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Als wir Madeira verlassen hatten, stolperte Guy Pagett wieder an Deck und begann natürlich sofort mit hohler Stimme über Arbeit zu schwatzen. Warum, zum Teufel, soll ich hier arbeiten? Es stimmt schon, dass ich dem Verleger meine Erinnerungen für den Frühsommer versprochen habe, aber warum eigentlich? Wer liest denn solche Bücher!

Ich versuchte ihn abzulenken.

«Sie gleichen einem perfekten Wrack, mein Lieber. Sie müssen sich in einem Liegestuhl an der Sonne erholen. Nein, kein Wort mehr darüber, die Arbeit hat eben zu warten.»

Er ging überhaupt nicht darauf ein, sondern forderte eine Extrakabine zum Arbeiten. Am nächsten Tag erschien er mit grimmigem Gesicht. Der Zahlmeister hatte ihm Kabine siebzehn als Arbeitsraum zugewiesen, aber Pagett hatte die betreffende Kabine nicht beziehen können und war darüber höchst aufgebracht. Er erzählte eine lange Geschichte, wie er und ein Mr Chichester und eine Miss Beddingfeld sich beinahe in die Haare geraten waren. Unnötig zu sagen, dass die junge Dame Siegerin blieb.

«Die Kabinen dreizehn und achtundzwanzig, die der Steward als Ersatz vorschlug, sind beide viel größer und schöner, aber weder Mr Chichester noch Miss Beddingfeld wollten etwas davon hören.»

«Nun, mir scheint, sie selbst waren genauso dickköpfig, mein lieber Pagett», erwiderte ich gelangweilt.

Er blickte mich vorwurfsvoll an. «Sie sagten selbst, ich solle Kabine siebzehn nehmen.»

«Du lieber Himmel, das sagte ich doch bloß, weil ich sah, dass sie leer war. Jeder andere Raum ist genauso gut.»

«Die Sache bleibt trotzdem merkwürdig, Sir», beharrte er. «Miss Beddingfeld hat die Kabine erhalten – aber heute Morgen sah ich diesen Chichester ganz verstohlen herausschleichen.»

Ich blickte ihn strafend an. «Wenn Sie glauben, mir hier eine Skandalgeschichte auftischen zu können, dann irren Sie sich ganz gewaltig, mein Lieber. Miss Beddingfeld ist ein anständiges Mädchen und Chichester immerhin ein Missionar, obschon ich zugebe, dass er mir widerlich ist. Anne Beddingfeld hat übrigens die bei weitem hübschesten Beine von allen Damen hier.»

Pagett liebt solche Bemerkungen nicht. Ich bin überzeugt, dass er Beine überhaupt nicht sieht – oder es wenigstens nicht zugeben würde. Mich hält er für sehr frivol, und da es mir Spaß macht, ihn zu sticheln, fuhr ich fort: «Da Sie ja anscheinend ihre Bekanntschaft gemacht haben, können Sie die junge Dame einladen, heute Abend beim Kostümfest unser Gast zu sein. Sie sollten übrigens gleich ein Kostüm für mich aussuchen.»

«Sie werden doch nicht an diesem Kostümfest teilnehmen wollen, Sir?», fragte er in entsetztem Ton.

Eigentlich hatte ich das wirklich nicht im Sinn gehabt. Aber seine Empörung reizte mich zum Widerspruch.

«Selbstverständlich nehmen wir daran teil und kostümieren uns wie alle anderen – Sie auch, mein Freund.»

Pagett schüttelte sich.

«Sie werden jetzt gleich zwei Kostüme für uns holen», schloss ich.

«Es gibt sicher keine so ausgefallenen Größen», murmelte er und maß mich abschätzig mit den Augen. Pagett kann manchmal unbewusst recht beleidigend sein.

«Bestellen Sie auch gleich einen Tisch für sechs Personen im Salon. Wir werden den Kapitän zu uns bitten, das Mädchen mit den schönen Beinen, Mrs Blair…»

«Mrs Blair kommt nicht ohne Colonel Race», unterbrach Pagett. «Ich habe zufällig gehört, wie er sie zum Essen eingeladen hat.» Pagett weiß einfach alles. Daher fragte ich ihn auch: «Wer ist eigentlich dieser Colonel Race?»

«Man sagt, er gehöre zum Geheimdienst, Sir Eustace. Er soll dort ein großes Tier sein. Aber natürlich weiß ich das nicht mit Bestimmtheit.»

«Das sieht unserer Regierung wieder mal ähnlich!», rief ich empört. «Da ist ein Kerl an Bord, der von Berufs wegen ständig mit Geheimakten zu tun hat, aber das genügt ihnen nicht, nein! Sie müssen einen Außenstehenden wie mich mit dem Zeug belästigen.»

