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«Schön, du wirst also auf Sir Eustace und auf Pagett aufpassen, und ich kümmere mich um Chichester. Was aber geschieht mit Colonel Race?»

Suzanne warf mir einen sonderbaren Blick zu. «Anne, du kannst doch nicht ernstlich ihn verdächtigen…»

«Doch. Ich verdächtige jeden. Und ich bin gerade in der Stimmung, nach der unwahrscheinlichsten Person Ausschau zu halten.»

«Colonel Race will ebenfalls nach Rhodesien», meinte Suzanne nachdenklich. «Vielleicht könnte man Sir Eustace dazu überreden, seine Einladung auch auf ihn auszudehnen?»

«Das schaffst du doch mit Leichtigkeit.»

Suzanne lachte, und wir trennten uns, nachdem sie mir versprochen hatte, ihre ganze Verführungskunst auszuspielen.

Ich war viel zu aufgeregt, um schlafen zu gehen. Es war meine letzte Nacht an Bord; morgen früh sollten wir die Tafelbucht anlaufen.

Ich kletterte zum oberen Deck, wo eine frische, kühle Brise ging. Es war bereits nach Mitternacht, das Deck war einsam und verlassen.

Ich lehnte an der Reling und starrte in die Nacht hinaus. Dort drüben lag Afrika; näher und näher kamen wir der Küste. Die Welt war wundervoll! Ein seltsamer Friede hüllte mich ein; ich verlor mich in Träumen.

Plötzlich weckte mich das Gefühl einer nahenden schrecklichen Gefahr. Ich hatte nichts gehört, doch mit klopfendem Herzen fuhr ich herum. Ein Schatten hatte sich hinter mich geschlichen. Als ich mich umdrehte, sprang er mich an. Eine Hand fasste nach meiner Kehle, so dass ich nicht schreien konnte. Ich kämpfte verzweifelt, aber ich fühlte, dass ich unterliegen würde. Als meine Kräfte erlahmten, spürte der Angreifer seinen Vorteil und riss mich hoch. Doch im selben Augenblick eilte auf leisen Sohlen ein zweiter Schatten herbei. Mit einem einzigen Faustschlag streckte er den anderen zu Boden. Erlöst fiel ich gegen die Reling, schwach und zitternd. Mein Retter wandte sich mir zu. «Sie sind verletzt!»

Etwas Seltsames lag in seinem Ton – eine Drohung gegen den Mann, der es gewagt hatte, mir weh zu tun. Doch noch ehe er sprach, hatte ich ihn erkannt. Es war der Sekretär mit der Narbe.

Der kurze Moment seiner Unaufmerksamkeit hatte dem Angreifer genügt. Schnell wie der Blitz war er aufgesprungen und raste das Deck hinunter. Mit einem Fluch rannte Rayburn ihm nach.

Wir liefen rund ums Deck zur Steuerbordseite. Dort, an der Tür zum Salon, lag eine zusammengesunkene Gestalt. Rayburn beugte sich über sie.

«Haben Sie ihm nochmals einen Schlag versetzt?», fragte ich atemlos.

«War nicht nötig», knurrte er. «Er lag ohnmächtig da – oder er spielt uns Theater vor. Das werden wir gleich haben.»

Rayburn strich ein Zündholz an, und beide zugleich stießen wir einen Ausruf der Verblüffung aus. Der Mann war Guy Pagett.

Rayburn verwirrte diese Entdeckung offenbar.

«Pagett», murmelte er. «Guter Gott, Pagett!»

«Sie scheinen sehr erstaunt zu sein», sagte ich.

Er blickte mich misstrauisch an. «Natürlich. Sie etwa nicht? Was haben Sie überhaupt mit dieser Sache zu tun? Was wissen Sie davon?»

«Ich weiß recht viel. Mr – Lucas!»

Er packte mich am Arm, und die Kraft seines Griffs ließ mich zusammenzucken.

«Woher kennen Sie diesen Namen?», stieß er hervor.

«Heißen Sie denn nicht so?», fragte ich sanft. «Oder soll ich Sie lieber ‹den Mann im braunen Anzug› nennen?»

Das traf ihn wie ein Schlag. Er ließ meinen Arm los und taumelte zurück.

«Sind Sie eine Frau oder eine Hexe?», stöhnte er.

«Ich bin ein guter Freund», sagte ich leise und trat ganz nahe an ihn heran. «Einmal habe ich Ihnen bereits meine Hilfe angeboten – ich tue es nochmals. Wollen Sie sie annehmen?»

Die Heftigkeit seiner Antwort ließ mich zurückschrecken. «Nein! Ich will weder mit Ihnen noch mit irgendeiner anderen Frau etwas zu tun haben.»

Jetzt wurde ich wütend. «Sie vergessen offenbar, dass ich Sie in der Hand habe. Ein Wort von mir zum Kapitän…»

Mit einem raschen Schritt trat er auf mich zu und legte seine Hände um meine Kehle.

