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«Von wem?», warf ich ein.

«Von Chichester. Ja, das fügt sich alles ineinander. Schicken Sie ein Kabel an Lord Nasby, Anne, dass Sie den ‹Mann im braunen Anzug› entdeckt haben, und Ihr Glück ist gemacht.»

«Sie haben Verschiedenes übersehen, Suzanne.»

«Was denn? Rayburn hat eine Narbe, ich weiß. Aber eine solche Narbe kann auch geschminkt sein. Er besitzt die richtige Größe und Figur. Wie war doch gleich der Ausdruck für seine Kopfform?»

Suzanne war eine gebildete und belesene Frau, aber ich betete, dass sie in den technischen Ausdrücken der Anthropologie nicht bewandert sei.

«Dolichozephal», sagte ich leichthin.

Suzanne blickte mich zweifelnd an. «Sagten Sie wirklich so?»

«Ja. Es bedeutet langköpfig – ein Schädel, dessen Breite höchstens drei Viertel seiner Länge beträgt», erklärte ich geläufig.

«Und wie heißt das Gegenteil? Wie heißt ein Schädel, dessen Breite mehr als drei Viertel seiner Länge beträgt?»

«Brachyzephal», murmelte ich widerwillig.

«Das ist’s!», rief Suzanne. «Ich wusste doch, dass Sie zuerst etwas anderes sagten.»

«Tatsächlich? Oh, das war nur ein Versehen von mir», erwiderte ich so überzeugend wie möglich.

Suzanne betrachtete mich forschend, dann lachte sie hell auf. «Sie lügen recht ordentlich, Zigeunerin. Aber es würde uns viel Zeit und Mühe ersparen, wenn Sie jetzt die Wahrheit erzählen würden.»

«Es gibt nichts zu erzählen», sagte ich unwillig.

«Tatsächlich?», fragte Suzanne sanft.

«Nun ja, ich werde es Ihnen wohl gestehen müssen», seufzte ich. «Ich schäme mich auch gar nicht – man kann sich nicht einer Sache schämen, die einem einfach widerfährt. Er war ekelhaft zu mir, aber ich habe ihn verstanden, er war verbittert und verzweifelt. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber ich liebe ihn. Die Begegnung mit ihm hat mein ganzes Leben umgekrempelt. Ich könnte sterben für ihn. So, jetzt wissen Sie es!»

Suzanne sah mich lange schweigend an. «Also kein Kabel an Lord Nasby?», sagte sie dann.

16

Am nächsten Morgen bot sich mir eine Gelegenheit, mit Colonel Race zu sprechen. Wir lehnten an der Reling. Das Meer schimmerte in allen Farben.

«Sie haben uns gestern Abend eine sehr interessante Geschichte erzählt», brach ich das Schweigen. «Was ist übrigens aus dem anderen jungen Mann geworden?»

«Aus Lucas? Nun, man konnte natürlich nicht den einen laufen lassen und den anderen einsperren. Er ging daher auch straffrei aus.»

«Weiß man, was weiter mit ihm geschah?»

Colonel Race starrte auf das glitzernde Meer. Sein Gesicht war wie eine Maske, und ich hatte das Gefühl, meine Frage behagte ihm gar nicht.

«Er zog ebenfalls in den Krieg und hat verschiedene Auszeichnungen erhalten. Doch dann wurde er als vermisst gemeldet, offenbar gefallen.»

Das genügte mir; ich fragte nicht weiter. Aber Colonel Race erschien mir immer rätselhafter.

Ich unternahm einen Vorstoß beim Nachtsteward; eine Ermunterung in Form eines Trinkgelds brachte ihn zum Sprechen.

Auf der letzten Fahrt von Kapstadt nach England hatte ihm ein Passagier einen Film gegeben mit dem Auftrag, ihn bei der Rückfahrt am zweiundzwanzigsten Januar Punkt ein Uhr nachts in die Kabine einundsiebzig zu werfen. Der Passagier hatte ihm gesagt, eine Dame werde in dieser Kabine sein, und es handle sich um eine Wette. Ich vermutete, dass der Steward für seine Mitarbeit gut bezahlt worden war. Der Name der Dame war ihm nicht genannt worden, doch der betreffende Passagier hatte Carton geheißen, und seine Beschreibung deckte sich genau mit der des Verunglückten an der U-Bahn-Station.

Dieses Geheimnis war also gelüftet; die Diamanten bildeten offenbar den Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit.