Pagett machte sein geheimnisvolles Gesicht. Er trat einen Schritt näher und senkte seine Stimme zu einem Flüstern: «Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten, Sir Eustace. Diese ganze Geschichte ist höchst seltsam! Denken Sie nur an meine Erkrankung kurz vor der Abreise…»

«Ach Unsinn, Sie haben einfach ein Gallenleiden gehabt, wie schon so oft.»

Pagett blinzelte. «Das war nicht wie sonst, Sir. Diesmal…»

«Verschonen Sie mich um Himmels willen mit der Aufzählung Ihrer Symptome, Pagett. Ich bin nicht daran interessiert.»

«Gut, Sir. Aber meiner Ansicht nach bin ich vergiftet worden.»

«Aha, Sie haben anscheinend mit Rayburn gesprochen.»

Er leugnete es nicht.

«Nebenbei, wo steckt der Kerl eigentlich?», fragte ich. «Seit wir an Bord sind, habe ich ihn noch nicht zu Gesicht bekommen.»

«Er gibt vor, seekrank zu sein, Sir Eustace, und bleibt deshalb in seiner Kabine. Aber das ist nur Tarnung; er kann auf diese Weise alles besser beobachten.»

«Beobachten?»

«Ja, Sir, und für Ihre Sicherheit sorgen, falls ein Angriff auf Sie geplant ist.»

«Sie sind wirklich ein lustiger Kerl, Pagett. Sie verstehen es blendend, die Menschen aufzuheitern. An Ihrer Stelle würde ich als Henker oder als Totenkopfmaske zum Ball gehen.»

Das verschlug ihm die Worte. Ich begab mich an Deck und fand dort Miss Beddingfeld tief im Gespräch mit diesem Missionar. Frauen haben immer eine Vorliebe für die Geistlichkeit.

Ein Mann von meiner Figur hasst es, sich zu bücken. Aber ich tat es trotzdem aus Höflichkeit, um ein Stück Papier aufzuheben, das neben dem Geistlichen am Boden lag. Einen Dank erhielt ich nicht für meine Mühe.

Ohne es zu wollen, hatte ich die Worte auf dem Zettel gelesen.

Versuchen Sie nicht, auf eigene Faust vorzugehen, oder Sie werden es bereuen!

Nette kleine Drohung für einen Geistlichen! Langsam interessiert es mich wirklich, wer dieser Kerl ist. Er sieht so harmlos aus wie Milch und Honig, aber das Aussehen kann trügen. Ich muss Pagett fragen, Pagett weiß alles.

Ich nahm in meinem Liegestuhl neben Mrs Blair Platz und unterbrach dadurch ihr Tête-à-Tête mit Race. Als ich sie einlud, am Kostümfest mit mir zu speisen, brachte er es irgendwie fertig, die Einladung auch auf sich zu beziehen.

Nach dem Essen setzte sich Miss Beddingfeld zu uns. Ich hatte Recht, ihre Beine sind wirklich die schönsten an Bord, und ich werde sie ebenfalls zum Dinner einladen.

Was mag wohl Pagett in Florenz zugestoßen sein? Jedes Mal wenn von Italien gesprochen wird, verliert er die Nerven. Wüsste ich nicht, wie unglaublich korrekt er ist, müsste ich annehmen, er habe sich dort auf eine peinliche Liebesaffäre eingelassen. Manchmal werden selbst die hölzernen Männer… Es wäre köstlich! Pagett als schuldbewusster Wüstling!

13

Es war ein merkwürdiger Abend. Das einzige Kostüm, das sich für meine Figur auftreiben ließ, war ein Teddybär. Ich habe nichts dagegen, an einem kalten Winterabend in England bei ein paar hübschen Mädchen den Bären zu spielen – aber für den Äquator ist das nicht das richtige Kostüm. Immerhin, es sorgte für Belustigung.

Mrs Blair hatte sich geweigert, in einem Kostüm zu erscheinen, und Race schloss sich natürlich ihrem Beispiel an. Anne Beddingfeld erschien als Zigeunermädchen und sah reizend aus. Pagett behauptete, Kopfschmerzen zu haben, und ließ sich nicht blicken. An seiner Stelle bat ich einen komischen kleinen Kerl namens Reeves an unseren Tisch. Er ist ein prominentes Mitglied der südafrikanischen Arbeiterpartei. Ein schrecklicher Mensch, aber ich will ihn bei guter Laune halten, denn er kann mir wichtige Informationen geben. Ich möchte die Geschichte über jenen Streik im Rand von beiden Seiten hören. Der Tanz war eine heiße Angelegenheit. Zweimal forderte ich Anne Beddingfeld auf, aber es macht ihr sichtlich kein Vergnügen. Einmal tanzte ich mit Mrs Blair, die noch weniger Freude daran zeigte, und dann mit ein paar anderen hübschen Mädchen.