Als ich bei einer großen Schiffsagentur vorbeikam, hielt ich plötzlich inne. Im Schaufenster stand das Modell eines modernen Dampfers – und davor in Metallettern: Kilmorden Castle. Beinahe hätte ich laut aufgeschrien. Hastig ging ich hinein und fragte: «Kilmorden Castle?»
«Läuft am 17. Januar von Southampton aus. Wollen Sie nach Kapstadt? Erste oder zweite Klasse?»
«Wie teuer ist die Schiffskarte?»
«Erster Klasse siebenundachtzig Pfund…»
Ich unterbrach den Angestellten. Dieses Zusammentreffen konnte kein Zufall sein. Genau der Betrag meiner Erbschaft!
Da gab es einfach kein Zögern.
«Erster Klasse», entschied ich fest.
Nun war ich endgültig dem Abenteuer ausgeliefert.
8
Auszug aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler,
Parlamentsmitglied
10. Januar
Es ist eine eigenartige Tatsache, dass ich nie zur Ruhe gelangen kann. Und dabei bin ich ein Mensch, der ein geruhsames Leben als höchstes Gut schätzt. Ich liebe meinen Club, ein gemütliches Bridgespiel, ein gutes Essen und einen erstklassigen Wein dazu. Ich liebe England im Sommer und die Riviera im Winter. Sensationelle Begebenheiten liegen mir nicht. Höchstens mag ich dann und wann einen Zeitungsartikel darüber lesen, wenn ich am behaglichen Kaminfeuer sitze. Damit jedoch wäre mein Bedarf an aufregenden Geschehnissen vollauf gedeckt. Mein einziger Lebenszweck besteht darin, ein bequemes, angenehmes Dasein zu führen. Diesem Ziel habe ich viel Nachdenken und eine beachtliche Geldsumme geopfert. Doch kann ich nicht behaupten, immer Erfolg damit gehabt zu haben. Selbst wenn ich persönlich unbeteiligt bin, so geschehen doch alle möglichen Dinge in meiner Umgebung, und manchmal werde ich sogar in den Strudel mit hineingerissen. Diesmal geschah es, weil Guy Pagett heute früh mit einem Telegramm in mein Schlafzimmer kam und ein Gesicht machte, als ginge er zu einer Beerdigung.
Guy Pagett ist mein Sekretär, ein fleißiger, gewissenhafter Mensch und in jeder Beziehung bewundernswert. Ich kenne niemanden, der mich mehr langweilt als er. Lange Zeit habe ich überlegt, wie ich ihn loswerden könnte. Aber man kann natürlich einen Sekretär nicht nur deshalb entlassen, weil er zu fleißig ist und die Arbeit jedem Vergnügen vorzieht, weil er morgens früh aufsteht und sage und schreibe keinen einzigen Fehler besitzt.
Vorige Woche bin ich auf die glänzende Idee gekommen, ihn nach Florenz zu schicken. Er hatte von dieser Stadt gesprochen und gewünscht, sie einmal zu sehen.
«Aber mein Bester», rief ich, «Sie werden morgen schon hinfahren! Ich übernehme sämtliche Ausgaben.»
Natürlich ist der Januar nicht gerade die geeignetste Jahreszeit, um sich Florenz anzuschauen. Doch Pagett war das sicherlich gleichgültig. Ich konnte mir vorstellen, wie er mit einem Reiseführer in der Hand durch sämtliche Museen wandern würde. Und eine Woche der Freiheit war um diesen Preis billig erkauft.
Es wurde eine herrliche Woche für mich. Ich konnte tun, was ich wollte, und brauchte nichts zu tun, worauf ich keine Lust verspürte. Doch als ich heute früh mit den Augen blinzelte und Pagett zu einer so unchristlichen Zeit an meinem Bett stehen sah, da wusste ich, dass es mit meiner Freiheit zu Ende war.
«Mein lieber Freund», sagte ich sarkastisch beim Anblick seines langen Trauergesichts, «hat das Begräbnis schon stattgefunden?»
Pagett hat keinen Sinn für Humor. Er starrte mich nur an.
«Sie sind also bereits informiert, Sir?»
«Worüber?», fragte ich ärgerlich.
«Ich dachte mir gleich, dass Sie darüber noch nichts wissen können.» Er klopfte auf ein Telegrammformular.
«Um was handelt es sich denn?», fragte ich ungeduldig.
«Eine Nachricht von der Polizeistation in Marlow. In Ihrem Haus ist eine Frau ermordet worden.»
