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Der erste blickte seinen Kameraden scheel von der Seite an. Philosophie am Rande der Wüste ist die einzige Unterhaltung, dachte er. Kenne ich von der Fremdenlegion her. Da liegen sie auf ihren Matten in den Wüstenforts, die Knarre im Arm, und träumen. Wie gut, daß die Mischlingsmädchen nicht so spröde sind ... man könnte sonst irrsinnig werden ...

Aber er antwortete nicht. Achselzuckend drehte er sich wieder

um und blickte weiter auf das weiße Schiff.

Im Inneren des Kahns saß in einer verschlossenen Kabine, deren Bullauge von außen zugeschraubt war, Baron v. Pottlach und spielte mit den Fingern. Sein Monokel hatte er eingebüßt, aber sein weißer Anzug und seine ganze Haltung hatten das Aristokratenhafte behalten, und auch, als er jetzt aufstand und mit kleinen Schritten den Raum durchmaß, wirkte er wie ein Luxusreisender, nicht aber wie ein Gefangener, zehn Stunden vor seiner Auslieferung und seinem Urteil von etlichen Jahren Zwangsarbeit in den Steinbrüchen von Portugals Küste.

Sinnend blieb Baron v. Pottlach stehen und betrachtete den in der Kabine aufgestellten Schreibtisch. Er war herausklappbar in die Kabinenwand eingelassen und enthielt eine Feder, einen Stapel Papier und ein Fläschchen Tinte. Ferner lagen neben einem kleinen Petroleumkocher Siegellack und ein Siegelpetschaft.

Baron v. Pottlach mußte lächeln. »Man denkt an alles«, murmelte er. »Das Geständnis des Verbrechers, geschrieben in der verriegelten Luxuskabine des Dampfers Liberte!« Er lachte laut und setzte sich dann doch an den Schreibtisch, spielte mit dem Papier und drehte den Federhalter in den Fingern.

Dann schrieb er in flotten Schriftzügen mitten über ein Blatt:

»Mein Geständnis.«

Als die beiden Worte auf dem Papier standen, hielt er wie erschreckt inne und betrachtete die Worte, indem er sie wie ein Bild weitab von seinen Augen mit ausgestreckten Armen hielt.

Mein Geständnis! Was habe ich überhaupt zu gestehen? Ist mein Geständnis nicht gleich meine Anklage? Was weiß man denn schon in Lissabon von mir? Meine Freundschaft zu Manolda? Der Gute ist tot - er kann nicht mehr aussagen. Meine Rauschgiftaffären? Es wird schwer sein, mir da etwas nachzuweisen. Die Beobachtung Biancoderos in Azenhas do Mar? Auch dafür werde ich eine Erklärung finden. Der Mord an

Juan Permez? Hier stockte Baron v. Pottlach und starrte wieder auf das Wort >Geständnis<.

Wer kann mir den Auftrag nachweisen? Wer hat den Mörder erkannt?! Ist er nicht längst in Timbuktu, im dunkelsten Afrika, in der Filiale, die das Dagga, das noch ziemlich unbekannte, viehische Rauschgift, in den Orient schleust?!

Oder ob man doch etwas weiß?! Ob dieser Dr. Albez weiß, daß in Timbuktu das Dagga hergestellt wird?!

Baron v. Pottlach wurde unsicher. Er spielte wieder mit dem Federhalter und kaute auf seiner Unterlippe. Man müßte das alles bagatellisieren. Man müßte dastehen wie ein Gezwungener, wie ein Erpreßter, wie ein Willenloser. Doch dieser >wahre Schuldige< dürfte nicht mehr sprechen. Und das wäre eine blendende Rolle für den Konsul Manolda ...

Baron v. Pottlach lachte vor sich hin. Es war doch gut, dachte er weiter, daß ich sofort nach der Abfahrt Dr. Albez' unserer westeuropäischen Zentrale in Amsterdam telegrafisch den Auftrag gab, im Namen des Konsuls Manolda ein Telegramm an Dr. Albez nach Dakar zu schicken. So wird man in Lissabon den Eindruck haben, daß man sich die ganze Zeit auf falscher Fährte befand, daß der Konsul Manolda noch lebt und daß man mich zu Unrecht festgenommen hat. Man könnte dann auch schön alles auf den >Mann in der Ferne< abschieben und selbst den Antrag auf Freiheitsberaubung stellen.

Von Pottlach ergriff das Papier mit den Worten: >Mein Geständnis< und drehte den Petroleumkocher an. Dann hielt er das Blatt über die kleine, flackernde Flamme und beobachtete mit einem lächelnden Wohlbehagen, wie sich das Blatt unter der Hitze wölbte, sich braun färbte und schließlich nach einer blassen Flamme zu weißer Asche zerfiel.