Die letzten zwei Tage auf der Kilmorden verflogen im Nu. Als wir uns Kapstadt näherten, sah ich mich gezwungen, meine nächsten Pläne genau zu überlegen. Es gab so viele Menschen, die ich nicht aus den Augen lassen durfte. Mr Chichester, Sir Eustace und seinen Sekretär und – ja, auch Colonel Race! Wie sollte ich das nur anstellen? Diesem Chichester musste natürlich meine spezielle Aufmerksamkeit gelten. Ich war schon halb entschlossen, Sir Eustace und Pagett von jedem Verdacht freizusprechen, als mich eine Unterhaltung mit Pagett von neuem stutzig machte.

«Ich möchte so gern einmal nach Florenz», sagte ich. «Es muss wundervoll sein. Hat es Ihnen dort gut gefallen?»

«O ja, Miss Beddingfeld. Aber Sie werden mich jetzt gewiss entschuldigen, ich habe dringende Briefe für Sir Eustace zu…»

Ich hielt ihn am Ärmel fest. «Ach, laufen Sie doch nicht fort!», rief ich. «Nie wollen Sie etwas über Florenz erzählen!»

Ich sah deutlich, wie er zusammenzuckte.

«Keineswegs, Miss Beddingfeld, keineswegs», versicherte er ernsthaft. «Ich würde sehr gern mit Ihnen über Florenz plaudern, aber ich muss unbedingt ein paar wichtige Kabel…»

«Oh, Mr Pagett, was für eine faule Ausrede! Ich werde es Sir Eustace erzählen.»

Er erschrak sichtlich, seine Nerven mussten am Zerreißen sein.

«Was möchten Sie denn wissen?», fragte er im Tonfall eines resignierten Märtyrers. Sein merkwürdiges Verhalten brachte mich auf eine Idee.

«Herrliches Florenz!», sagte ich schwärmerisch. «Wie romantisch es am Ufer des Arno liegt! Und der Duomo ist auch so ein schöner Fluss, nicht wahr? Waren Sie auch am Duomo?»

«Natürlich… natürlich.»

«Ist er nicht noch malerischer als der Arno?»

«Doch, gewiss… das finde ich auch.»

Hilflos war er in die plumpe Falle gegangen. Wer den Dom von Florenz für einen Fluss hält, war bestimmt noch niemals dort gewesen.

Aber wo hatte er dann, während sein Herr ihn in Italien wähnte, gesteckt? In England? Konnte er zur Zeit des Mordes in Marlow gewesen sein? Ich entschloss mich zu einem verwegenen Schritt.

«Es ist merkwürdig, ich habe immer das Gefühl, Sie schon einmal gesehen zu haben; aber da Sie damals gerade in Florenz waren…»

«Wo… wo soll das gewesen sein?» Pagett fuhr sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen.

«In Marlow. Kennen Sie es vielleicht? Aber natürlich, Sir Eustace hat ja dort ein Haus!»

Mit einer undeutlich gemurmelten Entschuldigung erhob sich Pagett und eilte davon.

In der Nacht schlich ich wieder ganz aufgeregt in Suzannes Kabine.

«Du siehst also», schloss ich meine Erzählung – inzwischen duzten wir uns –, «er muss zur Zeit des Mordes in England gewesen sein, und ich bin sicher, er war im Haus zur Mühle. Glaubst du immer noch, dass der ‹Mann im braunen Anzug› schuldig ist?».

«Ich weiß nur eines mit Bestimmtheit», sagte Suzanne und kniff die Augen zusammen, «nämlich dass dein Mann im braunen Anzug› viel besser aussieht als der arme Pagett! – Aber im Ernst, mir scheint, du hast eine sehr wichtige Entdeckung gemacht. Bisher glaubten wir, dass Pagett ein sicheres Alibi besitze. Und jetzt stellt sich heraus, dass das keineswegs der Fall ist.»

«Das eben wollte ich beweisen. Wir dürfen ihn unter keinen Umständen aus den Augen verlieren.»

«Weder ihn noch die anderen», sagte Suzanne.

Anschließend stritten wir eine Weile, weil Suzanne darauf bestand, mich als ihren Gast ins Hotel Mount Nelson mitzunehmen. Schließlich gab ich nach, wenn auch nicht ganz glücklich, denn ich hätte meinen «Fall», lieber auf eigene Faust durchgefochten.

«Das wäre also erledigt», seufzte Suzanne und streckte sich erleichtert. «Nun zu unseren Opfern! Mr Chichester fährt weiter nach Durban. Sir Eustace steigt zuerst im Hotel Mount Nelson in Kapstadt ab und fährt dann nach Rhodesien. Er verfügt im Zug über ein Privatabteil, und ein paar Gläser Champagner haben ihn auf dem Ball dazu verleitet, mich einzuladen. Natürlich hat er es nicht ernst gemeint, aber wenn ich darauf beharre, kann er sich wohl nicht gut drücken.»