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Boardmans Stimme drang durch den Kopfhörer an Neds Ohr. „Wir haben vier Drohnen verloren, als sie durch ihre Tore traten. Das ist genau das, was wir erwartet haben. Wie steht’s bei Ihnen?“

„Alles verläuft nach Plan“, sagte Rawlins. „Bis jetzt ist noch alles okay.“

„Sie müßten sie innerhalb von sechs Minuten nach dem Eintritt verlieren. Wieviel Zeit ist bis jetzt bei Ihnen verstrichen?“

„Zwei Minuten und fünfzehn Sekunden.“

Die Drohne hatte die Kammer nun hinter sich gebracht und rollte rasch an der Stelle vorbei, wo der Lichtstrahl eingeschlagen hatte. Rawlins schaltete den Geruchssinn des Roboters ein, der verbrannte Luft mit hohem Ozon-Anteil feststellte. Ein Stück voraus teilte sich der Weg. Auf der einen Seite befand sich eine Brücke aus Stein, die von einem Bogen gehalten wurde und sich über etwas spannte, das wie eine Flammengrube aussah. Auf der anderen Seite lag ein Haufen übereinandergestürzter, riesiger Steinblöcke. Sie waren so aufeinandergeschichtet, daß die oberen jeden Moment herabzustürzen drohten. Die Brücke schien einladender zu sein, aber die Drohne wandte sich plötzlich von ihr ab und begann, über die Blöcke zu klettern. Rawlins fragte sie nach dem Grund und erhielt die Information, daß es die „Brücke“ gar nicht gab. Sie war eine Projektion, die von Sendern innerhalb der gegenüberliegenden Wände ausgestrahlt wurde. Rawlins simulierte mit der Elektronik ein Betreten der Brücke und beobachtete dann auf dem Bildschirm, wie die Drohne auf den Überweg trat, völlig unerwartet durch die solide aussehende Brücke brach und dabei das Gleichgewicht verlor. Während die simulierte Drohne sich um die Wiedererlangung des Gleichgewichts bemühte, geriet der Boden in Bewegung und schleuderte sie in die Flammengrube. Hübsch, dachte Ned, während ihm ein Schauer über den Rücken lief.

Inzwischen hatte die echte Drohne die eine Seite des Steinhaufens bezwungen und machte sich unbeschädigt auf der anderen an den Abstieg. Drei Minuten und acht Sekunden waren mittlerweile vergangen. Ein Stück gerader Straße erwies sich als so sicher, wie es aussah. Zu beiden Seiten wurde die Straße von fensterlosen Türmen flankiert, die an die hundert Meter hoch und ganz schlank waren, aus einem schimmernden Mineral bestanden und eine ölig-glatte Oberfläche aufwiesen. Sie warfen glitzernde Moiremuster auf den Boden, während der Roboter an ihnen vorbeizog. Zu Beginn der vierten Minute wich die Drohne einigen Pfeilern aus, die an zuschnappende Zahnreihen erinnerten. Dann trat sie zur Seite und entging so einem regenschirmförmigen Rammbock, der plötzlich mit vernichtender Wucht vorstieß. Achtzig Sekunden später machte der Roboter einen Bogen um eine Falltür, die sich über einem gähnenden Abgrund öffnete, und entging geschickt fünf vierschneidigen Klingen, die sich unvermittelt aus dem Boden schoben. Danach bestieg die Drohne ein Gleitband, von dem sie rasch davongetragen wurde. Genau vierzig Sekunden lang.

Die bislang zurückgelegte Strecke war schon vor langer Zeit von einem terranischen Forscher namens Cartissant erkundet worden, bevor auch er den Tod gefunden hatte. Er hatte einen genauen Bericht über seine Erfahrungen und Entdeckungen im Irrgarten durchgegeben. Fünf Minuten und dreißig Sekunden lang, dann war er verstummt. Sein Fehler hatte darin bestanden, noch eine einundvierzigste Sekunde auf dem Gleitband zu bleiben. Seine Gefährten, die draußen geblieben waren und ihn auf ihren Monitoren verfolgt hatten, konnten nicht sagen, was ihm genau zugestoßen war.

Als der Roboter vom Band stieg, führte Rawlins eine weitere Simulation durch. Er bekam rasch eine Darstellung von dem geboten, was das Computergehirn als wahrscheinlichste Möglichkeit errechnet hatte: Das Gleitband tat sich plötzlich auf und verschluckte seinen Passagier. Die Drohne bewegte sich inzwischen rasch auf die Stelle zu, die wie der Ausgang dieser äußersten Labyrinthzone aussah. Dahinter lag ein hell erleuchteter, angenehm aussehender Platz, der von treibenden Kugeln aus einer perlartigen, glühenden Substanz umgeben war.

