»Ich habe gute Nachricht für Sie«, lachte er herzlich. »Die ersten afrikanischen Früchte rollen heran! Sie sind ein Glückspilz, liebster Albez.«
Zwei Stunden später betrat ein gutgekleideter, braungebrannter Herr mit einem leicht englischen Akzent in der portugiesischen Sprache die am Pier vertäute, aber unter Dampf gehaltene Jacht Anita und verlangte den Senor Jose Biancodero begleitenden Kriminalbeamten zu sprechen.
Der Zweite Offizier, der heute die Wache führte, bat ihn, in der Kapitänskajüte Platz zu nehmen, und eilte davon, den irgendwo auf Deck liegenden und sich sonnenden Beamten Selvanos zu holen.
Als Juan Permez, so hieß er, erstaunt und ahnungslos die Kajüte betrat, erhob sich der Fremde gewandt und höflich und stellte sich mit einem langen, klingenden Namen vor, den Permez unmöglich behalten konnte.
»Sie werden erstaunt sein«, sagte der Fremde, »daß ich Sie in
Ihrer Ruhe zu stören wagte. Aber Herr Biancodero schickt mich. Die Suche nach dem vermißten Konsul Don Manolda ist in ein fruchtbares Stadium getreten. Ich habe den Auftrag, Ihnen die neuesten Ergebnisse zu Protokoll zu geben. Können wir hier ungestört sprechen?«
Er sah sich um und erhob sich gleichzeitig. Auch Juan Permez stand auf und verbeugte sich leicht.
»Wir können in meine Kabine gehen«, sagte er. »Dort habe ich Schreibzeug, und wir sind vor allen etwaigen Lauschern sicher ... obgleich ich glaube, daß hier auf dem Schiff in dieser Richtung nichts zu befürchten ist.«
»Man soll die Indiskretion nicht herausfordern«, lächelte der Fremde und wandte sich zum Gehen. »Vertrauen ist das wenigste, was der Mensch verdient.«
Unter lebhaftem Gespräch gingen Juan Permez und der Fremde über das sonnenglänzende Deck und verschwanden im Eingang zu den Kajüten. Gleichgültig sah ihnen der wachhabende Zweite Offizier von der Brücke aus nach und ertappte sich bei dem frevelhaften Wunsch, auch einmal die Offiziersmütze mit solch einem leichten Panamahut, wie ihn der Fremde trug, vertauschen zu können.
Nach knapp zehn Minuten kam der Fremde wieder von den Kabinen zurück, grüßte lächelnd zu dem aufs Land blickenden Offizier hinauf und verließ gemächlichen Schrittes die Jacht Anita. Am Kai blickte er sich noch einmal um, könnte sich anscheinend nicht entschließen, in welche Richtung er gehen sollte, und verschwand dann in dem Gewirr der für alle Häfen charakteristischen Lagerschuppen.
Erst nach zwei Stunden fiel es dem Zweiten Offizier auf, daß Senor Juan Permez noch nicht wieder auf seinem Deckplatz lag und sich sonnte. Verlassen hatte er das Schiff auch nicht, und bei dieser drückenden Hitze in der Kabine zu hocken, war an sich ein kompletter Irrsinn.
Mehr aus Interesse an dem ungewöhnlichen Gehabe Juan Permez' als aus Neugier kletterte der Zweite Offizier von der Brücke herab und schlenderte den Kabinen zu. Bei Juan Permez klopfte er an, erhielt keine Antwort und fand beim Herunterdrücken der Klinke, daß die Tür unverschlossen war.
Mißtrauisch klopfte er noch einmal an. Aber keine Antwort ertönte aus dem Inneren der Kajüte. Der Offizier zögerte. Es war dem Personal strengstens verboten, die Gastkabinen der Jacht zu betreten. Doch dann überwand er seine Scheu, stieß die Tür auf und trat ein. Die Bullaugen waren zugezogen, fahles Halbdunkel umgab ihn.
Entsetzt prallte er zurück.
Lang hingestreckt, mit dem Gesicht nach unten, lag Juan Permez auf dem Boden, die Hände in den Teppich gekrallt. Eine breite Blutlache war in das Gewebe eingesogen.
Aus seinem Rücken aber ragte der Griff eines kleinen schmalen Dolches.
Auf dem Absatz wirbelte der Offizier herum und rannte mit langen Schritten über das in der Sonne glühende Deck der Kommandobrücke entgegen. Er hetzte die Treppen hinauf, stürzte auf die Signalglocke und riß an der pendelnden Schnur.
Grell durchschnitt die Glocke die heiße Luft. Unaufhörlich gellte ihr Ton über das stille, träge Schiff. Schritte trampelten die Treppen hinauf, die Freiwache rannte über Deck.
