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«Ich könnte schon», gab ich zu und sah ihn zum ersten Mal forschend an. «Aber ich habe keine Lust dazu.»

«Sie würden der Regierung damit einen großen Dienst erweisen – einen sehr großen Dienst. Und Sie dürften bestimmt auf… Dankbarkeit zählen.»

«Mit anderen Worten, Sie möchten mich als Postboten verwenden.»

«Genau das. Sie reisen in privater Angelegenheit, und Sie genießen volles Vertrauen. Das würde unser Problem zur allgemeinen Zufriedenheit lösen.»

«Gut denn», sagte ich langsam. «Im Grunde ist es gleichgültig, wann ich fahre. Mir liegt einzig und allein daran, so rasch wie möglich wieder von England fortzukommen.»

«Sie werden das Klima dort unten wunderbar finden, ganz wunderbar.»

«Mein lieber Milray, ich kenne das Klima in Südafrika besser als Sie. Ich war vor dem Krieg lange genug dort.»

«Wir sind Ihnen wirklich sehr dankbar, Pedler. Das Paket lasse ich Ihnen durch einen Boten zukommen. Es darf nur in die Hände von General Smuts gelangen, verstehen Sie? Die Kilmorden Castle lichtet am Samstag die Anker – ein sehr gutes Schiff.»

Ich schüttelte Milray die Hand und dachte, während ich nach Hause ging, über die merkwürdigen Seitenwege der geheimen Diplomatie nach.

Heute Abend nun meldete mein Butler, dass mich ein Herr zu sprechen wünsche, der jedoch seinen Namen nicht nennen wolle. Normalerweise hätte ich Guy Pagett hinausgeschickt, um den Mann abzufertigen. Doch bedauerlicherweise lag dieser mit einem Gallenleiden zu Bett.

Der Butler kehrte zurück.

«Der Herr sagt, er käme von Mr Milray.»

Das änderte die Lage. Ein paar Minuten später war ich bei meinem Besucher in der Bibliothek. Er war ein gutgebauter junger Bursche mit sonnengebräuntem Gesicht.

«Nun, was gibt es?», fragte ich kurz.

«Mr Milray schickt mich zu Ihnen, Sir Eustace. Ich soll Sie auf der Reise nach Südafrika als Sekretär begleiten.»

«Mein Lieber», sagte ich, «das ist nicht nötig. Ich habe meinen eigenen Sekretär und brauche keinen anderen.»

«Ich glaube doch, Sir Eustace. Wo ist Ihr Sekretär jetzt?»

«Er liegt mit einem leichten Gallenleiden im Bett», antwortete ich.

«Sind Sie sicher, dass es sich um nichts anderes handelt?»

«Selbstverständlich. Er ist etwas anfällig.»

«Das mag so sein – oder auch nicht. Die Zeit wird es aufdecken. Aber ich kann Ihnen eines sagen, Sir Eustace. Mr Milray wäre gar nicht überrascht, wenn ein Versuch unternommen würde, Ihren Sekretär aus dem Weg zu schaffen. Oh, Sie brauchen für sich selbst nichts zu befürchten» – wahrscheinlich hatte ich plötzlich sehr erschrocken ausgesehen – «Sie sind keineswegs bedroht. Aber man könnte leichter an Sie herankommen, wenn Sie ohne Ihren Sekretär fahren müssten. Wie dem auch sei, Mr Milray wünscht dringend, dass ich Sie begleite. Die Überfahrt wird selbstverständlich von uns bezahlt, aber es wäre gut, wenn Sie die Passformalitäten erledigen würden, damit es so aussieht, als ob Sie sich entschlossen hätten, einen zweiten Sekretär mitzunehmen.»

Der junge Mann schien mir sehr selbstsicher. Wir blickten einander eine Weile in die Augen, doch er blieb Sieger.

«Nun gut», gab ich nach.

«Sie sprechen aber bitte mit keinem Menschen darüber, dass ich Sie begleite.»

«Schon recht.»

Ich dachte, vielleicht sei es gar nicht so schlecht, dass dieser Bursche mitreist, aber ich konnte das unangenehme Gefühl nicht loswerden, damit in Teufels Küche zu kommen.

Als mein Besucher im Begriff war zu gehen, sagte ich spöttisch: «Ich sollte doch zumindest den Namen meines neuen Sekretärs wissen, oder?»

«Harry Rayburn scheint mir ein recht passender Name», antwortete er.

Ich fand seine Art, sich auszudrücken, sehr eigentümlich.

