Выбрать главу

»Man wird alt, mein Bester. Die Geschäfte reiben die Nerven auf, die Tätigkeit als Konsul mit ihrer ständigen Repräsentation engt das private Leben ein - da habe ich mir kurz entschlossen in Den Haag eine kleine Villa gekauft und bin ein lebenslustiger Privatier geworden.« Er gluckste. »Das Los der alten Männer, Doktor Albez. Ich beneide Sie um Ihre 42 Jahre und Ihre jugendliche Spannkraft. Wenn man erst 60 ist, wird das Blut ruhig und dickflüssig ... und wenn man wie ich erst 64 ist, o je -, dann ist der größte Wunsch Ruhe und Sorglosigkeit!«

»Und trotzdem machten Sie die beschwerliche Reise nach Azenhas do Mar?«

»Rein aus Vergnügen, Doktor Albez. Ich besuchte in Lissabon den letzten übriggebliebenen Jugendfreund und dachte mir: Mußt doch einmal sehen, wie es dem netten Fernando Albez geht. Das heißt: ich fragte nach Jose Biancodero. Verschwunden, hieß es. Das Haus in der Rua do Monte do Castello ist mittlerweile umgebaut und ein Säuglingsheim geworden, und der geheimnisvolle Jose Biancodero soll in Cintra, oben auf einem Felsen direkt am Meer, einsam und menschenscheu schon seit Jahren leben. Verrückt, sagte ich -den Knaben suchst du auf! Und so bin ich losgefahren und habe Sie in Ihrer Eremitenklause aufgestöbert.«

Dr. Albez lächelte und blieb vor den Stufen des Hauseinganges stehen.

»Selbstverständlich sind und bleiben Sie auch mein Gast«, sagte er.

»Ich wollte nur auf ein Stündchen ...«

Manolda hob den Arm, aber Albez winkte ab.

»Für eine Stunde brauchten Sie gar nicht zu kommen! Sie sind jetzt hier, und ich lasse Sie erst wieder weg, wenn ich es will!« Er lächelte. »Wissen Sie nicht, daß mein Zaubergarten durch einen Hexenspruch verschließbar ist und niemand mehr ohne meinen Willen von den Felsen herunterkommt?! Sie sind mein lieber und willkommener Gefangener!«

Mit gespieltem Erstaunen nahm Manolda seinen Hut ab. Resignierend zuckte er die Achseln.

»In die Falle gegangen! Das hat man von seiner Menschenfreundlichkeit! Aber das eine sage ich Ihnen, Doktor Albez: Wenn Sie mir nicht in einer halben Stunde einen saftigen Braten auffahren und eine Pulle des bestens Weines, versuche ich, Ihr Zauberreich mit entschiedener Gewalt und unter Absingen schmutziger Lieder zu verlassen!«

Lachend traten sie in das Haus und kamen in die breite, langgestreckte, glaswandige Halle, die im Hintergrund einen wundervollen Blick auf das weite, schaumige, grünschillernde Meer freigab.

»Gehen wir in die Bibliothek«, sagte Dr. Albez, während sich Manolda erstaunt und ergriffen von der Schönheit des durch Säulen und Rundbogen gehaltenen Baues umsah. »Dort haben wir die Klippen und die Brandung unter uns, und die untergehende Sonne wirft ihr blutiges Gold voll durch die Fenster. Ich sitze dort jeden Abend und starre in den versinkenden Feuerball. Dann habe ich immer nur den einen Wunsch, selbst einmal bei einem solchen Sonnenuntergang zu sterben.«

Stumm gingen sie durch die weite Halle und traten in ein gewölbtes, bis an die Decke dunkel getäfeltes Zimmer ein, in dessen Längswände große Regale eingelassen waren. Ein breites Fenster führte zum Meer hinaus. Vor dem Fenster standen tiefe, weiche Sessel und ein geschwungener, ausziehbarer Club- und Spieltisch.

»Machen Sie es sich bequem, Manolda«, sagte Dr. Albez und wies auf die Sessel am Fenster. »Ich möchte nur schnell der Küche Ihre Wünsche weitergeben und mich selbst von der guten Flasche überzeugen. Für die Zwischenzeit: eine alte Flasche Martell und Gläser finden Sie in der Hausbar unter dem Fensterbrett. Fühlen Sie sich wie zu Hause und bedienen Sie sich. - Sie sind mit Ihrem Wagen gekommen?«

»Ja.«

»Ist es Ihnen recht, wenn ich ihn in meiner Garage einstellen lasse und Ihren Chauffeur der Obhut meines Hausmeisters übergebe? Unser Stubenmädchen Mira wird sich über den seltenen männlichen Zuwachs sehr freuen!«

»Ordnen Sie an, mein Bester«, lachte Manolda und warf sich in einen Sessel. »Ich bin in Ihrer Gewalt, und da ich jetzt weiß, daß Sie einen alten Martell haben, bekommen Sie mich sowieso nicht so schnell wieder los! Erst muß der Keller leer sein!«

»Hoffentlich, lieber Manolda, hoffentlich ...«

Lächelnd entfernte sich Dr. Albez. Konsul Manolda klappte die Hausbar auf.