Alarm ... Alarm ...
Schrill heulte die Dampfsirene auf.
Alarm auf der Jacht Anita ...
Baron v. Pottlach begleitete Dr. Albez bis vor das schmiedeeiserne Tor des weißen Palastes und drückte ihm mit aller Herzlichkeit die Hand. Seine Augen strahlten.
»Kommen Sie bald wieder«, sagte er, und es klang ehrlich und aus vollem Herzen. »Wenn Sie in Afrika Ihren Konsul
Manolda treffen, dann sagen Sie ihm, daß ich ihm seine Heimlichkeiten nur dann verzeihen werde, wenn er mit mir eine Runde Kanariensekt trinkt. Und vergessen Sie nicht eins, Doktor Albez: Versuchen Sie, von Dakar aus den marokkanischen Markt zu erobern, nicht von Marrakesch selbst aus! Die Liste meiner Geschäftsfreunde haben Sie doch?«
»Ja. Und nochmals herzlichsten Dank. Ich steche heute noch in See. Es freut mich, daß wir uns so gut verstanden. Ehrlich gesagt, ich empfand erst Mißtrauen Ihnen gegenüber.«
»Aber bester Doktor Albez ...«
»Sie sehen, ch bin ehrlich!« Dr. Albez ging die Stufen des Einganges hinunter und wandte sich an der auf der Auffahrt wartenden Taxe noch einmal um. »Wenn Konsul Manolda in Dakar war, wird es mir leicht sein, seine Spur zu verfolgen. Ihr Hinweis ist mir äußerst wichtig. Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, blicke ich auf der Rückfahrt noch einmal zu Ihnen herein.«
»Aber bitte.« Von Pottlach verneigte sich, das Einglas blitzte in seinen Augen. »Mein Haus steht jederzeit zu Ihrer Verfügung. Eine gute Fahrt und viel Erfolg ...«
Langsam fuhr die Taxe an, wandte sich an der Kehre und rollte dann aus dem Park hinaus auf die breite Palmenstraße nach Santa Cruz.
Lange blickte ihr Baron v. Pottlach nach, auf den Stufen seines Palastes stehend und die Hände leicht aneinander reibend. Als der Wagen in der Ferne zwischen den Palmen verschwand, lächelte er und nahm das Einglas aus dem Auge. Sein Gesicht war merkwürdig hart und kantig.
Es war ein Lächeln, das auf den Lippen gefror.
Das Lächeln eines Spielers vor dem Fall der schicksalhaften Kugel ... vor dem letzten Einsatz ...
Kapitel 7
Über die Küstenstraße nach Azenhas do Mar raste eine große, starke Limousine.
Kriminalkommissar Selvano saß weit zurückgelehnt hinter dem Steuer, nagte an der Unterlippe und sagte sich zum ungezählten Male, daß er kein Kriminalist, sonder nur ein riesengroßer Trottel sei. In der Hand hielt er das neueste Telegramm aus Santa Cruz und die Meldung des Polizeifunks Dakar.
Knirschend hielt der Wagen unterhalb der Felsenvilla von Dr. Albez. Sofort sprang Selvano heraus und rannte gegen Primo Galbez, der den Kommissar geschickt auffing.
»Na, na, Chef«, sagte er gutgelaunt. »Sie brauchen mir vor Freude nicht gleich um den Hals zu fallen!«
»Freude?!« Selvano holte tief Luft. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß Sie, Primo Galbez, und ich, Antonio de Selvano, die größten Idioten unserer Zeit sind! - Genügt das?!«
»Vollauf! Das genügt!« antwortete Galbez trocken. »Und wenn ich auch nicht weiß, woher diese plötzliche Erkenntnis kommt, glaube ich doch, daß es besser ist, wenn wir erst einmal ins Haus gehen und uns die Galgenvögel, die ich gefangen habe, ansehen!«
»Mich interessieren Ihre kleinen Spiönchen gar nicht - hier« -Selvano schwenkte das Telegramm durch die Luft -, »hier, Galbez kommt es knüppeldick über uns! Hier können Sie Ihre Pensionierung lesen!«
»Ach nee!«
»Ach ja! Oder wissen Sie, wo die Leiche des Verunglückten hin ist?!«
»Die Leiche des angeblichen Manolda?«
»Ja!«
»Im Bullerloch, natürlich. Ich war doch bei dem Begräbnis dabei. War ein trauriges Begräbnis. Anwesende: die Polizei und drei Ärzte, die bis zuletzt um den Körper für ihre Anatomie gerungen hatten und nun ihren Traum mitbegruben.«
»Ihr Galgenhumor wird gleich verflogen sein«, schrie Selvano, während sie den steilen Felsweg zu der weißen Felsenvilla emporkletterten. »Die Leiche ist fort!«