

»Ja, gewiß.« Dr. Albez staunte und wußte nichts mit dieser Frage anzufangen.

»Wollen Sie das Werk unter Ihrem Namen Albez veröffentlichen?«

»Aber ja! Warum denn nicht?! Wie die anderen Bücher auch!«

Destilliano wiegte den Kopf und stockte einen Augenblick.

»Zwischen damals und heute liegen zwei Jahre. Sie galten als vermißt, die Polizei gab sich alle Mühe - ohne Erfolg. Sie gelten jetzt als tot!«

»Sehr interessant ...«

»Ja. - Tauchen Sie nun wieder auf, so gibt das eine endlose Kette von Verhören, Berichten, das Ministerium schaltet sich ein, es wird eine Sensation - Untersuchungen jagen sich ... kurz, der riesige Beamtenapparat spielt auf der ganzen Klaviatur! Das möchte ich gerade in Ihrem rätselhaften Fall vermeiden. Ich habe deshalb auch schon vorgegriffen und Sie als einen Besuch aus Spanien angemeldet.«

Dr. Albez war zunächst so erstaunt, daß er keine Antwort fand. Diese Argumente Destillianos konnte er zwar nicht voll einsehen, denn eine Sensation wäre die beste Reklame für seine weiteren Bücher gewesen, aber auf der anderen Seite erkannte er die Unmöglichkeit, seinem freundlichen Gastgeber in einen gesellschaftlichen Skandal zu ziehen.

»Und als welche Puppe soll ich nun weiterleben?« fragte er sarkastisch.

Destilliano lächelte.

»Als Jose Biancodero aus Sevilla, Schriftsteller und Freund meines Hauses. - Aber bitte, nur Dritten gegenüber. Für Anita und mich sind und bleiben Sie« - er stockte einen Augenblick vor der Lächerlichkeit der Behauptung -, »Doktor Fernando Albez.«

Da auch diese Klippe glücklich umschifft war, sah Professor Destilliano keine Gefahr mehr, Dr. Albez auf die Menschheit loszulassen. Äußerlich war er unbekannt, und wollte er doch einmal sich als der verstorbene Albez vorstellen, so würde dies als ein taktloser Witz betrachtet werden, über den man höchstens anstandshalber lächelt. Wann er allerdings in den>Export<eingeschaltet werden konnte, war noch nicht abzusehen. Vorerst wollte Destilliano seine Tätigkeit nur auf die Beobachtung beschränken und dem >Patienten<, wie er ihn im stillen nannte, freien Lauf lassen.

Mit besonderer Spannung erwartete er die Auswirkungen des

Verhältnisses Dr. Albez' zu Anita, und es regte sich im Gewissen Destillianos nichts, wenn er daran dachte, daß Peter van Brouken in Amsterdam eine vergrämte Frau und einen kleinen Sohn besaß. Für ihn war dieser Fall nicht nur ein psychologisches Experiment, sondern ein völlig neues, noch nicht erschlossenes Forschungsgebiet, das zu den großen, unlösbaren Rätseln der Menschheit gehörte.

Zwischen Anita und Dr. Albez spannen sich in den nächsten Wochen zarte, zunächst noch unbewußte Fäden. Wenn auch der Schriftsteller kaum aus seinem Zimmer kam und am Tag und selbst in der Nacht über den Papieren hockte und schrieb, sich kaum Zeit für das Essen gönnte und nur ab und zu einen forschenden Blick auf die jedesmal errötende Anita warf - beide fühlten sie doch im Herzen, daß dieses Warten einmal ein Ende haben würde.

Es war an einem heißen Augustabend, als die ersten Schranken ihrer Herzen fielen.

Professor Destilliano war in die Vorstadt Belem gefahren, um einen Patienten zu besuchen, und Dr. Albez saß in der halb von wucherndem Gebüsch zugewachsenen Laube im Garten. Er schaute durch das glaslose Fenster auf den in der untergehenden Sonne karminrot leuchtenden Monte do Castello, hatte einen Stapel Papier vor sich liegen und überlegte den Fortgang eines Kapitels seines neuen Romanes.

Heiß stand die Luft über dem Garten. Es war drückend und atembeklemmend.

So saß er eine ganze Weile und starrte auf die sich in Violett verfärbende Burg. Als er sich umwandte, um weiterzuschreiben, stand Anita vor ihm und lächelte. Er hatte sie nicht kommen hören und war verblüfft und doch seltsam beglückt.

»Sie, Anita?« fragte er, und seine Stimme war ungewollt leise.

