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Hin und her pendelnd, mit wirren heißen Haaren und rotem, verschwitztem Gesicht half Destilliano Dr. Albez auf die Beine und boxte ihm in den Rücken.

»Haltung, Fernando!« rief er und schwankte dabei selbst besorgniserregend. »Haltung ist alles, Fernando!«

»Ich bin so müde, so müde, Ricardo«, lallte Dr. Albez mit geschlossenen Augen und klammerte sich mit beiden Armen an den Professor. »Ein Bett, ein Königreich für ein Bett!«

»Du Verschwender!« Destilliano wackelte und schleifte den fast besinnungslosen Dr. Albez zu einer Tür, die in einen Nebenraum führte. Mit unsicheren Händen klinkte er sie auf und schwankte dann auf der Schwelle gefährlich nach vorn über. »Du mußt mehr saufen!« brüllte er. »Verstehst du, Fernando -Saufen ist eines der Hauptbestandteile von großen, geschäftlichen Verhandlungen und Erfolgen! Sieger ist immer der, der alle Betrunkenen stehend überlebt! Saufen mußt du lernen, einen zünftigen, akademischen Suff ...«

Dr. Albez antwortete nicht. Röchelnd schlief er bereits an Destillianos Schulter. Mit letzter Kraft schleifte ihn der Professor in den Raum, in dem einige Feldbetten an den Wänden standen. Er ließ den Schlafenden auf die Leinengurte fallen und rollte selbst auf eines der Betten.

Vierzehn Tage später stach Dr. Albez von Las Palmas aus mit einer bis unter die Ladeluken gefüllten Jacht Destillianos in Richtung Amsterdam in See.

Es war ein herrlicher, sonniger Tag.

Er dachte, ein gutes Werk zu tun, Millionen zu helfen durch die Bekämpfung des Tbc-Bazillus.

Aber er brachte millionenfaches Leid.

Er schmuggelte Kokain und Opium ...

Kapitel 4

Chefkommissar Antonio de Selvano saß mißgestimmt in seinem Sessel und starrte auf ein umfangreiches rotes Aktenbündel. Im Vorzimmer unterhielten sich flüsternd die Sekretärinnen und wehrten alle Besucher, die den Kommissar sprechen wollten, mit erschreckten Mienen ab., Es war dicke, äußerst dicke Luft in der Zentralabteilung zar Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels von Lissabon. Antonio de Selvano, einer der fähigsten und gewandtesten Köpfe der portugiesischen Kriminalpolizei, tappte seit einem Jahr, seit er das Rauschgiftdezernat übernommen hatte, nicht nur völlig im dunkeln, sondern mußte sich heute sagen, daß sich der grandiose Rauschgiftschmuggel trotz aller Abwehrmaßnahmen, trotz aller Überwachung der Land- und Seegrenzen an Umfang verdreifacht hatte. Aus Amsterdam, Bilbao, Antwerpen, Hamburg, Bremen, Kopenhagen, Oslo, Stockholm, aus Athen, Syrakus, Istanbul, ja sogar aus Kairo trafen Alarmnachrichten ein, die den Chefkommissar zu einem brüllenden Berserker werden ließen.

»Hier!« schrie er gerade und warf eine Handvoll Radiogramme auf den breiten, mit Papier überladenen Schreibtisch. »Hier, sehen Sie sich das an! Aus Belgrad und Algier melden sie sich auch! Kokain in rauhen Mengen! Kisten mit portugiesischen Zeichen! Bei Razzia in Fez allein 350 unheilbare Giftsüchtige! Packungen, die man fand, kamen aus Portugal!« Er brüllte. »Eine Schweinerei ist das! Seid ihr denn alle Holzköpfe?! Habe ich nur Idioten als Detektive?! Ich will etwas sehen - eine Spur nur, einen Anhaltspunkt, ein Licht - das genügt mir schon! Ich will wissen, wo ich den Hebel ansetzen kann!«

Primo Galbez, Portugals berühmte >Spürnase<, krauste die

Stirn und wiegte den schwarzlockigen Kopf hin und her.

»Eine unangenehme Sache, gebe ich zu! Aber was soll man machen? Die Kokainburschen sind mit allen Ölen gesalbt! Ich hätte schon eine Spur, aber ...«

»Was aber?!!« Selvano sprang auf. »Mensch, Galbez, reden Sie doch! Sie haben etwas entdeckt?!«

»Entdeckt? So kann man das nicht nennen! Ich habe etwas festgestellt!«

»Was?!! - Sie haben eine Art, die einen wahnsinnig macht!«

Galbez lächelte verzeihend.

»Ich habe lediglich festgestellt, daß bei Professor Destilliano in der Rua do Monte Castello seit über einem Jahr ein uns unbekannter Mann wohnt! Er ist auch nicht gemeldet!«

Chefkommissar Selvano verzog das Gesicht, als habe er in eine unreife Zitrone gebissen. Heftig winkte er ab.