«So sagen Sie es doch. Bedenken Sie aber, wie sehr ich Sie im Augenblick in der Hand habe!» Dann ließ er mich mit einem kurzen Lachen los. «Wie heißen Sie?», fragte er unerwartet.

«Anne Beddingfeld.»

«Haben Sie nie Angst, Anne Beddingfeld?»

«O doch», sagte ich so kühl wie möglich. «Ich habe Angst vor Wespen, jungen Männern und Kakerlaken.»

Wieder lachte er kurz auf. Dann stieß er den bewusstlosen Pagett mit dem Fuß an.

«Was sollen wir mit diesem Bündel machen? Ober Bord werfen?», fragte er leichthin.

«Wenn es Ihnen Vergnügen bereitet…», antwortete ich im selben Tonfall.

«Ich bewundere Ihre blutdürstigen Instinkte, Anne Beddingfeld. Doch wir überlassen ihn besser sich selbst; er ist nicht ernsthaft verwundet.»

«Ich sehe, Sie scheuen einen zweiten Mord», sagte ich.

«Einen zweiten Mord?» Er sah ehrlich überrascht aus.

«Denken Sie an die Frau in Marlow», erinnerte ich ihn und beobachtete genau die Wirkung meiner Worte.

Ein brütender Ausdruck überzog sein Gesicht. Er schien meine Gegenwart vergessen zu haben.

«Ich hätte sie umbringen können», sagte er leise. «Manchmal glaube ich wirklich, dass ich sie töten wollte…»

Hass auf die Tote kam in mir hoch. In diesem Moment hätte ich sie ermorden können. Er musste sie einmal geliebt haben – es konnte gar nicht anders sein!

«Auf Wiedersehen, Mr Lucas!»

Wieder zuckte er bei dem Namen zusammen.

«Weshalb sagten Sie ‹auf Wiedersehen›?»

«Weil ich das Gefühl habe, dass wir uns noch öfter begegnen werden.»

«Nicht, wenn ich es vermeiden kann!»

Seine Worte klangen grob, aber ich lächelte nur und trat in die Dunkelheit.

17

Aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler

Hotel Mount Nelson, Kapstadt

Es bedeutet eine wahre Erlösung für mich, die Kilmorden verlassen zu können. Ständig hatte ich dort das Gefühl, von einem ganzen Netzwerk von Intrigen umgeben zu sein. Und um allem die Krone aufzusetzen, muss Guy sich in der letzten Nacht noch in eine Schlägerei mit Trunkenbolden einlassen. Jedenfalls sieht es so aus, obgleich er es natürlich abstreitet. Er läuft mit einer Beule herum, so groß wie ein Hühnerei, und einem Auge, das in allen Regenbogenfarben schillert.

Er tat sehr geheimnisvoll und behauptete, sich diese Verletzungen in meinem Dienste zugezogen zu haben. Er sprach von «einem Mann, der sich sehr verdächtig aufgeführt» habe. Was für ein Unsinn!

«Wie ein Dieb schlich er herum, Sir, und das mitten in der Nacht!»

«Was hatten Sie denn draußen zu suchen? Warum lagen Sie nicht im Bett?», fragte ich gereizt.

«Ich habe Ihre Depeschen in Geheimschrift übertragen und Ihr Tagebuch abgetippt. Dann wollte ich noch etwas frische Luft schnappen. Der Mann schlich über den Gang, aus der Richtung Ihrer Kabine kommend, Sir. Ich sah sofort, dass etwas nicht stimmte, und folgte ihm.»

«Mein guter Pagett, warum sollte der Mann nicht an Deck gehen, wenn er nicht schlafen konnte? Kein Wunder, dass er Sie niederschlug, wenn Sie den armen Teufel belästigt haben.»

Aber Pagett behauptete steif und fest, dass der Unbekannte um meine Kabine herumgeschlichen sei oder aber sich mit Colonel Race habe treffen wollen. Auf diesem Gang waren nur unsere beiden Kabinen belegt. Schließlich gestand er zögernd, der Überzeugung zu sein, dass sein Angreifer Rayburn gewesen war.

Die ganze Sache ist in der Tat seltsam. Es stimmt, dass wir Rayburn seit unserer Ankunft in Kapstadt nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Im Hotel ist er nicht aufgetaucht. Aber ich werde niemals glauben, dass er vor Pagett ausgerückt ist. Für mich ist das alles sehr ärgerlich. Da habe ich nun zwei Sekretäre, doch der eine hat sich verflüchtigt, und der andere sieht aus wie ein geschlagener Preisboxer. Ich kann mich unmöglich mit Pagett zeigen, sonst werde ich die Zielscheibe des Spotts für ganz Kapstadt. Heute Nachmittag habe ich eine Verabredung, um das billet doux des alten Milray abzuliefern, aber ich kann Pagett in seinem jetzigen Zustand nicht mitnehmen. Der Teufel hole den Burschen und seine Schnüffelei.