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»Noch nicht«, antwortete Galbez frech. »Aber vielleicht werden Sie es, wenn ich Ihnen weiterberichte. Als ich nämlich soweit vorgedrungen war, ließ mir der Fall keine Ruhe mehr und ich setzte mich auf die Spur. Erfolg: besagter Jose Biancodero schreibt ein Buch.«

»Wenn es Sie beruhigt: Ich schreibe auch eins!« schrie Selvano. »Wer Bücher schreibt, braucht nicht der vor drei Jahren gestorbene Doktor Albez zu sein!«

»Man nennt Sie ja auch nicht Fernando! Doch weiter! Dieser

Jose Biancodero ist seit einem Jahr dauernd auf Reisen! Er benutzt dazu eine elegante kleine Privatjacht Professor Destillianos und bevorzugt die Route Lissabon, Las Palmas, Amsterdam! Von Amsterdam aber wissen wir, daß es der Hauptplatz der Rauschgiftschmuggelei für Westeuropa ist!«

»Und im Hafen von Las Palmas hat man kürzlich einen Segler mit Morphium-Ampullen sichergestellt«, sagte Selvano leise. »Als die Polizei das Schiff enterte, entfloh die Besatzung in einer Motorbarkasse in die Nacht.«

»Paßt wundervoll in unseren Ring, Chef. Doch es wird noch lustiger! Ich habe durch den alten Gärtner Destillianos ein Manuskriptblatt des neuen Romans dieses Jose Biancodero erhalten. Das Blatt war unterzeichnet mit Dr. F. A.!«

Für Antonio de Selvano war dieses Wiederkehren Dr. Albez' mehr als Wahnsinn. Schon der Gedanke, daß ein Toter, den er selbst mitbegraben hatte, nach drei Jahren wiederauftaucht und weiterlebt, brachte ihn außer Verstand.

»Hören Sie mit diesem dummen Doktor Albez auf!« schrie er deshalb Primo Galbez an und hieb die Faust auf den Tisch. »Er ist tot! Ich lasse mich nicht zum Narren halten!«

»Gut, wie Sie wollen, Chef - er ist tot! Aber bitte, setzen Sie sich, denn jetzt kommt etwas, wo Sie umfallen!«

»Reden Sie!« meinte Selvano barsch.

»Ich habe die neue, soeben erst, das heißt vor fünf Tagen geschriebene Manuskriptseite der Auswertungsstelle gegeben. Heute erhielt ich das Ergebnis!«

»Und?«

»Die Schrift des neuen Manuskriptes ist die Schrift des verstorbenen Doktor Albez!«

Mit einem lauten Plumps ließ sich Selvano in seinen Sessel fallen. Entgeistert starrte er Primo Galbez an.

»Was?« stotterte er. »Die Schrift Doktor Albez'?«

»Ich habe Ihnen ja gesagt,. Sie sollen sich hinsetzen!« Galbez blickte gemütlich lächelnd auf den noch immer starren Chefkommissar. »Ich glaube, Chef, daß damit der Fall Biancodero eine ganz andere Richtung und Bedeutung bekommt. Wenn Tote weiterleben ...«

»Blödsinn!« Selvano hatte sich gefaßt und brüllte auf. »Absoluter Blödsinn, Galbez! Ich lasse mich fressen: Ich habe Doktor Albez im Sarg gesehen! In den Akten liegt ein richtiger Totenschein!«

»Von wem ausgestellt?«

»Von Professor Destilliano!«

»Aha!«

»Was heißt hier aha? Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß der Professor über jeden Verdacht erhaben ist! Einer der größten Gelehrten Portugals ... «

Primo Galbez winkte ab.

»Wenn schon«, sagte er geringschätzig. »Es gibt Kaiser, die keinen Schuß Pulver wert sind! Der Name ist kein Schild der Tugend. Wie schön klingt Messalina - und welch ein Aas war sie!«

»Sie Nihilist!«

»Danke! Aber für die Polizei sollte alles verdächtig sein. Um so mehr freut sie sich, wenn das Gegenteil der Fall ist! Denken wir einmal nüchtern, ohne uns an Namen zu stören! Ein nichtgemeldeter Mann mit zwei Namen fährt auf einer Privatjacht zwischen den Hauptrauschgiftlagern hin und her. Er ist seit einem Jahr im Lande, und seit diesem Jahr hat sich der Schmuggel verdreifacht! - Was würden Sie da tun?«

Chefkommissar Selvano zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Dann sagte er langsam, während er sich von dem plötzlich harten Blick Galbez' abwandte:

»Ich würde mit Hochdruck den Fall untersuchen!«

Primo Galbez atmete hörbar auf. »Na also«, sagte er. »Wann geht's los?!«

Selvano schielte zur Seite auf den Detektiv und tippte an die Stirn.

