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Ich bin überhaupt schlechter Laune. Das Frühstück war widerlich, die Gesellschaft ebenso; die dicke Kellnerin ließ mich eine halbe Stunde auf meinen Fisch warten, und dann war dieser kaum genießbar.

Später am Tag

Etwas sehr Ernsthaftes hat sich zugetragen. Ich bin zu meiner Verabredung gegangen und habe den versiegelten Brief ausgehändigt. Von außen sah der Umschlag ganz unversehrt aus – innen aber lag ein leeres Blatt Papier!

Das bringt mich natürlich in eine scheußliche Lage. Der Teufel muss mich geritten haben, dass ich mich überhaupt auf diese Sache einließ.

Pagett macht mich verrückt mit seinen trostreichen Sprüchen. Dabei zeigt er eine gewisse düstere Befriedigung, die ausdrücken wilclass="underline" Sehen Sie, ich habe es ja immer gesagt!

«Es wäre doch denkbar, Sir Eustace, dass Rayburn damals einen Teil Ihres Gesprächs mit Mr Milray gehört hat. Und vergessen Sie nicht, er hat Ihnen nichts Schriftliches vorgewiesen, Sie haben einfach seinen Behauptungen geglaubt.»

«Demnach halten Sie also Rayburn für einen Schwindler?», fragte ich langsam.

Pagett war überzeugt davon. Ich hätte es vorgezogen, die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen, doch er unternahm natürlich alle möglichen Maßnahmen, um Beweismaterial gegen Rayburn in die Hände zu bekommen. Er raste zur Polizei, er schickte unzählige Telegramme in die Welt hinaus und mobilisierte eine ganze Armee englischer und holländischer Beamter.

Die Antwort von Milray traf heute Abend ein. Er wusste gar nichts von meinem verschwundenen Sekretär!

Noch später

Pagett ist in seinem Element und sprüht wahre Geistesblitze. Jetzt ist ihm eingefallen, dass Rayburn der gesuchte «Mann im braunen Anzug» sein muss. Wahrscheinlich hat er damit Recht – wie immer. Die ganze Sache ist äußerst peinlich für mich. Je rascher ich nach Rhodesien komme, desto besser. Ich habe Pagett bereits auseinander gesetzt, dass ich ohne ihn fahren werde.

«Sehen Sie, mein Lieber», habe ich ihm erklärt, «es ist wichtig, dass Sie hier an Ort und Stelle bleiben. Wahrscheinlich wird man diesen Rayburn bald fassen, und dann müssen Sie ihn identifizieren. Außerdem habe ich meine Würde als englisches Parlamentsmitglied zu wahren. Ich kann mich nicht mit einem Sekretär sehen lassen, der so deutliche Spuren einer ordinären Prügelei aufweist.»

Daran schluckte er schwer. Dann sagte er: «Der Waggon mit Ihrem Privatabteil wird morgen, Mittwoch, an den Zug angehängt, der um elf Uhr abfährt. Ich habe alle Vorbereitungen getroffen. Wird Mrs Blair eine Zofe mitnehmen?»

«Mrs Blair?», fragte ich erstaunt.

«Sie behauptet, von Ihnen eingeladen worden zu sein.»

Jetzt erinnerte ich mich. Das war auf dem Kostümball. Aber natürlich hatte ich nie damit gerechnet, dass sie das Angebot annehmen würde.

«Habe ich sonst noch jemanden eingeladen?», fragte ich nervös.

«Mrs Blair ist der Meinung, dass Sie auch Colonel Race zum Mitfahren aufgefordert haben.»

Ich stöhnte. «Da muss ich wohl betrunken gewesen sein! Lassen Sie sich das als Warnung dienen, Pagett.»

«Ich bin Abstinenzler, Sir Eustace.»

«Umso besser für Sie. Und sonst habe ich niemanden eingeladen?»

«Meines Wissens nicht, Sir.»

Ich seufzte erleichtert. «Da ist aber noch Miss Beddingfeld», sagte ich. «Soviel ich weiß, möchte sie nach Rhodesien, um alte Knochen auszugraben. Eigentlich könnte ich sie für die Dauer der Reise als Sekretärin engagieren.»

Zu meinem Erstaunen lehnte sich Pagett heftig dagegen auf. Seit dem gestrigen Abend scheint er eine tiefe Abneigung gegen Anne Beddingfeld zu haben.

Um ihn zu ärgern, werde ich das Mädchen fragen, ob es mitkommen will.