Diese Mitteilung weckte mich endgültig auf. «Welche Unverschämtheit!», rief ich. «Warum ausgerechnet in meinem Haus? Wer hat sie umgebracht?»
«Das ist aus dem Bericht nicht zu ersehen. Ich denke, wir sollten unverzüglich nach England zurückkehren, Sir Eustace.»
«Fällt mir ja gar nicht ein! Warum sollten wir das in Dreiteufelsnamen?»
«Die Polizei…»
«Wir haben nichts mit der Polizei zu schaffen!»
«Der Mord ist immerhin in Ihrem Haus geschehen.»
«Das ist mein Pech, aber nicht meine Schuld.»
Guy Pagett schüttelte düster den Kopf und gab zu bedenken: «Diese Frau ist Ausländerin, und das könnte leicht zu Verwicklungen führen.»
«Guter Gott, hoffentlich ist Caroline nicht außer aller Fassung geraten.»
Caroline ist meine Köchin und die Frau meines Gärtners. Ob sie eine gute Ehefrau ist, vermag ich nicht zu beurteilen, aber mit Sicherheit ist sie eine perfekte Köchin. James, ihr Mann, ist ein miserabler Gärtner, und ich habe ihn nur behalten, um Caroline nicht zu verlieren. Ich habe ihnen sogar das Pförtnerhaus zur Verfügung gestellt.
«Wahrscheinlich wird sie nach diesem Vorfall nicht länger bleiben wollen», meinte Pagett.
«Ihre Bemerkungen sind immer so trostreich», knurrte ich.
Aber ich glaube wirklich, ich muss nach Marlow fahren. Pagett beharrt darauf, und schließlich möchte ich Caroline beruhigen.
13. Januar
Scheußliches Klima! Ich werde nie begreifen, warum nicht alle vernünftigen Leute England im Winter fluchtartig verlassen. Langweilige Scherereien wegen dieser Sache. Die Häusermakler behaupten, das Haus zur Mühle lasse sich kaum mehr vermieten nach all dem Zeitungsgeschwätz. Caroline ist zufrieden gestellt – durch doppelten Lohn. Dafür hätte ein Telegramm von der Riviera genügt. Wir hätten gar nicht herkommen sollen. Morgen kehre ich an die Riviera zurück.
14. Januar
Merkwürdige Dinge haben sich begeben. Gleich nach meiner Ankunft begegnete ich Augustus Milray, dem größten Vollidioten, den das britische Parlament hervorgebracht hat. Er triefte nur so vor diplomatischer Geheimniskrämerei, als er mich gestern im Club in einen stillen Winkel zog und redete wie ein Wasserfall. Über Südafrika, über die dortige Industrie und über die ständig wachsenden Gerüchte von einem Streik im Rand{*}. Ich hörte so geduldig wie möglich zu.
Schließlich senkte er die Stimme zu einem Flüstern und sagte, gewisse Dokumente seien zum Vorschein gekommen, die dringend in die Hände von General Smuts gelangen müssten.
«Sie haben bestimmt Recht», erwiderte ich.
«Aber wie? Wie soll er sie erhalten? Unsere Position in dieser Angelegenheit ist sehr, sehr heikel.»
«Wie wäre es mit der Post?», schlug ich vor. «Es gibt so etwas wie Briefmarken und Postsäcke, wissen Sie.»
Der Gedanke schien ihn zu entsetzen. «Mein lieber Pedler! Doch nicht auf dem gewöhnlichen Postweg.»
Es ist mir immer ein Geheimnis geblieben, weshalb Regierungen diplomatische Kuriere verwenden und damit jedermanns Aufmerksamkeit auf ihre vertraulichen Akten lenken.
«Schön, dann schicken Sie eben einen Ihrer jungen Leute hin. Die werden sich auf die Gelegenheit zu einer solchen Reise stürzen.»
«Ausgeschlossen!», rief Milray und schüttelte den Kopf wie ein seniler Trottel. «Es gibt Gründe, mein lieber Pedler – ich versichere Ihnen, es gibt Gründe!»
«Das ist ja alles sehr interessant», sagte ich und stand auf. «Aber ich muss jetzt leider gehen.»
«Einen Moment noch, Pedler, nur einen Moment! Im Vertrauen: Sie haben doch selbst die Absicht, nach Südafrika zu reisen? Ich weiß, Sie besitzen Interessen in Rhodesien.»
«Nun, ich dachte daran, ungefähr in einem Monat hinzufahren.»
«Könnten Sie denn nicht früher reisen? In diesem Monat schon – oder genauer gesagt, noch diese Woche?»