»Verrückt, Galbez! Ohne Beweise bei Professor Destilliano erscheinen! In einer Stunde bin ich vom Ministerium persönlich entlassen. Wo Sie hinkommen, ist gar nicht auszudenken! - Aber was Sie sagen, leuchtet mir ein!« Er sann einen Augenblick nach. »Man müßte wirklich einmal vortasten ...«

»Das müßte man«, nickte Galbez.

»Aber wie?« Selvano zuckte die Achseln. »Wie komme ich unverfänglich an Destilliano heran?«

»Ich wüßte einen Weg«, lächelte die >Spürnase<.

»Und der wäre?«

»Sie lassen sich von Destilliano untersuchen. Er ist ein guter Arzt.«

»Woher wissen Sie denn das?«

Galbez lächelte schwach.

»Weil ich selbst schon bei ihm war ...«

Eine warme Sommernacht lag drückend über Lissabon. In den Gassen am Fuße des Monte do Castello brütete die heiße Luft, durchsetzt mit dem Geruch verfaulender Küchenabfälle, und machte den Kopf schwer und schwindelig. Träge ließ diese Hitze das Blut durch die Adern klopfen, es war, als läge Blei auf dem Herzen und hemme jeden Schlag.

Auch im Garten Destillianos drückte die heiße Luft. Welkend bog sich das hohe Gras, die harten Blätter raschelten an den Bäumen und Sträuchern. Saftlos zitterten die eingehenden Blumen auf den Beeten.

Mit kleinen Schritten trippelte Professor Destilliano durch sein verwildertes Grundstück. Er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und starrte auf den von der Sonne ausgetrockneten rissigen Boden. Seine langen weißen Haare hingen ihm über die Stirn.

Seit vier Tagen war Dr. Albez mit der Jacht Anita von Amsterdam aus überfällig. Konsul Don Manolda hatte wie immer die pünktliche Ankunft und Abfahrt der Jacht telefonisch durchgegeben, und seitdem fehlte von Dr. Albez jede Nachricht. Tag für Tag hatten Destilliano und Anita am Kai gestanden und auf das Auftauchen des schlanken weißen Rumpfes gewartet, und jeden Tag waren sie mit immer größeren Rätseln und Fragen zurückgekehrt.

Vier Tage lang!

Professor Destilliano wurde unruhig. Für ihn bedeutete die Aufbringung der Jacht durch die Polizei nicht nur einen materiellen Verlust, sondern die Tatsache, daß Kokain an Bord war, bedeutete für ihn den völligen Zusammenbruch.

Ein Jahr lang fuhr nun Dr. Albez die gefährliche Route Lissabon-Amsterdam, die gefährlichste Strecke aller Schmuggelwege. Die Hoffnungen, die Destilliano in ihn gesetzt hatte, waren nicht enttäuscht worden. Vielmehr hatte Dr. Albez die schwierigsten Hafen- und Dreimeilenzonen-Kontrollen mit einer fabelhaften strategischen und kaltblütigen Übersicht gemeistert und die Jacht Anita glücklich zwischen den Häfen hin- und hergesteuert.

Destilliano lachte leise. Wenn der gute Fernando wüßte, was er wirklich an Bord hatte! Noch lebte er in dem Glauben, das probate Mittel gegen Tuberkulose zu schmuggeln, und der Professor vermied es mit allen Mitteln, daß Dr. Albez die Kisten früher sah, als bis sie verladen wurden. Auch Anita ahnte nichts von dem gefährlichen Beruf ihres Bräutigams, sondern war nur wunschlos glücklich, wenn sie Fernando nach langer Fahrt für ein paar Tage in seine Arme nehmen konnte.

Ach ja - Anita und Fernando!

Vor einem halben Jahr hatten sie ihre Verlobung gefeiert, prunklos im engsten Kreise, den sogar der Konsul Manolda persönlich bereicherte. Nun saß Anita Tag um Tag und stellte ihre Aussteuer zusammen, bestickte jedes Wäschestück mit Monogrammen und war glücklich in ihrer seligen Ahnungslosigkeit.

Doch die vier Tage, die Dr. Albez überfällig war, hatten das Mädchen völlig verändert. Es fiel sichtlich zusammen, sah ständig verweint und vergrämt aus und hatte einen fiebrigen, flackernden Glanz in den Augen.

Dieser Glanz war es, der Professor Destilliano keine Ruhe ließ! Daß ein Mädel sich um den Liebsten ängstigt, ist klar, und daß sie die Nächte durchweint, ist bei dieser schrecklichen Ungewißheit verständlich, aber dieser rabiat schnelle Verfall der Kräfte und die fieberglänzenden Augen lagen außerhalb dieser Sorge um Fernando.