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Der Holländer stieß einen erschrockenen Schrei aus, dann sagte er: «Es wäre doch viel einfacher, ihr den Schädel einzuschlagen. Das Boot liegt bereit, man könnte sie hinausfahren und in die See werfen.»

«Ja», meinte Chichester nachdenklich, «das würde ich auch am liebsten tun. Eines ist sicher, sie weiß zu viel. Aber der ‹Colonel› geht ja immer seine eigenen Wege. Er will irgendwelche – Auskünfte von ihr haben.»

Die Pause vor dem Wort «Auskünfte», war deutlich. Auch dem Holländer fiel sie auf.

«Auskünfte?», fragte er.

«Etwas in der Richtung.»

Diamanten, sagte ich mir.

«Und jetzt», fuhr Chichester fort, «geben Sie mir die Listen.»

Das Gespräch wurde nun völlig unverständlich für mich. Es schien sich um große Mengen Gemüse zu drehen. Daten wurden genannt, Preise und verschiedene Plätze, die mir unbekannt waren. Fast eine halbe Stunde dauerte diese Unterhaltung.

«Gut», sagte Chichester, und ich hörte das Rücken eines Stuhls. «Ich nehme sie mit, um sie dem ‹Colonel› zu zeigen.»

«Wann fahren Sie ab?»

«Morgen um zehn Uhr; das ist früh genug.»

«Wollen Sie die Kleine noch sehen?»

«Nein. Der Befehl ist klar, dass niemand sie sehen soll, bis der ‹Colonel› selbst kommt. Es ist doch alles in Ordnung mit ihr?»

«Ich habe einen Blick in die Dachkammer geworfen, ehe ich zum Essen kam. Sie schlief tief und fest. Wie steht es mit einer Mahlzeit für sie?»

«Ein wenig fasten wird ihr nur gut tun. Der ‹Colonel› kommt irgendwann morgen, und sie wird eher bereit sein, Fragen zu beantworten, wenn sie hungrig ist. Bis dahin soll niemand zu ihr hineingehen. Sie ist hoffentlich gut gefesselt?»

Der Holländer lachte. «Was halten Sie denn von mir?»

Wieder erklang Stuhlrücken, und Schritte näherten sich. Ich rannte leise die Treppe hinauf, und kaum war ich oben, öffnete sich die Tür. Gleichzeitig bewegte sich der Kaffer und erwachte. An eine Flucht durch den Haupteingang war nicht mehr zu denken. Ich kehrte in die Dachkammer zurück und legte mich wie zuvor auf den Boden, für den Fall, dass jemand hereinschaute.

Ich durchwachte die ganze Nacht. Als ich mich am nächsten Morgen zum drittenmal auf den Vorplatz schlich und die Treppe hinabspähte, war die Halle leer. Wie ein Pfeil schoss ich zur Tür, öffnete sie und stand draußen im hellen Sonnenlicht. Wie gejagt rannte ich die Auffahrt hinunter.

Dann aber verlangsamte ich meinen Schritt. Leute begegneten mir, die mich neugierig anblickten. Kein Wunder! Meine Kleider müssen zerrissen gewesen sein und mein Gesicht ganz schmutzig.

Schließlich gelangte ich zu einer Garage und ging hinein.

«Ich habe einen Unfall gehabt», erklärte ich. «Können Sie mich sofort nach Kapstadt fahren? Ich muss unbedingt das Schiff nach Durban erreichen.»

Kurz darauf rasten wir in Richtung Hafen. Als Nächstes galt es herauszufinden, ob Chichester mit der Kilmorden abfuhr.

Ob ich selbst mitfahren sollte oder nicht, das war mir noch unklar. Eigentlich hielt ich es für das Richtigste. Chichester war der Mann, dem ich folgen musste – der Mann, der im Auftrag des geheimnisvollen «Colonels», in den Besitz der Diamanten gelangen wollte.

Doch aus meinem Vorhaben wurde nichts. Als ich bei der Landungsbrücke ankam, dampfte die Kilmorden bereits der offenen See entgegen. Und ich hatte keine Ahnung, ob Chichester auf dem Schiff war oder nicht!

20

Ich fuhr zum Hotel, rannte die Treppe hinauf und klopfte an Suzannes Tür. Als sie mich erkannte, fiel sie mir um den Hals. «Anne, meine Liebe, wo hast du gesteckt? Ich war zu Tode erschrocken, als du nicht ins Hotel zurückkehrtest. Was hast du angestellt?»

Hastig erzählte ich ihr die ganze Geschichte.

«Und was sollen wir jetzt tun?», fragte sie.