9

Anne Beddingfelds Bericht

Es ist einer Heldin absolut unwürdig, seekrank zu werden. Aber ich muss leider bekennen, dass ich beim ersten schweren Schlingern der Kilmorden Castle grün wurde und schleunigst von Deck verschwand. Eine verständnisvolle Stewardess kümmerte sich um mich und riet mir zu trockenem Brot und Ingwerbier.

Während der nächsten drei Tage blieb ich ächzend und stöhnend in meiner Kabine und dachte nicht mehr an meine Aufgabe. Die Lösung von Geheimnissen hatte jeden Reiz für mich verloren. Das war nicht mehr die Anne, die sich so strahlend von Mrs Flemming verabschiedet hatte.

Ich muss immer wieder lachen, wenn ich an diesen Abschied zurückdenke. Die Flemmings waren rührend besorgt um mich, als ich ihnen mitteilte, die Überfahrt sei bereits gebucht. Sie erhoben alle möglichen Einwände, und ich musste mich darauf hinausreden, dass ich beabsichtigte, in Kapstadt eine Stelle als Stubenmädchen anzunehmen. Stubenmädchen seien dort sehr gesucht, behauptete ich kühn. Im Grunde ihres Herzens war Mrs Flemming natürlich froh, die Verantwortung für mich loszuwerden, und so ließen sie mich schließlich ziehen. Beim Abschied drückte sie mir fünf nagelneue Fünfpfundnoten in die Hand.

So gelangte ich denn glücklich an Bord der Kilmorden Castle, mit fünfundzwanzig Pfund in der Tasche und der Hoffnung auf Abenteuer. Doch jetzt hatte mich diese Hoffnung gänzlich verlassen, und ich besaß nur noch einen einzigen Wunsch: Möglichst bald in meiner Kabine sterben zu können. Am vierten Tag brachte mich die Stewardess endlich dazu, an Deck zu gehen. Sie überredete mich mit dem Hinweis, wir würden gegen Mittag Madeira anlaufen. Eine leise Hoffnung regte sich in mir. Ich könnte in Madeira das Schiff verlassen und dort eine Stelle als Stubenmädchen suchen.

In Decken und Mantel gehüllt, sterbensmüde und schwach auf den Beinen, wurde ich in einen Liegestuhl gepackt. Dort lag ich nun mit geschlossenen Augen neben ein paar anderen Kranken und hasste das Leben. Der Zahlmeister, ein blonder junger Mann mit einem Kindergesicht, setzte sich eine Weile zu mir.

«Hallo! Sie fühlen sich wohl sehr schlecht?»

«Ja», sagte ich und hasste auch ihn.

«Nun, in ein paar Tagen werden Sie sich selbst nicht mehr erkennen. Es ist wahr, wir hatten in der Bucht etwas Seegang, doch jetzt steht ruhiges Wetter in Aussicht. Morgen nehme ich Sie zu den Deckspielen mit.»

Ich gab keine Antwort.

«Sie glauben jetzt natürlich, Sie werden sich nie erholen, nicht wahr? Aber ich habe schon Leute gesehen, denen es noch viel schlechter ging als Ihnen, und schon zwei Tage später genossen sie die Freuden der Reise. Nur Geduld, Ihnen wird es genauso ergehen.»

Ich fühlte mich viel zu schwach, um ihn einen Lügner zu nennen, und blickte ihn nur verachtungsvoll an. Er schwatzte noch ein paar Minuten und empfahl sich dann glücklicherweise. Passagiere schlenderten an mir vorbei, lachende junge Leute, vergnügt hopsende Kinder.

Die Luft war angenehm frisch, und die Sonne leuchtete. Unmerklich begann ich mich etwas besser zu fühlen. Ich beobachtete das Kommen und Gehen der Leute. Eine junge Dame interessierte mich besonders. Sie mochte etwa dreißig Jahre als sein, war mittelgroß, hellblond und hatte ein rundes, lustiges Gesicht mit Grübchen. Ihr Kleid war sehr einfach, aber es besaß jenes undefinierbare Etwas, das beste Pariser Maßarbeit verriet. In liebenswürdiger, selbstsicherer Weise benahm sie sich so, als ob ihr das ganze Schiff gehöre.

Die Stewards rannten hin und her, um ihre Wünsche zu erfüllen. Sie schien einer der wenigen Menschen zu sein, die wissen, was sie wollen, die ihr Ziel stets erreichen und dabei doch immer liebenswürdig bleiben. Ich dachte bei mir, es müsste schön sein, mit dieser Dame zu plaudern, wenn ich jemals wieder gesund würde.

Wir erreichten Madeira um die Mittagszeit. Ich war immer noch zu schwach, um aufzustehen, aber ich freute mich an den malerischen Händlern, die an Bord kamen und ihre Waren ausbreiteten.