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Die attraktive junge Dame war an Land gegangen. Doch kurz vor der Abfahrt kam sie mit einem Herrn zurück. Er war groß, hatte dunkles Haar und ein gebräuntes Gesicht – bestimmt der am besten aussehende Mann an Bord. Als die freundliche Stewardess mir eine zweite Decke brachte, erkundigte ich mich nach der jungen Frau.

«Das ist eine Lady aus der High Society, Mrs Suzanne Blair. Sie haben sicher schon über sie in den Zeitungen gelesen.»

Ich nickte und betrachtete sie mit neuem Interesse. Mrs Blair war bekannt als eine der elegantesten Damen der Gesellschaft. Sie schien den großen Herrn zu ihrem bevorzugten Kavalier erwählt zu haben, und er wusste diese Ehre vollauf zu schätzen.

Am folgenden Morgen sah ich Mrs Blair wieder spazieren gehen auf Deck, natürlich begleitet von ihrem Verehrer. Zu meinem maßlosen Erstaunen blieb sie plötzlich neben meinem Liegestuhl stehen.

«Fühlen Sie sich heute besser?»

Ich dankte höflich und sagte, ich käme mir halbwegs wieder wie ein Mensch vor.

«Gestern sahen Sie wirklich krank aus. Colonel Race und ich freuten uns bereits auf ein Begräbnis auf hoher See, aber Sie haben uns schwer enttäuscht.»

Ich lachte herzlich. «Die frische Luft hat mir gut getan.»

«Frische Luft ist das beste Mittel gegen Seekrankheit», stimmte Colonel Race mir lächelnd zu.

«Die dumpfen Kabinen können einen umbringen», sagte Mrs Blair und ließ sich neben mir in einen Liegestuhl fallen, während sie ihren Begleiter mit einem leichten Nicken verabschiedete. «Hoffentlich hat man Ihnen wenigstens eine Außenkabine gegeben.»

Ich schüttelte den Kopf.

«Meine Liebe, Sie müssen sofort wechseln! Jetzt ist genügend Platz vorhanden, denn viele Leute sind in Madeira von Bord gegangen. Reden Sie mit dem Zahlmeister darüber, er ist ein netter Kerl. Mich hat er sofort umziehen lassen, weil mir meine Kabine nicht gefiel. Sagen Sie es ihm, wenn Sie zum Mittagessen hinuntergehen.»

Ich schüttelte mich bei dem Gedanken.

«Danke. Aber ich bin noch nicht kräftig genug.»

«Seien Sie nicht töricht! Kommen Sie, wir machen einen kleinen Spaziergang auf Deck.»

Sie lachte mich ermutigend an. Erst fühlte ich mich noch sehr schwach, doch die Bewegung tat mir gut.

Nach einer Runde gesellte sich Colonel Race wieder zu uns.

«Von der anderen Seite aus können Sie den großen Vulkan auf Teneriffa sehen, den Pico de Teide.»

Wir gingen alle hinüber. Dort erhob sich strahlend und schneebedeckt aus leichtem Dunst der schimmernde Kegel. Ich stieß einen Ruf der Begeisterung aus. Mrs Blair eilte davon, um ihre Kamera zu holen.

Ohne sich um den Spott des Colonels zu kümmern, knipste sie leidenschaftlich.

«Oh, der Film ist zu Ende!», klagte sie. «Aber ich habe einen neuen hier.»

Strahlend zog sie diesen aus ihrer Jackentasche. Ein unerwartetes Schlingern des Schiffs ließ sie das Gleichgewicht verlieren, und als sie sich an der Reling festhalten wollte, entglitt ihr die Rolle und fiel in die Tiefe.

«Ach, mein Film!», rief Mrs Blair in komischer Bestürzung und lehnte sich vor. «Ob er wohl ins Wasser gefallen ist?»

«Wie ich Sie kenne, haben Sie wahrscheinlich das Glück gehabt, nur einen armen Steward auf dem unteren Deck zu erschlagen.»

Hinter uns ertönte ein lauter Hornruf, der uns fast betäubte.

«Das Signal zum Lunch!», verkündete Mrs Blair begeistert.

Wir begaben uns in den Speisesaal. Ich begann zaghaft zu kosten – und vertilgte schließlich riesige Portionen. Der Zahlmeister beglückwünschte mich zu meiner Genesung. Er versprach mir, dass meine Sachen sofort in eine Außenkabine geschafft würden.

An meinem Tisch saßen außer dem Zahlmeister noch drei Leute: Zwei ältliche Damen und ein Missionar, der ständig von «unseren armen schwarzen Brüdern», redete.