«Ich weiß nicht recht», sagte ich nachdenklich. «Du fährst natürlich nach Rhodesien, um ein Auge auf Pagett zu haben…»

«Und du?»

Das war eben die Schwierigkeit. Befand sich Chichester auf der Kilmorden oder nicht? Stand er im Begriff, seinen ursprünglichen Plan auszuführen und nach Durban zu fahren? In diesem Fall konnte ich ihm mit dem Zug folgen. Es war allerdings auch denkbar, dass ihm mein Entkommen und auch mein nächstes Ziel, nämlich Durban, telegrafisch mitgeteilt wurde. Nichts leichter für ihn, als das Schiff bereits in Port Elizabeth oder in East London zu verlassen und so seine Spur gänzlich zu verwischen.

Eine verzwickte Sache!

«Auf jeden Fall könnten wir uns nach den Zügen nach Durban erkundigen», meinte ich.

Am Schalter erfuhr ich, dass der einzige Zug nach Durban um 20.15 Uhr abfuhr. So hatte ich Zeit genug, meine Entscheidung hinauszuschieben, und leistete Suzanne bei einem verspäteten Frühstück Gesellschaft.

«Bist du sicher, dass du diesen Chichester in jeder Verkleidung erkennen würdest?», fragte sie.

Ich schüttelte zweifelnd den Kopf. «Als ‹Stewardess› habe ich ihn jedenfalls nicht erkannt, und ohne deine Zeichnung wäre ich nie darauf gekommen, dass er es sein könnte.»

«Dieser Mann ist ganz bestimmt ein Berufsschauspieler», sagte Suzanne. «In Durban könnte er als Matrose oder als alte Dame von Bord gehen, und du würdest nicht einmal daran denken, ihm zu folgen.»

In diesem Augenblick gesellte sich Colonel Race zu uns.

«Was macht Sir Eustace?», fragte Suzanne. «Ich habe ihn den ganzen Morgen nicht gesehen.»

Ein seltsamer Ausdruck überflog sein Gesicht. «Er hat einige persönliche Schwierigkeiten, die ihn sehr beschäftigen.»

«Erzählen Sie!»

«Es sieht so aus, als ob der berüchtigte ‹Mann im braunen Anzug› die Reise auf der Kilmorden mitgemacht hätte.»

«Was?»

Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Glücklicherweise blickte mich Colonel Race nicht an.

«Es scheint Tatsache zu sein. In jedem englischen Hafen hielt man Ausschau nach ihm – aber er brachte es fertig, Pedler so einzuwickeln, dass er ihn als Sekretär mitnahm.»

«Doch nicht Mr Pagett?»

«O nein, nicht Pagett, sondern dieser andere Bursche – Rayburn nannte er sich.»

«Hat man ihn verhaftet?», fragte Suzanne. Unter dem Tisch drückte sie beruhigend meine Hand. Ich wartete atemlos auf die Antwort.

«Nein. Es sieht so aus, als hätte er sich in Luft aufgelöst.»

«Wie verhält sich Sir Eustace?»

«Er scheint es als persönliche Beleidigung aufzufassen, die ihm das Schicksal zugedacht hat.»

Später ergab sich die Gelegenheit, Sir Eustaces eigene Ansicht über diese Sache zu hören. Er lud Suzanne und mich zum Tee auf seinem Zimmer ein.

Der arme Mann befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Suzannes offensichtliches Mitgefühl brachte ihn dazu, seine ganzen Sorgen auszupacken.

«Erst besitzt eine völlig fremde Frau die Unverschämtheit, sich ausgerechnet in meinem Haus ermorden zu lassen – natürlich nur, um mir Schwierigkeiten zu bereiten. Was habe ich dieser Frau getan, dass sie sich unter allen Häusern in England gerade meins aussucht, um sich umbringen zu lassen?»

Suzanne murmelte etwas Teilnahmsvolles, und Sir Eustace fuhr noch bekümmerter als zuvor fort:

«Und nicht genug damit, wagt es der Mörder auch noch, sich bei mir als Sekretär einzuschleichen. Als mein Sekretär1. Kein Mensch soll mir mehr von Sekretären reden, ich habe die Nase voll davon. Entweder sind es Mörder oder betrunkene Krakeeler. Haben Sie Pagetts Auge gesehen? Ich kann mich doch nicht mit einem solchen Sekretär zeigen! Nein, danke, ich will nichts mehr von einem Sekretär wissen – höchstens eine Sekretärin, ein nettes Mädchen, das mir die Hand hält, wenn ich verstimmt bin. Wie wäre es mit Ihnen, Miss Anne, würden Sie die Stelle annehmen?»