Nach dem Essen, das Manolda seinen gewünschten Braten bescherte und eine Flasche feurigen Tarragona, lehnten sich der Konsul und Dr. Albez in ihren Sessel zurück und rauchten eine der starken Virginiazigarren. Schweigend blickte Albez eine Weile über das grüne Meer.

»Sie werden wenig Abwechslung bei mir haben«, sagte er nach einer Pause. »Das Schönste, was ich Ihnen bieten kann, Manolda, ist Ruhe. Dann vielleicht ioch etwas Angeln, kleine Küstenfahrten mit dem Motorboot und ein Ausflug nach unserem Bad Estoril. Hier ist die Einsamkeit.«

»Ich bringe Ihnen das Leben, Albez.«

Erstaunt blickte Dr. Albez auf. Der Ton in Manoldas Stimme war klar und bewußt. Es hatte sich nicht bloß um eine Redensart gehandelt.

»Wie soll ich das verstehen, Konsul?« fragte er. Manolda blickte hinaus auf das Meer.

»Ich habe Sie belogen, Doktor Albez. Ich kam nicht zum Vergnügen nach Portugal. Ich habe das Rentnerleben satt und möchte wieder etwas Produktives aufziehen. Und zwar mit

Ihnen, Albez. Sie haben von unserem lieben Freund Destilliano her noch die blendenden Verbindungen - ich kenne Mitteleuropa wie mich selbst! Und es tut sich etwas in Deutschland! Die Inflation ist längst überwunden, der Deutsche Stresemann ist dabei, die Karre seines Vaterlandes aus dem Dreck zu zerren -es geht aufwärts mit dem alten Germania! Damit ist seine Aufnahmefähigkeit äußerst gestiegen, vor allem, nachdem der Hunger der Volksmassen größer ist als die Eigenerzeugung des Landes. Wissen Sie, woran ich dachte, Albez?«

»Nein.«

»An eine internationale Obst-Export-Gesellschaft. Obst aus aller Welt hinein in das alte Europa. Unbekannte Früchte aus dem Malaiischen Archipel, aus Südamerika, aus dem Kongobecken auf den Markt werfen und eine neue Geschmacksrichtung einführen - da liegt noch ein Geschäft, bester Albez, da liegt das Geld auf der Straße - auf den Bäumen wächst es uns zu.«

»Ich habe Geld genug«, sagte Dr. Albez leise. Es klang nicht protzenhaft, sondern voll Resignation und fast traurig.

»Das ja! Aber wollen Sie Ihr ganzes Leben auf einem Felsen versauern?!«

»Leben zu müssen, ist sauer genug ...« Albez blickte auf das Meer. Seine Gedanken schienen fern, in einer anderen Welt zu sein. Doch dann besann er sich und wandte sich an Manolda zurück. »Brauchen Sie Geld, Konsul? Diese Frage ist rein freundschaftlich ...«

»Papperlapapp! Wir beide haben Geld genug. Aber das Leben muß irgendwie einen Sinn haben, sonst wird es zu blöd! Immer nur Geld ausgeben, wird auch langweilig. Der Reiz des Verdienens fehlt dabei! Das Leben muß eben einen Zweck haben.«

»Einen Sinn, einen Zweck - dieses Leben ...« sagte Dr. Albez bitter. Etwas wie Hohn schwebte in seiner Stimme. »Aber wie

Sie wollen - bauen Sie Ihre Obst-Export-Gesellschaft auf -soweit sie mich nicht persönlich belästigt, können Sie mit mir rechnen. Organisation und alles Geschäftliche überlasse ich Ihnen.« Er griff in die Tasche und holte ein Scheckbuch heraus. »Wieviel brauchen Sie, Konsul Manolda?«

Manolda hob beide Arne und lehnte sich weit in den Sessel zurück.

»Sie verstehen mich falsch, Doktor Albez«, sagte er leidenschaftlich. »Geld ist das sekundäre Problem. Wichtiger sind mir Ihre Verbindungen.«

»Sie sind aber nur pharmazeutischer Natur.«

»Vielleicht kann man sie für einen Obsthandel verwerten.« Er stockte und verbesserte sich schnell. »Ich meine, vielleicht ist dies eine Brücke zu anderen wertvollen Verbindungen ...«

»Vielleicht. - Ich gebe Ihnen die Adressen.«