18

Annes Bericht

Die Kilmorden dampfte direkt auf die Tafelbucht zu. Weiße Schäfchenwolken hingen über dem Berg, und dicht an den Abhängen bis hinunter zum Meer dehnte sich die schlafende Stadt, die in der goldenen Frühsonne glitzerte.

Ich hielt den Atem an. «Das also ist Südafrika», flüsterte ich vor mich hin.

Plötzlich merkte ich, dass ich nicht allein war. Ein Mann lehnte an der Reling, genauso vertieft wie ich. Er brauchte nicht den Kopf zu wenden, damit ich ihn erkannte. In der friedlichen Morgensonne erschien mir das gestrige Erlebnis unwirklich und melodramatisch. Was musste er von mir denken?

Entschlossen blickte ich wieder zum Berg hinüber. Wenn Rayburn hierher gekommen war, um allein zu sein – ich würde ihn nicht daran hindern.

Doch zu meinem großen Erstaunen sagte er freundlich und ruhig: «Miss Beddingfeld.»

«Ja?» Ich drehte mich um.

«Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Letzte Nacht habe ich mich wie ein Flegel benommen. Können Sie mir verzeihen?»

Wortlos hielt ich ihm meine Hand hin, und er drückte sie fest.

«Ich möchte Ihnen noch etwas sagen», fuhr er mit tiefem Ernst fort. «Miss Beddingfeld, Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass Sie sich in eine sehr gefährliche Geschichte eingelassen haben.»

«Das habe ich vermutet», erwiderte ich.

«Ich möchte Sie warnen! Lassen Sie die Hände davon; die Sache hat ja nichts mit Ihnen persönlich zu tun, und ihre Neugier könnte Sie in Teufels Küche bringen. Diese Leute kennen kein Erbarmen. Schon jetzt schweben Sie in großer Gefahr – denken Sie nur an gestern Nacht. Man vermutet, dass Sie etwas wissen. Stellen Sie sich dumm, das ist das Beste, was Sie tun können. Aber seien Sie immer auf der Hut! Und wenn Sie jemals trotzdem in ihre Hände fallen sollten, dann versuchen Sie keine Ausreden, sagen Sie einfach die volle Wahrheit. Nur das kann Sie retten.»

«Und was wird aus Ihnen?», fragte ich.

«Wenn es mir gelingt, an Land zu kommen, bin ich in Sicherheit; doch wenn nicht…»

«Was dann?», rief ich entsetzt.

«Ich befürchte, Sie sind nicht der einzige Mensch an Bord, der weiß, dass ich der ‹Mann im braunen Anzug› bin. Es gibt jemanden auf dem Schiff, der von Anfang an Bescheid wusste. Wenn er spricht, bin ich verloren. Doch ich hege die leise Hoffnung, dass er es vorzieht zu schweigen.»

«Weshalb?»

«Weil er ein Mann ist, der gern auf eigene Faust arbeitet. Falle ich in die Hände der Polizei, bin ich nutzlos für ihn geworden. Frei muss ich sein! Nun, in einer Stunde werden wir es wissen.»

Er lachte spöttisch, doch ich sah, wie sich sein Gesicht verhärtete.

«Ich denke», sagte er leichthin, «wir werden uns wohl kaum Wiedersehen.»

«Vermutlich nicht», erwiderte ich langsam.

«Also, leben Sie wohl.»

«Leben Sie wohl.»

Er nahm meine Hand, und einen Augenblick brannten seine hellen Augen in den meinen. Dann wandte er sich hastig um und ging davon. Seine Schritte hallten über das Deck. Ich wusste, dass ich diesen Klang niemals vergessen würde.

Die nächsten zwei Stunden waren unerträglich. Erst als wir endlich auf der Landungsbrücke standen und alle Zoll- und Passformalitäten hinter uns hatten, wagte ich langsam aufzuatmen. Es hatte keine Verhaftung stattgefunden!

Zum Lunch war Suzanne mit Freunden verabredet. So blieb ich mir selbst überlassen und schlenderte ein wenig durch die Stadt. Schließlich kaufte ich ein Körbchen voll Pfirsiche und kehrte gemächlich zum Hotel zurück.

Zu meinem Erstaunen fand ich dort eine Mitteilung vom Kurator des Museums vor, der von meiner Ankunft gehört hatte. Man hatte mich als Tochter des verstorbenen Professors Beddingfeld gemeldet. Wie ich aus dem Brief erfuhr, hatte der Kurator meinen Vater flüchtig gekannt und war ein großer Bewunderer von ihm. Er schrieb, dass er und seine Gattin sich sehr freuen würden, wenn ich am Nachmittag zum Tee kommen würde.