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Einige Jahrhunderte lang hatte die Menschheit die Sterne erforscht, ohne auf Spuren einer zweiten Rasse zu stoßen. Es gab massenhaft Planeten, von denen auch etliche bewohnbar waren. Und eine erstaunlich hohe Anzahl war sogar erdähnlich. Aber man hatte ohnehin mit einer größeren Menge kolonisierbarer Welten gerechnet. Der Himmel war voll von Sonnen im Mittelbereich, unter denen es unzählige Sterne vom F- und G-Typ gab, die Leben hervorbringen konnten. Der Prozeß der Planetengenese ist nichts Außergewöhnliches. Die meisten dieser Sonnen besaßen im Schnitt zwischen fünf und zwölf Planeten. Einige dieser Welten besaßen sogar die richtige Größe, Masse und Dichte, um eine Atmosphäre zu entwickeln und zu behalten, und auch die anderen Voraussetzungen, die zur Entstehung und Evolution von Leben führten. Und von diesen Planeten bewegten sich einige in der geeigneten Umlaufbahn, in der sie vor extremen Temperaturen geschützt waren. Somit wimmelte es in der Galaxis von Leben — sehr zur Freude der Zoologen.

Doch bei seinem ungestümen Ausbruch aus dem eigenen System und seiner Expansion ins All war der Mensch nur auf Spuren von früheren intelligenten Rassen gestoßen. Tiere tummelten sich heute in den Ruinen von unvorstellbar alten Zivilisationen. Der spektakulärste Fund war das alte Labyrinth auf Lemnos. Doch auch andere Welten besaßen ihre Stadtruinen, verwitterten Bauwerke, Friedhöfe und verstreuten Scherbenhaufen. Somit wurde das All auch zur Fundgrube für die Archäologen. Die Sammler und Erfasser außerirdischer Tierarten und die Erforscher uralter Relikte blieben auf lange Zeit beschäftigt. Ganz neue Wissenschaftsdisziplinen schossen wie Pilze aus dem Boden. Man bemühte sich nun, Zivilisationen, die geblüht hatten, als auf der Erde noch keine Pyramiden standen, zu rekonstruieren.

Aber über all diese fremden Rassen in der Galaxis schien ein seltsamer Fluch gekommen zu sein, der sie ausgelöscht hatte. Offensichtlich waren ihre Zivilisationen schon vor so langer Zeit untergegangen, daß nicht einmal degenerierte Nachfahren bis heute überlebt hatten. Sie waren wie Ninive oder Tyrus ausgelöscht worden, waren einfach verschwunden. Genauere Überprüfungen hatten ergeben, daß die jüngste dieser etwa zwölf bekannten, extrasolaren Kulturen vor etwa achttausend Jahren untergegangen war.

Doch die Galaxis ist groß, und so suchten die Menschen weiter, ließen sich von einer sonderbaren Mischung aus Neugierde und Grauen weiter dazu treiben, nach Gefährten im All Ausschau zu halten. Aber obwohl der Warpantrieb rasche Flüge an alle Orte im Universum ermöglichte, reichten weder das zur Verfügung stehende Personal noch die vorhandenen Schiffe aus, die Erforschung der ungeheuren kosmischen Weite planvoll anzugehen. Etliche Jahrhunderte nach ihrem Vorstoß ins All machte die Menschheit tagtäglich immer noch neue Entdeckungen, manche sogar nicht weit vom Sol-System entfernt. Der Stern Beta Hydri besaß sieben Planeten. Und auf dem vierten lebte eine zweite intelligente Spezies.

Die Menschen landeten nicht auf dieser Welt. Die Möglichkeit der Entdeckung einer weiteren Spezies war schon lange vor dem eigentlichen Ereignis beraten und vorausgeplant worden. Man hatte einen Maßnahmenkatalog erstellt, der darauf abzielte, alle Fehler und Schnitzer bei einer ersten Begegnung zu vermeiden, aus denen unabsehbare Konsequenzen erwachsen könnten. Die Beobachtung von Beta Hydri IV war von oberhalb der Wolkendecke durchgeführt worden. Ausgeklügelte Geräte hatten die Aktivitäten unter der störenden grauen Maske gemessen. Die hydrische Energieproduktion war bis auf eine Fehlermarge von einigen wenigen Millionen Kilowatt bekannt. Ansiedlungen und Städte auf dem Planeten waren kartographiert und die Bevölkerungszahl daraus geschätzt worden. Der Stand der hydrischen industriellen Entwicklung war auf Grund von Messungen der thermischen Ausstrahlung errechnet worden. Eine tatkräftige, ständig wachsende und leistungsfähige Zivilisation befand sich unter der Wolkendecke, deren technischer Entwicklungsstand dem der Erde am Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts ähnlich war. Es gab nur einen deutlichen Unterschied: Die Hydrier hatten nie damit begonnen, ins All vorzustoßen. Das lag an der alles verdeckenden Wolkenschicht. Eine Rasse, die nie am Himmel die Sterne sehen konnte, entwickelte kaum den Wunsch, zu ihnen zu reisen.