»Galbez, Sie pietätloses Geschöpf! Sie wollen doch nicht etwa Portugals berühmtesten Bakteriologen des Kokainschmuggels bezichtigen?! Von mir aus kann er zehn Jahre lang Besuch haben, ohne daß ich auf den Gedanken komme, auch nur eine Sekunde etwas Verbotenes dabei zu finden!«

»Der Gast scheint der Liebhaber der netten Anita Almiranda zu sein«, bemerkte Primo Galbez trocken. »Man sah sie öfters per Arm in der Stadt.«

»Eifersüchtig?« Selvano lächelte schwach. »Galbez, Sie lassen nach! Sie fangen schon an, Privatleben mit Beruf zu vermischen! Das ist der Anfang der Zylinderlaufbahn! Im übrigen ist damit die Begründung des langen Aufenthaltes dieses Herrn klar! Ein Alibi wie in einem Roman! Außerdem ist Professor Destilliano so korrekt, daß er mich über diesen Besuch längst orientiert hat. Der Herr kommt aus Spanien und heißt« -er dachte einen Augenblick nach -, »na, wie war der Name doch ... ich glaube: Jose Biancodero oder so ähnlich. Diese >Spur< war also ein Windei, Galbez!«

Der Detektiv ließ sich durch die sarkastische Art Selvanos nicht stören, sondern kramte aus seiner Aktentasche ein abgegriffenes Notizbuch hervor. Bedächtig blätterte er darin und lehnte sich dann auf seinen Stuhl zurück. Gespannt blickte ihn Selvano an. Er wußte, wenn Primo Galbez sein altes Notizbuch zog, sprudelten die Überraschungen nur so heraus.

»Zunächst möchte ich feststellen«, sagte Galbez mit ruhiger Stimme, »daß besagter Jose Biancodero - so heißt er wirklich, alle Achtung vor Ihrem Gedächtnis, Chef - vor über einem Jahr, im Juli 1923, nach Lissabon kam. Professor Destilliano begleitete ihn. Ich habe nachgeforscht, daß der Dampfer >Espana< sie in Marseille aufgenommen hat.«

»Na und?«

»Biancodero stammt doch angeblich aus Sevilla!«

»Deswegen kann er doch in Marseille an Bord gehen!«

»In Marseille ist aber ein Umschlaghafen der Rauschgiftschmuggler!«

»Das war Marseille immer! Diese Kombination ist Fantasterei! Dann müßte man alle Fremden verhaften, die in Marseille an Bord eines Schiffes gehen!«

»Mag sein! Weiter! Wie kommt es, daß Jose Biancodero von Anita Almiranda privat Fernando genannt wird?!«

»Was?!« Selvano zuckte auf und strich sich über die Augen. Doch dann lächelte er. »Fernando, sagten Sie?«

»Ja. Ich dachte schon an einen Kosenamen. Aber das trifft hier nicht zu! Kosenamen werden aus dem Wortstamm des richtigen Namens gebildet! Anita aber nennt Ihren Freund Fernando, während sie ihn in Gegenwart Dritter mit Jose betitelt.«

»Vielleicht eine kleine Marotte, die Fernando schöner findet als Jose. Sie kennen die Frauen nicht, Galbez. Wenn Sie den schönen Namen Primo haben und ihrem Mädel gefällt Max besser, heißen Sie ab morgen unweigerlich nur noch Mäxchen!«

»Grauenvoll! - Aber was sagen Sie dazu, Chef?! Professor Destilliano kaufte vor drei Jahren das Haus neben seiner Villa.«

»Sein gutes Recht!«

»Dieses Haus gehörte dem Schriftsteller Doktor Fernando Albez!«

Antonio de Selvano nickte. Er erinnerte sich genau.

»Ich weiß. Das war damals vor drei Jahren der tragische Fall, wo Doktor Albez bei einem Sonntagsspaziergang einen Herzschlag bekam. Ich war selbst beim Begräbnis zugegen!«

Galbez nickte ernst. Dann sagte er langsam: »Und Anita Almiranda nennt den Fremden Fernando ...«

»Sie sind verrückt!« Der Chefkommissar war aufgesprungen und warf das dicke Rauschgiftaktenstück auf einen nahe stehenden Schreibmaschinentisch. »Wollen Sie damit sagen, daß dieser Doktor Albez gar nicht gestorben ist?«

»Vielleicht ...«

»Galbez, Mensch, Idiot, ich habe sein Begräbnis mitgemacht! Ich habe ihn in der Totenhalle während der Messe im offenen Sarg aufgebahrt gesehen! Ich saß in der ersten Reihe! Wollen Sie behaupten, daß ich wahnsinnig bin?!«