»Ich ging durch den Garten und sah in der Laube etwas

Weißes. Da trat ich näher und sah, daß Sie es sind.«

Das mühsam angefangene Gespräch stockte. Es fehlte die Verbindung zu weiteren Worten. Endlich, nachdem sie sich schweigend und verlegen gpgenüberstanden, sagte sie: »Können Sie denn hier draußen in der Hitze arbeiten?«

»Ich sammle nur Gedanken«, antwortete er. »Wissen Sie, ich stelle die Handlung zusammen und notiere mir den Verlauf.«

»Und woran dachten Sie eben, als Sie auf das Castello blickten? An ferne Länder, an Sonnenuntergang im Meer, an grenzenlose Weiten?«

»Nein ... An die Liebe und an eine herrliche, schöne Frau.«

Anita blickte zu Boden und spielte mit den Knöpfen ihres Kleides. Jetzt erst sah Dr. Albez, daß sie ein luftiges, tief ausgeschnittenes Sommerkleid trug.

»Sie sind ein Märchen«, sagte er leise ... »Ein Traum sind Sie, Anita ... «

»Das sollten Sie nicht sagen«, antwortete sie verschämt. »Ich könnte es glauben ...«

»Anita!«

Er riß das bebende Mädchen an sich, hob ihren Kopf zu sich hoch und blickte ihr in die flatternden Augen.

»Anita ... nenne es Wahnsinn, nenne es den Impuls einer Leidenschaft ... es ist alles nicht wahr ... Ich weiß es selbst nicht, wie es geschah ... Ich liebe dich!«

»Fernando!« Anita legte ihre weichen Arme um seinen Hals. »Fernando ... seit ich dich sah, schlafe ich keine Nacht, ohne an dich zu denken ...«

Wild küßte er ihre heißen, feuchten Lippen, fühlte, wie sie ihn wiederküßte, spürte ihre kleinen, spitzen Zähne an seinen Lippen und das wollüstige Drängen und Aufbäumen ihres Leibes, ihre Knie drückten sich an ihn, und weit sich in seinen Armen zurückbeugend, schloß sie die Augen.

»Anita«, stammelte er da ... »Göttliche, herrliche Anita ...«

Er sank mit ihr in den Armen zu Boden, das heiße Gras kitzelte in seinem Nacken.

Ihr heißer, junger Körper blühte auf unter seinen stammelnden Küssen ...

Als die fahlen Schatten des Abends vom Monte do Castello in den Garten krochen, lagen sie nebeneinander im Gras und hielten sich an den Händen. Schwer atmend starrten sie in den graugelben Himmel, und ihren verbrannten Herzen fiel es schwer, weiterzuschlagen.

Langsam pflückte Anita einige abgerissene Blüten von ihrem zerwühlten Kleid, während Fernando sich seiner Tollheit schämte und weiter schweigend in den sich ständig verfärbenden Himmel starrte.

»Du bist der erste Mann, dem ich gehöre«, sagte sie zart.

»Ich weiß es«, antwortete Fernando leise.

»So sehr liebe ich dich, daß ich dir alles schenke. Ich schenke es nur einmal. Jetzt gehören wir zusammen, für immer, du und ich, und nur der Tod kann uns trennen.«

»Nur der Tod ...« murmelte Fernando und schloß die Augen.

Sie beugte sich über ihn und küßte seine Lider. Als er Anita greifen wollte, fühlte er ihre Brust in seinen Händen. Ein Zittern durchlief ihn.

»Du Engel«, flüsterte er. »Du Zauberin ... deine Liebe macht mich ängstlich vor meiner Glut ...«

»O brenne doch, flamme auf und verbrenne mich mit deinem Feuer«, flüsterte sie heiß zurück. Und als er sie zu sich herunterriß und seine Arme um sie schlang, stammelte sie mit erlöschender Stimme: »Ein Kind möchte ich haben ... Fernando ... von dir ein Kind ...«

Etwa um die Mitte des September machte Professor Destilliano Dr. Albez den Vorschlag, ihn auf eine Reise nach

Las Palmas auf den Kanarischen Inseln zu begleiten. Er hätte dort geschäftlich zu tun, und für ihn, Dr. Albez, sei eine Erholung nach der anstrengenden Schriftstellerei äußerst notwendig. Das sage er nicht als Freund, betonte Destilliano, sondern als Arzt. Vier bis sechs Wochen in der milden Seeluft könnten Wunder wirken, und er lasse nicht ab, auf diese Erholung zu drängen. Schon sein guter Ruf als Arzt zwänge ihn dazu, keinen kranken Gast zu haben.