Muller war Zeuge der hitzigen Debatten gewesen, die der Entdeckung der Hydrier gefolgt waren. Er kannte die Gründe, warum ihre Welt unter Quarantäne gelegt worden war. Er begriff nun, daß außerordentlich wichtige Gründe vorliegen mußten, diese Sperre aufzuheben. Da die Erde sich nicht ganz im klaren darüber war, wie und ob sie die Aufnahme von Beziehungen zu Fremdwesen meistern könne, hatte man beschlossen, die Hydrier einstweilen noch in Ruhe zu lassen. Aber nun war dieses Vorhaben umgestürzt worden.

„Und wie soll es jetzt weitergehen?“ fragte Muller. „Wird eine Expedition ausgesandt?“

„Jawohl.“

„Und wie bald?“

„Innerhalb des nächsten Jahres, schätze ich.“

In Muller zog sich alles zusammen. „Unter wessen Führung?“

„Vielleicht unter Ihrer, Dick.“

„Warum vielleicht’?“

„Vielleicht haben Sie kein Interesse daran.“

„Als ich achtzehn war“, erklärte Muller, „lag ich einmal mit einem Mädchen in einem Wald — auf der Erde, in einer Schonung. Wir haben uns dort geliebt. Es war für mich nicht das erste Mal, aber erst dort hat es in jeder Beziehung hundertprozentig geklappt. Danach lagen wir auf dem Rücken und sahen zu den Sternen hinauf. Und ich sagte ihr, ich wollte zu ihnen und sie besuchen. Sie sagte,Oh, wie wunderbar, Dick’. Aber im Grunde hatte ich gar nichts Besonderes gesagt. Jeder Junge in diesem Alter sagt so etwas, wenn er zu den Sternen hinaufsieht. Ich erklärte ihr weiter, daß ich das All erforschen wollte und spätere Generationen sich an mich erinnern würden, wie an Kolumbus, Magellan oder die ersten Astronauten. Ich sagte, ich würde immer in der ersten Reihe stehen, ganz gleich, um was es ging. Und daß ich mich wie ein Gott zwischen den Sternen bewegen wollte. Ich redete unaufhörlich. Etwa zehn Minuten lang sprudelte es aus mir heraus, bis wir beide ganz vom Zauber dieser Vorstellung gefangen waren. Ich drehte mich zu ihr, und sie zog mich auf ihren Körper. Und ich streckte den Sternen meinen nackten Hintern entgegen und beschäftigte mich damit, sie am Erdboden festzunageln. Dies war die Nacht, in der meine Pläne und Ambitionen erwachten.“ Muller lachte auf. „Mit achtzehn kann man Dinge sagen, die später unmöglich sind.“

„Man kann mit achtzehn auch Dinge tun, die man später nicht mehr vollbringen kann“, sagte Boardman. „Nun, Dick? Sie haben mittlerweile die Fünfzig überschritten, nicht wahr? Und Sie haben die Sterne besucht. Fühlen Sie sich wie ein Gott?“

„Manchmal.“

„Wollen Sie nach Beta Hydri IV gehen?“

„Sie wissen genau, daß ich das will.“

„Allein?“

Muller dachte, der Erdboden würde sich unter ihm auf tun.

Und plötzlich stand in seinem Bewußtsein die Erinnerung an seinen ersten Ausflug in den freien Raum, wo er auch ungehemmt durch das Universum gefallen war.

„Allein?“

„Wir haben die ganze Angelegenheit durchgecheckt und sind zu dem Schluß gekommen, daß es zu diesem Zeitpunkt ein Fehler wäre, ein ganzes Rudel Menschen hinabzuschicken. Die Hydrier haben eindeutig und unmißverständlich auf unsere Spionaugen reagiert. Das konnten Sie selbst feststellen: Sie haben sie aufgehoben und zerstört. Uns ist es im Augenblick nicht möglich, ihre Psyche auszuloten, weil wir es noch nie zuvor mit Außerirdischen zu tun gehabt haben. Daher halten wir es für das Sicherste — sowohl was die möglichen Ausfälle an Menschen betrifft als auch was die möglichen Auswirkungen auf ihre Gesellschaft angeht —, ihnen einen einzelnen Botschafter entgegenzuschicken. Ein einziger Mensch, der sich ihnen in friedlicher Absicht nähert, ein gewitzter und erfahrener Mensch, der sich in einer ganzen Palette von außergewöhnlichen Situationen bewährt hat und der von alleine auf die richtigen Methoden kommt, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.