Rawlins meldete: „Ich bin jetzt in der siebten Minute, und wir rollen immer noch weiter, Charles. Vor uns scheint ein Tor zu Zone G zu liegen. Vielleicht sollten Sie sich einschalten und meiner Übertragung besondere Aufmerksamkeit schenken.“

„Wenn Sie noch zwei Minuten durchhalten, werde ich es tun“, sagte Boardman.

Der Roboter blieb vor dem Innentor stehen. Vorsichtig aktivierte er sein Gravitron und strahlte einen Energieball mit einer Masse aus, die der seinen entsprach. Er ließ den Ball durch das Tor schweben. Nichts geschah. Zufrieden wandte sich die Drohne danach selbst dem Durchgang zu. Als sie auf der Schwelle stand, prallten die beiden Seiten plötzlich abrupt wie die Backen einer gewaltigen Presse zusammen und zerstörten so den Roboter. Neds Schirm wurde dunkel. Rasch schaltete er auf eine der Flugdrohnen um und erhielt ein Bild, auf dem sein Roboter auf der anderen Seite der Schwelle lag, zusammengepreßt zu einer zweidimensionalen Karikatur seiner ehemaligen Form. Ein Mensch, der in die gleiche Falle geraten wäre, wäre zu Staub zermahlen worden.

„Meine Drohne ist soeben ausgeschaltet worden“, meldete er Boardman. „Sechs Minuten und vierzig Sekunden.“

„Wie erwartet“, ertönte die Antwort. „Wir haben nur noch zwei aktive Roboter. Schalten Sie um und sehen Sie es sich an.“

Das Hauptdiagramm erschien auf Neds Bildschirm: eine vereinfachte und stilisierte Tuschestiftdarstellung des gesamten Labyrinths, wie man es von der Luft aus sah. Ein kleines x war überall dort angebracht, wo ein Sondierungsroboter zerstört worden war. Nach einigem Suchen fand Rawlins den Weg, den seine Drohne gewählt hatte. Ein x war zwischen den Zonengrenzen an der Stelle eingezeichnet, wo sich die zuschnappende Tür befand. Es wollte Rawlins so vorkommen, als sei sein Roboter weiter vorangekommen als die meisten anderen. Aber dann mußte er über den kindischen Stolz lächeln, den diese Entdeckung in ihm hervorgerufen hatte. Schließlich bewegten sich zwei Roboter immer noch weiter hinein. Einer befand sich sogar schon in der zweiten Labyrinthzone, während der andere gerade ein Tor durchfuhr, das Zutritt zu dem inneren Ring gewährte.

Das Diagramm verschwand, und jetzt sah Rawlins auf das Labyrinth, wie es durch die Linsenaugen einer der Drohnen aufgenommen wurde. Fast zierlich bewegte sich der mannshohe Metallkörper durch die barocken Kniffe und Fallen des Labyrinths, zeigte durch seine Optik, wie er eine goldene Säule passierte, von der eine schwirrende Melodie in seltsamem Tonfall kam, einen Lichtsee, ein Netz aus glitzernden, metallischen Speichen und Haufen spitzer, gebleichter Knochen. Rawlins konnte nur kurze Blicke auf die Knochen werfen, da die Drohne rasch weiterrollte, aber er war davon überzeugt, daß nur wenige von Menschen stammten. Dieser Ort war ein galaktischer Friedhof für alle Mutigen und Verwegenen.

Die Erregung in ihm wurde immer stärker, als die Drohne weiter und weiter rollte. Er war so von den Bildern auf seinem Schirm gefesselt, daß es ihm so vorkam, als befände er sich selbst in dem Irrgarten und würde Todesfalle um Todesfalle ausweichen. Triumph stieg in ihm auf, als die Anzahl der Minuten sich immer mehr vergrößerte. Vierzehn waren bereits vergangen. Im zweiten Ring des Labyrinths herrschte nicht so ein dichtgedrängtes Wirrwarr wie im ersten. Hier gab es auch größere Plätze, hübsche Kolonnaden und lange Straßen, die strahlenförmig von der Hauptverbindung abgingen. Ned fühlte Ruhe in sich aufsteigen. Er spürte Stolz über die Beweglichkeit und Geschicklichkeit der Drohne und über die Präzision ihrer sensorischen Instrumente. Daher war der Schock um so stärker und störender, als eine Pflasterplatte sich plötzlich hochkant stellte und den Roboter auf eine lange Rutsche fallen ließ, die ihn zu einem Ort brachte, wo die Schneidezähne einer gigantischen Mühle sich bereits eifrig drehten.