In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und die drei Beamten der Sürete traten ein.

»Monsieur«, sagte der eine. »Ich habe den Auftrag, Sie davon zu unterrichten, daß die Leiche des Verunglückten in Lissabon als die Leiche des Konsuls Manolda identifiziert worden ist.«

»Nein!« Baron v. Pottlach verfärbte sich und setzte sich auf das Bett. Seine Hände zitterten. Das ist Bluff, schrie es in ihm. Laß dir nichts anmerken - man will dich weich machen..

»Leider doch«, sagte der Beamte. »Leider - für Sie! - Die Leiche wurde, nachdem man sie in einen Sack genäht hatte, in der Nähe von Monsieur Biancoderos Villa in einer Höhle gefunden. - Sie wissen doch, daß die Leiche aus dem Grab gestohlen wurde?«

Baron v. Pottlach schüttelte den Kopf. Seine Augen waren unnatürlich weit aufgerissen. Plötzlich fühlte er, daß er auch schwitzte, und wußte, daß es kalter Schweiß war, ekliger, kalter Angstschweiß vor der Gerechtigkeit ...

»Ich weiß von nichts«, sagte er stockend. »Ich habe Manolda zum letztenmal ...«

Der Beamte schnitt ihm mit einer großen Armbewegung die Rede ab.

»Sie singen uns das alte Lied vor, Monsieur«, sagte er schroff. »Es wird langsam langweilig. Erfinden Sie eine besser klingende Melodie - sagen Sie einfach die Wahrheit!«

»Es ist die Wahrheit!« schrie v. Pottlach plötzlich grell und sprang auf. Die Tünche seiner Erziehung und seiner Stellung fiel jäh ab. »Es ist die Wahrheit - aber ihr wollt ein Opfer haben! Ein Opfer, das ihr für eure dumme Gerechtigkeit abschlachten könnt! Sucht euch doch den Schuldigen, aber laßt mich in Ruhe!

- Ich werde kein Wort mehr sprechen!«

Damit drehte er den Beamten den Rücken zu und beschäftigte sich anscheinend angestrengt mit dem Federhalter.

Achselzuckend verließen die Beamten der Sürete die Kabine und riegelten sie hinter sich hörbar ab.

Was tun? schoß es v. Pottlach durch den Kopf. Ist das wahr, daß man die Leiche wiedergefunden hat, so bin ich rettungslos verloren. Plötzlich überdachte er mit einer erschreckenden Logik seine Lage und fragte sich, warum er überhaupt verhaftet worden sei. Und da gab es nur eine Möglichkeit: Die Bewacher vor Dr. Albez' Villa mußten von Selvano oder Primo Galbez gefangen worden sein und hatten den Namen des Auftraggebers genannt. Waren sie aber in den Händen der Polizei, so war auch die Leiche wieder in deren Besitz, denn nur wenige Stunden vorher war sie von den gleichen Männern aus dem Grabe entfernt worden!

Plötzlich wußte v. Pottlach, daß man ihn nicht geblufft hatte, daß die Leiche vorhanden war, daß er sein Spiel zu Ende gespielt hatte!

Baron v. Pottlach stand auf und trat vor den großen Anziehspiegel, der an einer Seite des eingebauten Kleiderschrankes eingelassen war. Mit Wohlgefallen betrachtete er seine große, massige Gestalt mit dem scharfen Gesicht.

Er verbeugte sich vor sich selbst, ging dann langsam zum Bett und riß das Bettlaken heraus. Aus ihm drehte er ein Seil, knotete es unter der Deckenlampe fest, indem er den Lampenhaken benutzte, stieg dann auf einen Stuhl und legte sich das Ende des Lakens, das zu einer Schlinge gedreht war, um den Hals. Plötzlich besann er sich, stieg vom Stuhl herunter, legte Schlips und Kragen ab und kletterte dann wieder auf den Stuhl. Dort blickte er noch einmal in den Spiegel und sah nur noch seine Beine auf dem Stuhl. Da mußte er lachen.

»Ja, ja, wir Pottlachs - wir wollten immer hoch hinaus«, sagte er lustig - dann trat er den Stuhl unter sich mit einem kräftigen Stoß weg.

Dr. Albez hatte sich auf der ganzen Rückfahrt nach Lissabon überlegt, ob er Selvano von dem Telegramm Manoldas etwas sagen sollte. Schließlich war er zu dem Entschluß gekommen, darüber zu schweigen und zunächst einmal persönlich in

Amsterdam zu sehen, was eigentlich hinter seinem Rücken in der Stille gespielt wurde.