Ich sah zu den anderen Tischen hinüber. Mrs Blair saß natürlich am Kapitänstisch, Colonel Race zu ihrer Linken. Neben dem Kapitän hatte ein Mann Platz genommen, den ich bisher noch nicht erblickt hatte. Er war groß und dunkelhaarig, hielt sich kerzengerade, und sein Ausdruck war so seltsam unheimlich, dass ich zusammenschrak. Neugierig fragte ich den Zahlmeister nach seinem Namen.

«Dieser Herr? Oh, das ist der Sekretär von Sir Eustace Pedler. Ist bis heute schwer seekrank gewesen, der arme Kerl. Sir Eustace hat zwei Sekretäre bei sich, aber beiden bekommt das Meer anscheinend nicht gut. Der Zweite hat sich überhaupt noch nicht gezeigt. Dieser hier heißt Pagett.»

Demnach befand sich also auch Sir Eustace Pedler an Bord, der Besitzer des Hauses zur Mühle. Wahrscheinlich ein ganz zufälliges Zusammentreffen, aber dennoch…

«Sir Eustace sitzt rechts neben dem Kapitän», fuhr der Zahlmeister fort. «Alter Wichtigtuer.»

Je länger ich das Gesicht des Sekretärs betrachtete, desto unheimlicher kam es mir vor. Sein bleiches Aussehen, die schweren Augenlider und die flache Kopfform flößten mir Abneigung und Unbehagen ein.

Da wir den Speisesaal fast gleichzeitig verließen, war ich nur einen Schritt hinter ihm, als er mit Sir Eustace zum oberen Deck ging, und hörte ein paar Brocken ihrer Unterhaltung.

«Ich werde mich am besten sofort nach einer Kabine umsehen, meinen Sie nicht? Die Ihrige ist so voll gestopft mit Koffern, dass man darin nicht arbeiten kann.»

«Mein bester Freund», entgegnete Sir Eustace, «meine Kabine hat nur zwei Zwecke zu erfüllen. Erstens will ich darin schlafen und zweitens mich anziehen. Ich habe nicht im Geringsten die Absicht, Sie dort Ihren ganzen Kram aufbauen zu lassen und dem Klappern Ihrer Maschine zuzuhören.»

«Genau das meine ich, Sir Eustace. Wir brauchen unbedingt einen Raum zum Arbeiten…»

Hier schwenkte ich ab und ging nach unten, um zu sehen, ob meine Sachen bereits in die neue Kabine gebracht worden waren. Ein Steward war gerade dabei.

«Eine sehr hübsche Kabine haben wir für Sie, Miss. Auf Deck D, Nummer dreizehn.»

«O nein», rief ich aus. «Bitte nicht! Nicht Nummer dreizehn! Ist denn gar keine andere Kabine mehr frei?»

Er überlegte. «Da wäre vielleicht noch Nummer siebzehn, an der Steuerbordseite. Heute früh war sie leer, aber ich befürchte, sie wurde jemandem versprochen. Immerhin, die Sachen dieses Herrn sind noch nicht eingeräumt, und da Herren meistens nicht so abergläubisch sind wie Damen, macht ihm wahrscheinlich ein Tausch nichts aus.»

Ich dankte ihm, und der Steward begab sich zum Zahlmeister, um seine Erlaubnis einzuholen. Grinsend kehrte er zurück.

«Geht in Ordnung, Miss. Sie können sofort einziehen.»

Er zeigte mir den Weg zu Nummer siebzehn. Die Kabine war lange nicht so hübsch wie die von Nummer dreizehn, aber ich war trotzdem überglücklich.

In diesem Augenblick erschien der Mann mit dem unheimlichen Gesicht in der Tür.

«Entschuldigen Sie», sagte er, «aber diese Kabine ist für Eustace Pedler reserviert.»

«Das stimmt, Sir», entgegnete der Steward. «Wir haben Ihnen jedoch stattdessen Nummer dreizehn eingeräumt.»

«Nein, man hat mir Nummer siebzehn zugesagt.»

«Die andere Kabine ist viel größer und angenehmer.»

«Ich habe ausdrücklich Nummer siebzehn verlangt, und der Zahlmeister hat sie mir versprochen.»

«Das tut mir sehr Leid», erwiderte ich kühl. «Dies hier ist meine Kabine.»

«Damit kann ich mich nicht einverstanden erklären.»

Jetzt mischte sich der Steward wieder ein. «Die andere Kabine ist genauso praktisch, nur viel hübscher.»

«Ich wünsche aber Nummer siebzehn.»

«Was gibt es hier?», fragte eine neue Stimme. «Steward, bringen Sie meine Sachen hier herein. Es ist meine Kabine.»

Es war mein Nachbar bei Tisch, Reverend Edward Chichester.

«Entschuldigen Sie bitte, diese Kabine gehört mir», sagte ich fest.

«Sie ist Sir Eustace Pedler zugesichert worden», rief Mr Pagett.